Auf der vom Bundesamt für Naturschutz in Kooperation mit dem Deutschen Meeresmuseum/OZEANEUM in Stralsund ausgerichteten internationalen Tagung „Progress in Marine Conservation 2023: How to stop biodiversity loss – from knowledge to action“ haben sich rund 200...
Pressemitteilung, 17.05.2023, WWF
WWF warnt vor weiterer Aufweichung der Fischereikontrolle / „Toleranzspanne“ der Industriefischerei pro Fangtag größer, als die Hering-Jahresfangmenge eines kleinen Stellnetzkutters / 27 Tonnen Ostseehering aus überfischtem Bestand „legal unterschlagen“
Hamburg/ Berlin, 17. 05. 23: Die Überwachung der europäischen Fischerei läuft Gefahr noch löchriger zu werden, als sie derzeit ist. Denn die Regeln dafür, wie genau die gefangenen Mengen Fisch gemeldet werden müssen, drohen aufgeweicht zu werden, warnt der WWF. In der Ostsee schlagen die negativen Effekte bereits zu Buche, weil die aufgeweichte Regel hier schon in Kraft ist: 27 Tonnen Hering aus dem stark überfischten Bestand wurden seit 2019 „legal unterschlagen“. D.h. bei Kontrollen am Kai wurden Falschmeldungen mit erheblichen Abweichungen zwischen geschätztem Logbucheintrag und angelandetem Fang festgestellt. Weil die sogenannte Toleranzspanne beim Wiegen in der Ostsee für bestimmte Fischereien nicht pro Art, sondern für den gesamten Fang gilt, können selbst Falschmeldungen von zwei Tonnen zusätzlich gefischtem Hering pro Fangreise völlig legal sein. Die Jahresfangmenge eines kleinen Stellnetzkutters liegt derzeit deutlich darunter, bei nur 1,67 Tonnen Hering im Jahr 2022. Die legal unterschlagenen 27 Tonnen entsprechen der derzeit erlaubten Fangmenge von 12,5 dieser Stellnetzkutter.
„Was für einen kleinen Küstenfischer den gesamten, erlaubten Jahresfang an Hering darstellt, darf die große Fischerei auf Schwarmfische als ”geschenkte Quote“ bei einzelnen Fangfahrten extra rausholen. So wird die Überfischung befeuert, denn der zusätzlich gefangene Fisch fehlt den Beständen, ohne dass es im Logbuch verrechnet werden müsste. Politische Beteuerungen, die kleine Küstenfischerei retten zu wollen, klingen unglaubwürdig, wenn man gleichzeitig Gesetzeslücken ausweitet, die der Überfischung weiter Vorschub leisten und von der ausschließlich “die Großen” profitieren“, kritisiert Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF Deutschland. In der Ostsee wurde die Ausnahmeregelung der ausgeweiteten Toleranzspanne v.a. mit Blick auf die gemischte Fischerei auf Sprotte und Hering eingeführt, deren Fang zum Großteil zur Produktion von Tierfutter verwendet wird.
Der WWF warnt davor, die bislang für die Ostsee geltende Ausnahmeregelung auf alle Fischereien auf kleine pelagische Arten, sowie für die tropische Thunfischfischerei der EU auszuweiten, wie EU-Parlament und EU-Mitgliedsstaaten es im Rahmen der laufenden Trilogverhandlungen fordern. Derzeit läuft mit der Überarbeitung der Fischerei-Kontrollverordnung eines der wichtigsten EU-Legislativvorhaben des Jahrzehnts. Am 30. Mai soll eine Einigung zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten erreicht werden.
„Wissenschaftsbasierte Fangquoten lassen sich nur festsetzen, wenn klar ist, was und wie viel in den Netzen landet. Die Ausweitung der Toleranzspanne legalisiert eine dramatische Untererfassung von Fängen und vernebelt der EU so den Blick dafür, was ihren Meeren tatsächlich entnommen wird. Die Ostsee mit ihren schwindenden Heringsbeständen ist bereits zum Schaukasten dieser verheerenden Fischereikontrollpolitik geworden, das darf keine Blaupause für europäische Meere werden.“ Der WWF fordert die Bundesregierung auf sich in den Trilogverhandlungen gegen das Aufweichen der Toleranzspanne in der EU-Fischerei-Kontrollverordnung auszusprechen und sich stattdessen für eine genaue Meldung der Fänge starkzumachen.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.
Das Trauerspiel Fischereikontrolle spiegelt sich auch in den für die Fischerei zuständigen Landwirtschaftsministerien wieder, die sich Anfang diesen Jahres gegen den „Aktionsplan für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ der EU ausgesprochen haben.