Forschung

Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch  Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .

Küstenschütz mit Salzwiesen: Gegen die Flut wächst ein Kraut

Salzwiesen vor der Küste

© Pete / Pixabay

Salzwiesen können dabei helfen, die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.

Das schmelzende Landeis in Grönland und der Antarktis, sowie die Ausdehnung von wärmerem Wasser sind hauptsächlich für den steigenden Meeresspiegel verantwortlich. Dieser ist auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog im letzten Jahrhundert um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Bis zum Jahr 2150 ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Zentimetern zu rechnen – auch wenn wir unsere Treibhausgasemissionen ab jetzt deutlich reduzieren würden. Auch werden Sturmfluten stärker und häufiger, weshalb immer mehr Geld in den Küstenschutz in Form von Deichen und Mauern gesteckt werden muss. Ob diese auch in Zukunft ausreichend Schutz bieten, ist allerdings fraglich. Hier kommen die Seegraswiesen ins Spiel. Die über 45 Pflanzenarten, die auf den Salzwiesen wachsen, stabilisieren den Boden mit ihren Wurzeln und ihre Halme bremsen die Wassermassen ab. Durch diese Pufferzone verlieren die Wellen an Energie und werden kleiner – Deiche müssten dadurch weniger hoch gebaut werden. Dies hat sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.

Salzwiesen schützen nicht nur uns Menschen, sie bieten außerdem Brut-, Rast-, und Futterplätze für ungefähr 50 Vogelarten sowie Lebensraum für über 1500 Arten an wirbellosen Tieren. Zusätzlich sind Salzwiesen natürliche Kohlenstoffdioxidsenken und können große Mengen an CO2 speichern, weshalb sie von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise sind.

Den zugehörigen Artikel „Gegen die Flut wächst ein Kraut“ von Thea Marie Klinger vom 04.02.2023 findet ihr bei der taz.

Warum Klimaschutz nicht ohne Meeresschutz möglich ist, könnt ihr in der Pressemitteilung vom NABU „Meeresschutz ist Klimaschutz“ nachlesen.

Die Klänge der arktischen und antarktischen Meere neu erleben

Zwei Pottwale, eine Mutter und ihr Kalb, schwimmen kurz unter der Wasseroberfläche

© Gabriel Barathieu / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Pressemitteilung, 03.02.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

105 internationale Klangkunstschaffende beteiligen sich an Kunst-Wissenschafts-Kooperation „Polar Sounds“

[03. Februar 2023] 50 Soundclips aus den arktischen und antarktischen Meeren standen Klangkunstschaffenden sowie Musikerinnen und Musikern aus aller Welt seit letztem Spätsommer für Kompositionen zur Verfügung. Am Montag werden die daraus entstandenen, kreativ interpretierten Stücke unter citiesandmemory.com/polar-sounds/ veröffentlicht. Im Rahmen des Projekts Polar Sounds kooperieren das Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) und das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit einem der weltweit größten Klangprojekte, Cities and Memory.

Von allen Sinneseindrücken ist der Schall derjenige, der sich in den Ozeanen am weitesten ausbreitet. Aus diesem Grund sind akustische Methoden ein wichtiges Instrument, das Forschende einsetzen, um die Polarmeere und die darin existierende Artenvielfalt besser zu verstehen. Denn allein durch die Tiefe der Ozeane oder durch Eisbedeckung kommen optische Beobachtungen an ihre Grenzen. Dort können akustische Daten unschätzbare Informationen geben über Fortpflanzungsgewohnheiten, Migrationsmuster und den negativen Einfluss durch vom Menschen verursachten Lärm auf die Meeresumwelt. Die Untersuchung der Geräuschkulisse der Meere verrät also viel über den Zustand der Ozeane.

„Wir haben uns gefragt, was wir mit diesen Daten tun können, außer sie wissenschaftlich auszuwerten. Wie können wir diese weltfremden Klänge mit dem Rest der Welt teilen? Diese Fragen gaben uns den Anstoß zum Polar Sounds Projekt“, so Dr. Geraint Rhys Whittaker, künstlerischer Forscher am HIFMB und Projektkoordinator für Polar Sounds. Fast 300 Künstler und Künstlerinnen aus 45 Ländern bewarben sich, um die Möglichkeit zu erhalten, diese Klänge neu zu interpretieren. Diese riesige Zahl an Teilnehmenden bewog das Polar Sounds Team, mit 105 Kunstschaffenden sogar noch mehr Menschen auszuwählen als ursprünglich geplant. Wichtig war dem Team ein ausgewogenes Verhältnis im Hinblick unter anderem auf Herkunft, Hintergrund und Geschlecht. Die Teilnehmenden durften aus verschiedenen Soundclips etwas komponieren, diese Clips setzen sich zusammen aus biologischen (Laute mariner Säuger und anderer Meerestiere), geologischen (das Schmelzen und die Bewegung von Gletschern) und anthropogenen Geräuschen (menschliche Einflüsse auf die Polarmeere).

„Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2021 bis 2030 zur Dekade der Ozeane erklärt und es ist unerlässlich, dass wir wichtige Forschung über unsere Meere einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, erklärt Geraint Rhys Whittaker. „Was mir bei der Arbeit an diesem Projekt besonders gut gefallen hat, ist die Einzigartigkeit dieser Klänge und wie sie eine intuitive Verbindung zwischen uns als Menschen und dem Meer herstellen können. Der nächste Schritt des Projekts wird sein, diese Klänge in einer Wanderausstellung vorzustellen.“ Eine Auswahl der Stücke wird während des HIFMB-Symposiums im Sommer 2023 in Oldenburg präsentiert, weitere Orte werden auf der HIFMB-Webseite bekannt gegeben, sobald sie feststehen.

Auch aus wissenschaftlicher Sicht war es ein spannendes Projekt. Dr. Ilse van Opzeeland ist eine der führenden Wissenschaftlerinnen der Ocean Acoustics Group am AWI, die zusammen mit ihrer Arbeitsgruppe die Aufnahmen zusammengetragen hat. Sie erklärt: „Die Klanglandschaften, die wir in den Polarmeeren aufzeichnen, sind atemberaubend in Bezug auf die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sie liefern, seit wir unser passives akustisches Monitoring begonnen haben. Eine ‚Übersetzung‘ durch die Kunst haucht unseren wissenschaftlichen Daten neues Leben ein, das über eine traditionelle Publikation oder ein Strategiepapier hinausgeht, indem es sie für Nichtwissenschaftler zugänglich macht. Wir müssen die größten Anstrengungen unternehmen, um die gefährdeten Lebensräume unseres Planeten zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen. Das Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft kann dabei helfen, indem es dafür ein Bewusstsein und Aufmerksamkeit schafft.“

Doch kann eine künstlerische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen und Objekten noch mehr? Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Geraint Rhys Whittaker, Prof. Kimberley Peters und Dr. Ilse van Opzeeland, führen qualitative Interviews mit teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern. So möchten sie ergründen, inwiefern die Kunst innovative und marginalisierte Perspektiven offenlegt, die sonst unerforscht bleiben würden, und wie Künstlerinnen und Künstler an die kreative Interpretation wissenschaftlicher Daten herangehen – um so neue Wege des Dialogs zwischen Kunst und Wissenschaft zu eröffnen.

Beispiele von Ozeangeräuschen finden Sie in unserer öffentlichen Mediathek  (unter Themenwelten / Polarklänge).

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Die einzigartigen Klänge der Meerestiere sind nicht mehr die einzigen Geräusche Unterwasser. Der Lärm, der durch die Schifffahrt,  Konstruktionen, seismische und militärische Aktivitäten entsteht, wird zunehmend zum Problem für die Meeresbewohner. Pinguine, Wale aber auch die Tiere am Meeresboden werden durch diese Lärmverschmutzung immer stärker in ihrem Verhalten beeinträchtigt.

CO2-Entnahme aus At­mo­sphä­re für Kli­ma­schutz un­ver­zicht­bar

Ein Kraftwerk bläst viel dunklen Rauch und CO2 in die Luft

© Michal Pech / Unsplash

Pressemitteilung, 31.01.2023, MARUM

CDRma­re-Jah­res­ta­gung legt Fo­kus auf mee­res­ba­sier­te Me­tho­den

Die Zeit drängt: Welt­weit mahnt die For­schung, dass es bald kaum noch mög­lich sein wird, den men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del so­weit auf­zu­hal­ten, dass die in­ter­na­tio­nal ver­ein­bar­ten Kli­ma­zie­le ein­ge­hal­ten wer­den. Selbst eine um­ge­hend rea­li­sier­te dras­ti­sche Re­duk­ti­on der Koh­len­di­oxid (CO2)-Emis­sio­nen reicht nach ak­tu­el­lem Stand da­für nicht mehr aus, son­dern wird durch zu­sätz­li­che CO2-Entnahme aus der At­mo­sphä­re er­gänzt wer­den müs­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund star­tet heu­te in Stral­sund die 2. Jah­res­ta­gung der For­schungs­mis­si­on CDRma­re der Deut­schen Al­li­anz Mee­res­for­schung, auf der sich rund 200 Ex­pert:in­nen drei Tage lang zu mee­res­ba­sier­ten Me­tho­den der CO2-Entnahme aus der At­mo­sphä­re aus­tau­schen.

Die For­schungs­mis­si­on CDRma­re – kurz für „Ma­ri­ne Koh­len­stoffspei­cher als Weg zur Dekar­bo­ni­sie­rung“ (CDR = Car­bon Di­oxi­de Re­mo­val = Koh­len­di­oxi­d­ent­nah­me) – wird vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) für ak­tu­ell drei Jah­re mit rund 26 Mil­lio­nen Euro ge­för­dert und bün­delt die Ex­per­ti­se von ins­ge­samt 22 For­schungs­ein­rich­tun­gen, Be­hör­den und Un­ter­neh­men. Ko­or­di­niert am GEO­MAR Helm­holtz-Zen­trum für Oze­an­for­schung Kiel und dem Leib­niz-In­sti­tut für Ost­see­for­schung War­ne­mün­de (IOW), be­fas­sen sich seit Au­gust 2021 Wis­sen­schaft­ler:in­nen in sechs For­schungs­ver­bün­den mit ver­schie­de­nen Me­tho­den, die dar­auf zie­len, das Po­ten­zi­al des Oze­ans aus­zu­bau­en, CO2 aus der At­mo­sphä­re auf­zu­neh­men und zu spei­chern. Da­bei wer­den auch Ri­si­ken und mög­li­che Aus­wir­kun­gen sol­cher Me­tho­den auf die Mee­res­um­welt und das Erd­sys­tem, so­wie die ge­sell­schaft­li­chen, ethi­schen und recht­li­chen As­pek­te sol­cher Maß­nah­men er­forscht.

Wäh­rend der zwei­ten CDRma­re-Jah­res­ta­gung im Stral­sun­der Ozea­ne­um wer­den jetzt die seit Mis­si­ons­be­ginn er­ziel­ten Ar­beits­er­geb­nis­se dis­ku­tiert. Kon­kret geht es da­bei um die fol­gen­den An­sät­ze der mee­res­ba­sier­ten CO2-Entnahme aus At­mo­sphä­re: 1. Die Er­hö­hung des Säu­re­bin­dungs­ver­mö­gens von Meer­was­ser – z.B. durch Ein­brin­gen von Ge­steins­mehl – soll die CO2-Auf­nah­me des Oze­ans aus der At­mo­sphä­re ver­stär­ken. 2. Künst­lich er­zeug­ter Auf­trieb von nähr­stoff­rei­chem Tie­fen­was­ser in be­stimm­ten Mee­res­ge­bie­ten soll die Bin­dung von at­mo­sphä­ri­schem CO2 in Al­gen­bio­mas­se stei­gern. 3. In ve­ge­ta­ti­ons­rei­chen Küs­te­nöko­sys­te­men, ins­be­son­de­re See­gras­wie­sen, Salz­mar­schen und Man­gro­ven, soll das Koh­len­stoffspei­cher­po­ten­zi­al ge­zielt ge­stärkt wer­den. 4. Für be­stimm­te, bis­her noch nicht ent­spre­chend ge­nutz­te Ge­bie­te sol­len Mach­bar­keit und Rah­men­be­din­gun­gen der CO2-Spei­che­rung un­ter dem Mee­res­bo­den er­forscht wer­den. Das Spek­trum der For­schungs­an­sät­ze von CDRma­re reicht von La­bor­un­ter­su­chun­gen über Me­so­kos­men­stu­di­en in na­tür­li­chen Öko­sys­te­men und Stu­di­en in tro­pi­schen Man­gro­ven­wäl­dern bis hin zu re­gio­na­ler und glo­ba­ler Mo­del­lie­rung.

Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger er­klärt an­läss­lich des CDRma­re-Jah­res­tref­fens: „Um den Kli­ma­wan­del ent­schie­den zu be­kämp­fen, müs­sen wir auch auf Tech­no­lo­gi­en zur Ent­nah­me von CO2 aus der At­mo­sphä­re und zur Spei­che­rung set­zen. Das be­tont auch der Welt­kli­ma­rat IPCC in sei­nen letz­ten Be­rich­ten. Wir müs­sen die Spei­che­rung von CO2 im in­dus­tri­el­len Maß­stab kurz­fris­tig zu­las­sen, um schnell in die Um­set­zung zu kom­men. Die da­für not­wen­di­ge Ge­set­zes­än­de­rung muss in je­dem Fall die wei­te­re For­schung er­mög­li­chen, ohne die der Wis­sen­schafts­stand­ort Deutsch­land sei­nen An­schluss in die­sem Be­reich ver­lie­ren wür­de. Das Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­ri­um hat die For­schung an die­sem Zu­kunfts­the­ma be­reits früh­zei­tig ge­för­dert. Mit ins­ge­samt rund 50 Mil­lio­nen Euro un­ter­stüt­zen wir schon jetzt die Er­for­schung land­ba­sier­ter und ma­ri­ner CO2-Entnahme-­me­tho­den, wie bei CDRma­re, da­mit Deutsch­land künf­tig eine Vor­rei­ter­rol­le ein­neh­men kann. Jetzt kommt es dar­auf an, die tech­no­lo­gi­schen und re­gu­la­to­ri­schen Grund­la­gen zeit­nah zu le­gen.“

„Der Oze­an ist be­reits jetzt Haupt­ak­teur für den Kli­ma­schutz und nimmt je­des Jahr etwa ein Vier­tel der vom Men­schen ver­ur­sach­ten CO2-Emis­sio­nen auf und bremst so­mit die Erd­er­wär­mung. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass die Mensch­heit Mit­te des Jahr­hun­derts selbst bei mas­si­ver Emis­si­ons­re­duk­ti­on wohl im­mer noch 5 bis 15 % der heu­ti­gen CO2-Emis­sio­nen aus­sto­ßen wird, ist es im­mens wich­tig, alle Op­tio­nen zu er­for­schen, mit de­nen die­se Res­te­mis­sio­nen durch Ent­nah­me von CO2 aus der At­mo­sphä­re kom­pen­siert und eine net­to Emis­si­ons­null er­reicht wer­den kann. Der Oze­an kann hier eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Wir er­for­schen, wie die­se Rol­le im Ein­klang von Mee­res­schutz und Kli­ma­schutz aus­se­hen könn­te“, kom­men­tiert CDRma­re-Co-Spre­cher An­dre­as Oschlies, Ozea­no­graph und Kli­ma­mo­del­lie­rer am GEO­MAR, den Ta­gungs­auf­takt. „Wich­tig ist uns da­bei, dass die Er­geb­nis­se von CDRma­re kon­kret um­setz­ba­re Hand­lungs­op­tio­nen be­reit­stel­len, auf de­ren Ba­sis die nö­ti­gen Ent­schei­dun­gen in Po­li­tik, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft ge­trof­fen wer­den kön­nen. Da­bei gilt es auch, mög­li­che Um­welt­ri­si­ken, Nut­zungs­kon­flik­te und Ver­tei­lungs­un­ge­rech­tig­kei­ten zu un­ter­su­chen. Des­we­gen füh­ren wir un­se­re For­schung im en­gen Dia­log mit den je­wei­li­gen ge­sell­schaft­li­chen In­ter­es­sen­grup­pen durch und sind da­her froh, dass ei­ni­ge der ent­spre­chen­den Ak­teu­re hier auf der Ta­gung an­we­send sind“, er­gänzt Gre­gor Reh­der, IOW-Mee­resche­mi­ker und eben­falls Co-Spre­cher von CDRma­re.

Bei­de CDRma­re-Spre­cher sind sich ei­nig, dass die For­schungs­mis­si­on eine po­si­ti­ve Halb­zeit-Bi­lanz für die ers­te För­der­pha­se ver­zeich­nen kann: Alle For­schungs­ver­bün­de sei­en er­folg­reich und in­ten­siv in die prak­ti­schen Ar­bei­ten ein­ge­stie­gen – etwa mit ver­schie­dens­ten La­bor­un­ter­su­chun­gen, Me­so­kos­men-Ex­pe­ri­men­ten, so­wie See­rei­sen und küs­ten­na­hen Pro­ben­nah­me-Kam­pa­gnen im In- und Aus­land, aber auch mit Tech­no­lo­gie-ent­wick­lung für ein even­tu­el­les Mo­ni­to­ring und mit ers­ten Mo­del­lie­rungs­stu­di­en zur Ex­tra­po­la­ti­on der Er­geb­nis­se auf grö­ße­re Mee­res­ge­bie­te. „Auch die über­grei­fen­de Ver­net­zung der CDRma­re-For­schen­den und das in­sti­tu­tio­nen­über­grei­fen­de Da­ten­ma­nage­ment, bei­des im­mens wich­tig bei ei­ner so groß an­ge­leg­ten For­schungs­mis­si­on mit vie­len in­sti­tu­tio­nel­len Part­nern, sind gut eta­bliert. Dar­über hin­aus hat der Wis­sens-trans­fer mit Po­li­tik und Ge­sell­schaft be­reits be­gon­nen, bei­spiels­wei­se mit der Er­stel­lung von Fak­ten­blät­tern zu den ver­schie­de­nen mee­res­ba­sier­ten CDR-An­sät­zen und Dia­log­ver­an­stal­tun­gen spe­zi­ell für po­li­ti­sche Ent-schei­dungs­tra­gen­de und die in­ter­es­sier­te Öffent­lich­keit“, so das po­si­ti­ve Re­sü­mee von Oschlies und Reh­der.

Ne­ben der in­ten­si­ven Aus­ein­an­der­set­zung mit dem bis­her Er­reich­ten dient die Ta­gung au­ßer­dem dazu, die wei­te­re For­schungs­pla­nung im Rah­men von CDRma­re vor­an­zu­trei­ben, ins­be­son­de­re auch per­spek­ti­visch für die an­ge­streb­te zwei­te För­der­pe­ri­ode ab Som­mer 2024.

– Gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel –

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Mehr über Methoden zur CO2-Entnahme erfahrt ihr bei dem Projekt OceanNETS, dass in einem norwegischen Fjord Experimente mit Gesteinsmehl durchgeführt hat.

Wie man einen Wal rettet

Ein Wal taucht im Vordergrund auf, während im Hintergrund ein großes Frachtschiff fährt

© Bob Adams / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

So endlos unsere Meere auch zu sein scheinen, auf ihnen wird es zunehmend enger. Der nationale und internationale Schiffsverkehr, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und noch weiter ansteigen wird, nimmt einen Großteil der Meeresoberfläche in Anspruch. Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgen auf dem Seeweg. Allerdings überqueren natürlich nicht nur Frachtschiffe sondern auch Wale die Meere. Wenn die Tiere zum Atmen oder Fressen an die Oberfläche kommen, geschieht es immer häufiger, dass sie mit einem Schiff zusammenstoßen, was für den Wal in fast allen Fällen tödlich endet.

Besonders gefährlich wird es in den Häfen von Los Angeles und Long Beach, die zu den verkehrsreichsten Frachthäfen der Welt zählen, denn genau dort befinden sich wichtige Migrationsrouten von Blau- Grau-, Finn-, und Buckelwalen. Es wird angenommen, dass an der US-Westküste dadurch etwa 80-90 Wale jedes Jahr sterben. Die genaue Anzahl der getöteten Wale ist schwer zu bestimmen, da der Schiffskapitän den Zusammenstoß oft gar nicht mitbekommt und tödlich verletzte Wale schnell auf den Grund sinken.

Um dieses Risiko für Wale zu reduzieren, haben zwei Forscherinnen aus Kalifornien das Projekt Whale Safe ins Leben gerufen. Whale Safe wertet mit Echtzeitdaten aus, wie und wo sich Wale und Schiffe aufhalten und wann sie aufeinandertreffen könnten. Eine Boje mit einem akustischen Sensor analysiert, ob sich gerade ein Wal in der Region befindet, und ein Algorithmus bestimmt seine Art. Zusätzlich kann jeder, der einen Wal sichtet, in der App einen „Whale Alert“ oder „Wal-Alarm“ eintragen. Schifffahrtsunternehmen und Kapitäne können die Daten live einsehen und direkt reagieren, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Auch eine bisher freiwillige Regel, dass Schiffe ab einer bestimmten Größe in der Schutzzone auf zehn Knoten abbremsen, reduziert das Risiko einer tödlichen Wal-Schiff-Begegnung deutlich. Etwa 60 Prozent aller Schiffe halten sich bis jetzt an diese Geschwindigkeitsbegrenzung.

Neben den Zusammenstößen mit Schiffen sind Wale, wie alle marinen Lebewesen, zusätzlich von der (Plastik)Verschmutzung und den sich veränderten Umweltbedingungen durch die Klimakrise zunehmend bedroht. Wale spielen eine wichtige Rolle für den globalen Kohlenstoffkreislauf und fördern durch ihre Ausscheidungen die lokale Primärproduktion von Phytoplankton und damit auch die Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. Deshalb ist ihr Schutz nicht nur für das einzelne Individuum, sondern auch für den Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung.

Den zugehörigen Artikel “Wie man einen Wal rettet” von Maria Mast vom 01.01.2023 findet ihr bei ZEIT ONLINE.

Mit dem steigenden Schiffsverkehr erhöht sich auch der Unterwasserlärm, der die Kommunikation der Wale und ihr Verhalten zunehmend beeinträchtigt.

In der Antarktis, die durch ihre Lage bisher noch vergleichsweiße vom Schiffsverkehr verschont geblieben ist, wurde ein neuer Hotspot für Finnwale entdeckt.

Kli­maar­chi­ve un­ter dem Ver­grö­ße­rungs­glas

Ein La­ser, ge­kop­pelt an ein Mas­sen­spek­tro­me­ter, hilft Dr. Lars Wör­mer (rechts) und Prof. Kai-Uwe Hin­richs da­bei, die Li­pid-Bio­mar­ker in je­der Mil­li­me­ter brei­ten Schicht zu ent­schlüs­seln.

© MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, Uni­ver­si­tät Bre­men; V. Die­kamp

Pressemitteilung, 30.11.2022, MARUM

MARUM-Stu­die in Na­tu­re: Neue Ana­ly­se­me­tho­de zeigt ab­rup­te Zu­nah­me der Sai­so­na­li­tät wäh­rend des letz­ten glo­ba­len Kli­ma­wan­dels

Wie ver­än­dert sich das Wet­ter als Fol­ge der glo­ba­len Er­wär­mung? Kli­maar­chi­ve lie­fern wert­vol­le Ein­bli­cke in ver­gan­ge­ne Kli­ma­ver­än­de­run­gen, also in die Pro­zes­se, die un­se­ren Pla­ne­ten von ei­nem Kli­ma­zu­stand in den nächs­ten be­för­der­ten. Für Men­schen und Öko­sys­te­me ist die Va­ria­bi­li­tät in Zeit­räu­men von Wo­chen bis Jah­ren – das Wet­ter – aber oft­mals ent­schei­dend. Mit­tels ei­ner am MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men neu ent­wi­ckel­ten und er­prob­ten Ana­ly­se­me­tho­de wur­den nun die­se bei­den As­pek­te zu­sam­men­ge­führt und die Aus­wir­kun­gen der letz­ten glo­ba­len Er­wär­mung auf sai­so­na­le Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen be­schrie­ben. Das Fach­jour­nal Nature hat die Er­geb­nis­se jetzt ver­öf­fent­licht.

In ma­ri­nen Se­di­men­ten sam­meln sich fos­si­le Über­res­te von Al­gen an, mit­tels de­rer ver­gan­ge­ne Zu­stän­de des Oze­ans re­kon­stru­iert wer­den kön­nen. Von gro­ßer Be­deu­tung sind da­bei mo­le­ku­la­re Fos­si­li­en, so ge­nann­te Li­pid-Bio­mar­ker: Zell­bau­stei­ne von Al­gen, die einst den Oze­an be­völ­ker­ten. Ster­ben die­se Al­gen, sin­ken sie zum Oze­an­bo­den und be­wah­ren in ih­ren Li­pi­den In­for­ma­tio­nen über die durch­leb­ten Be­din­gun­gen. Die Ana­ly­se sol­cher Kli­maar­chi­ve hat seit Jahr­zehn­ten fun­da­men­ta­le In­for­ma­tio­nen zum Ver­ständ­nis ver­gan­ge­ner Kli­ma­ver­än­de­run­gen ge­lie­fert.

 

Werkzeug für verborgene Details

In aus­ge­wähl­ten Lo­ka­tio­nen, zum Bei­spiel dem Ca­ri­a­co­be­cken vor der Küs­te Ve­ne­zue­las, ent­ste­hen ganz be­son­de­re, la­mi­nier­te Ar­chi­ve. „Das Be­son­de­re am Ca­ri­a­co­be­cken ist, dass die Ab­la­ge­run­gen seit tau­sen­den Jah­ren schön or­dent­lich nach Jah­res­zei­ten sor­tiert sind, je­weils eine dün­ne Lage für den Som­mer und eine für den Win­ter. Es liegt dort also ein Ar­chiv vor, mit ganz grund­le­gen­den In­for­ma­tio­nen über ver­gan­ge­ne, kurz­fris­ti­ge Kli­ma­schwan­kun­gen in den Tro­pen, das aber bis­her nicht ge­le­sen wer­den konn­te“, sagt Er­st­au­tor Dr. Lars Wör­mer vom MARUM. Er und sei­ne Kol­leg:in­nen ver­glei­chen das mit dem Klein­ge­druck­ten, für des­sen Lek­tü­re spe­zi­el­le Le­se­hil­fen not­wen­dig sind. Sol­che eine Le­se­hil­fe ist ein La­ser, der ge­kop­pelt mit ei­nem Mas­sen­spek­tro­me­ter die Ver­tei­lung von Li­pid-Bio­mar­kern in je­der die­ser Mil­li­me­ter brei­ten La­gen er­mög­licht.

Prof. Kai-Uwe Hin­richs, in des­sen Ar­beits­grup­pe die Me­tho­de ent­wi­ckelt wur­de, be­zeich­net sie als „Werk­zeug, um bis­her ver­bor­ge­ne De­tails in Kli­maar­chi­ven zu ent­schlüs­seln“. In ei­nem vom Eu­ro­päi­schen For­schungs­rat ERC ge­för­der­ten Pro­jekt ha­ben Hin­richs und sei­ne Kol­leg:in­nen ein mo­le­ku­la­res, bild­ge­ben­des Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, um Kli­ma- und Um­welt­pro­zes­se der jün­ge­ren Erd­ge­schich­te zeit­lich hoch auf­ge­löst – das heißt na­he­zu in Mo­nats­schrit­ten – ab­zu­bil­den. Mit an­de­ren Ana­ly­se­me­tho­den wer­den ver­läss­lich In­ter­val­le von hun­der­ten oder tau­sen­den Jah­ren ab­ge­bil­det – bei ei­ner Erd­ge­schich­te von über vier Mil­li­ar­den Jah­ren gilt das be­reits als sehr de­tail­reich.

 

Globale Veränderungen wirken sich auf lokale Temperaturen aus

Im nun un­ter­such­ten Zeit­in­ter­vall liegt die letz­te erd­ge­schicht­li­che Pe­ri­ode mit dras­ti­scher – und nicht men­schen­ge­mach­ter – Er­wär­mung. „Das ist die Par­al­le­le zu heu­te“, be­tont Lars Wör­mer. „Die Er­wär­mung vor 11.700 Jah­ren hat die Mensch­heit ins Ho­lo­zän ge­bracht, un­se­rem ak­tu­el­len Zeit­al­ter. Jede wei­te­re Er­wär­mung bringt uns vom Ho­lo­zän ins so ge­nann­te An­thro­po­zän, das von ei­ner durch den Men­schen ver­ur­sach­ten Kli­ma­er­wär­mung und Um­welt­ver­än­de­rung ge­prägt ist.“ Das Team um Kai-Uwe Hin­richs und Lars Wör­mer konn­te nun zei­gen, dass sich wäh­rend die­ses In­ter­valls der Un­ter­schied zwi­schen Som­mer- und Win­ter­tem­pe­ra­tu­ren im tro­pi­schen Oze­an ver­dop­pelt hat. So­mit ist be­legt, wie sich glo­ba­le Kli­ma­ver­än­de­run­gen auf lo­ka­le, sai­so­na­le Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen aus­wir­ken.

Be­reits im Sep­tem­ber ist eine MARUM-Stu­die in Nature Geosciences er­schie­nen, die eben­falls auf der neu eta­blier­ten Me­tho­de ba­siert. Hier wur­den Da­ten er­stellt, die die Mee­res­ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur mit ei­ner Auf­lö­sung von ei­nem bis vier Jah­ren zei­gen. Da­für hat Er­st­au­tor Dr. Igor Ob­reht mit sei­nen Kol­leg:in­nen ei­nen Se­di­ment­kern aus dem öst­li­chen Mit­tel­meer un­ter­sucht, in dem die Tem­pe­ra­tur aus dem letz­ten In­ter­gla­zi­al (vor etwa 129.000 bis 116.000 Jah­ren) auf­ge­zeich­net ist. Die Stu­die von Ob­reht und sei­nen Kol­leg:in­nen nimmt also eine Zeit in den Fo­kus, die als letz­te wär­mer war als die heu­ti­ge war.

Sze­na­ri­en für eine solch wär­me­re Welt wer­den am MARUM in­ner­halb des hier an­ge­sie­del­ten Ex­zel­lenz­clus­ters „Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“ ent­wi­ckelt. Das im Rah­men des oben ge­nann­ten ERC-Pro­jekts eta­blier­te GeoBiomolecular Imaging Lab ge­hört in­zwi­schen zur In­fra­struk­tur für die Er­for­schung der Kern­the­men im Ex­zel­lenz­clus­ter.

 

 

Das MARUM ge­winnt grund­le­gen­de wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se über die Rol­le des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens im ge­sam­ten Erd­sys­tem. Die Dy­na­mik des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens prä­gen durch Wech­sel­wir­kun­gen von geo­lo­gi­schen, phy­si­ka­li­schen, bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Pro­zes­sen maß­geb­lich das ge­sam­te Erd­sys­tem. Da­durch wer­den das Kli­ma so­wie der glo­ba­le Koh­len­stoff­kreis­lauf be­ein­flusst und es ent­ste­hen ein­zig­ar­ti­ge bio­lo­gi­sche Sys­te­me. Das MARUM steht für grund­la­gen­ori­en­tier­te und er­geb­nis­of­fe­ne For­schung in Ver­ant­wor­tung vor der Ge­sell­schaft, zum Wohl der Mee­res­um­welt und im Sin­ne der Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Na­tio­nen. Es ver­öf­fent­licht sei­ne qua­li­täts­ge­prüf­ten, wis­sen­schaft­li­chen Da­ten und macht die­se frei zu­gäng­lich. Das MARUM in­for­miert die Öffent­lich­keit über neue Er­kennt­nis­se der Mee­res­um­welt, und stellt im Dia­log mit der Ge­sell­schaft Hand­lungs­wis­sen be­reit. Ko­ope­ra­tio­nen des MARUM mit Un­ter­neh­men und In­dus­trie­part­nern er­fol­gen un­ter Wah­rung sei­nes Ziels zum Schutz der Mee­res­um­welt.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Kaltwasserkorallenriffe bilden ebenfalls ein aussagekräftiges Abbild über die Auswirkung des Klimawandels. Weitere Erkenntnisse und Neuigkeiten findet ihr in unserem Klima-Blog.

Auf die Kleinen achten: Auswirkung der Eisbedeckung auf winzige Meerestiere

Gebrochenes Packeis schwimmt auf dem Wasser. Teile der Eisbedeckung sind durch Algen grünlich und leicht rot gefärbt.

© GeSHaFish / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Gemeinsame Pressemitteilung, 17.11.22, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Universität Rostock

Erstmals vergleichende Studie zu kleinsten und mittleren Bodentieren in der Antarktis veröffentlicht

Wissenschaftlerinnen von der Universität Rostock und Senckenberg am Meer haben erstmals untersucht, wie sich Gemeinschaften von Meiofauna und Makrofauna unter verschiedenen Umweltbedingungen im Südpolarmeer zusammensetzen. Sie zeigen in ihrer im Fachjournal „Marine Ecology Progress Series“ veröffentlichten Studie, dass sich eine unterschiedliche Meereisbedeckung zwar auf alle Organismengruppen am Meeresboden auswirkt – die kleineren Tiere der Meiofauna aber deutlich stärker beeinflusst sind. Für zukünftige Bewertungen des Einflusses von Umwelt- und Klimaveränderungen auf die Ökosysteme des Antarktischen Ozeans sollten diese Organismen daher stärker berücksichtigt werden, so das Forscherinnen-Team.

Die kollabierten und schrumpfenden riesigen Larsen-Eisschelfe und ein antarktisches Meereis, das die geringste Ausdehnung seit Beginn der Messungen im Jahr 1979 hat – die Folgen des Klimawandels sind am Südpol bereits deutlich sichtbar. „Uns hat interessiert, wie sich eine unterschiedliche Meereisbedeckung in der Antarktis auf die Lebewesen am Meeresboden auswirkt – auch vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung und als Beitrag zur Planung von zukünftigen Schutzgebieten. Hierfür haben wir erstmalig die Gemeinschaften von Organismen der Meiofauna und der Makrofauna in verschiedenen Regionen des Südozeans miteinander verglichen“, erklärt Friederike Säring, Erstautorin der Studie und Doktorandin an der Universität Rostock.

In ihrer großangelegten Studie werteten die Wissenschaftlerinnen 585.825 Individuen aus der Meiofauna – zwischen 32 und 500 Mikrometer große Tiere, wie Fadenwürmer, Ruderfußkrebse oder Bärtierchen – sowie 3.974 Tiere aus der Gruppe der Makrofauna – über 500 Mikrometer große Meeresbewohner, wie Ringelwürmer, Muscheln oder Asseln, aus. „Die Einflüsse der Umwelt auf verschiedene Gruppen von Bodentieren zu untersuchen war nur möglich, weil wir die Expertisen von Universität Rostock und Senckenberg am Meer bündeln konnten“, so Dr. Heike Link, die Initiatorin der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG im Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung“ geförderten Studie. Die Sediment- und Wasserproben stammen von fünf geographisch und ökologisch unterschiedlichen Regionen, die im Rahmen zweier Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern in Tiefen von 222 bis 757 Metern gesammelt wurden.

„Die ausgewählten Beprobungsareale unterscheiden sich in der Bedeckung des Meereises: in der Drake-Passage gibt es beispielsweise kein Meereis, im nordwestlichen Weddellmeer ist die Bedeckung saisonal und im nördlichen Teil des Filchnergrabens ganzjährig und konstant“, erläutert Dr. Gritta Veit-Köhler von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven und fährt fort: „In Gebieten mit einer konstanten Eisbedeckung und wenig Schmelze gelangen die im Eis lebenden Mikroalgen nicht zum Meeresboden und es bildet sich keine Algenblüte im Wasser – dadurch fehlt es an Nahrung für die Organismen am Boden. Wenn es dagegen kein oder nur sehr wenig Meereis gibt, kann sich zwar im freien Wasser ein ‚Phytoplanktonbloom‘ ausbilden, aber das ‚Zusatzangebot‘ der Eisalgen fehlt. Auch hier müssen die Tiere mit weniger Nahrung auskommen.“

Die meisten Tiere beider Größenklassen fand das Forscherinnen-Team in Regionen, in denen sich die Eisdecke regelmäßig öffnet und schließt: Dort fallen Eisalgen zum Meeresboden und Süßwasser, das aus dem schmelzenden Meereis frei wird, führt zu einer stabilen Schichtung der Wassersäule und einer Begünstigung von Algenblüten im freien Wasser. „In solchen Gebieten finden wir aufgrund des guten Nahrungsangebots insgesamt die meisten Tiere – es gibt jedoch deutliche Unterschiede bei der Meio- und Makrofauna. Die kleineren Organismen der Meiofauna sind abhängig von der Meereisbedeckung im Vorjahressommer, aber auch von der Anwesenheit des Eises gemittelt über die letzten neun Jahre vor unserer Probennahme. Die Makrofauna ist dagegen – so die Ergebnisse unserer Analyse – nur signifikant abhängig vom Meereis des Vorjahressommers“, so Säring.

Die Forscherinnen empfehlen daher, die Meiofauna in zukünftige Bewertungen des Einflusses von Umweltveränderungen auf die Ökosysteme des Südlichen Ozeans stärker einzubeziehen. „Um den Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf die antarktischen Lebensgemeinschaften verlässlich vorhersagen zu können, müssen wir auch auf die Kleinsten achten“, resümiert Veit-Köhler.

Publikation: Säring F, Veit-Köhler G, Seifert D, Liskow I, Link H (2022) Sea-ice–related environmental drivers affect meiofauna and macrofauna communities differently at large scales (Southern Ocean, Antarctic). Mar Ecol Prog Ser 700:13-37.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Was es mit dem antarktischen Meereis-Paradoxon auf sich hat, und wie sich die Eisbedeckung in der Arktis aufgrund der Klimakrise verändert, erfahrt ihr in unserem Klima– und Forschungsblog.

Umweltauswirkungen von Ressourcenabbau in der Tiefsee erforschen

Mehrere Schlangensterne und Manganknollen liegen auf dem Meeresboden

© ROV-Team Kiel 6000/GEOMAR

Pressemitteilung, 11.11.22, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Das Projekt MiningImpact untersucht auf der Expedition SO295 die Umweltschäden durch Manganknollenabbau am Meeresgrund

Wie stark zerstört der Manganknollenabbau den Lebensraum in der Tiefsee? Das untersucht in den nächsten zwei Monaten die MiningImpact-Expedition SO295 mit dem Forschungsschiff SONNE in den Explorationslizenzgebieten der Clarion-Clipperton Zone im Nordpazifik. Beim Einsammeln von Manganknollen wird die belebte Zone des Meeresbodens abgetragen; zusätzlich bedecken die beim Abbau aufgewirbelten Sedimente große Flächen in der Umgebung. Ziel der Fahrt ist es, das komplette Ausmaß der Umweltauswirkungen anderthalb Jahre nach einem industriellen Gerätetest zu erfassen.

– Gemeinsame Pressemitteilung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie –

Der Meeresboden unseres Planeten beherbergt große Vorkommen an Erzen. Diese enthalten gleich mehrere begehrte Metalle, wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän, Seltene Erden, die unsere Gesellschaft für High-Tech Produkte und Technologien im Rahmen der Energiewende zur Verringerung unserer CO2-Emissionen benötigen. Wirtschaftsanalysen prognostizieren daher bis 2050 einen stark steigenden Bedarf an diesen Metallen, der durch herkömmlichen Bergbau an Land oder aufgrund geopolitischer Krisen unter Umständen nicht ausreichend gedeckt werden kann.

Weltweit wurden bisher 31 Lizenzgebiete zur Erkundung dieser Art mineralischer Ressourcen – Manganknollen, Massivsulfide und kobaltreiche Krusten – am Meeresboden vergeben. Mit dieser Aufgabe ist die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) betraut, die die Ressourcen am Meeresboden im „Gebiet“ verwaltet. So wird der Ozeanboden außerhalb der 200-Seemeilenzone von Staaten bezeichnet. Gleichzeitig soll die ISA auch die Meeresumwelt vor schwerwiegenden Schäden durch die Nutzung der Ressourcen bewahren. Hierfür entwickelt sie seit einigen Jahren die internationale Gesetzgebung, den Mining Code. Dieses Regelwerk will die ISA bis Juli 2023 erstellt haben.

Die Expedition SO295 des Projekts MiningImpact mit dem Forschungsschiff SONNE geht aktuell im Manganknollengebiet der Clarion-Clipperton Zone zwischen Mexiko und Hawaii der Frage auf den Grund, wie stark und dauerhaft das Ökosystem des Ozeanbodens durch den Manganknollenabbau geschädigt wird. Die Wissenschaftler:innen aus insgesamt zwölf verschiedenen Instituten erfassen dabei die Auswirkungen eines industriellen Abbautests im Frühjahr 2021, bei dem mit dem Prototypen eines Manganknollen-Kollektors in den Explorationslizenzgebieten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und des belgischen Unternehmens Global Sea Mineral Resources NV auf mehreren Zehntausend Quadratmetern die obere Schicht des Meeresbodens mit den Manganknollen abgetragen wurde. Dabei kommen die GEOMAR Tauchroboter ROV Kiel 6000 für gezielte in-situ-Untersuchungen und AUV Abyss zur hochauflösenden Photo-Kartierung des Meeresbodens zum Einsatz.

„Unsere wissenschaftlich unabhängigen Untersuchungen während dieses Kollektortests haben gezeigt, dass hierbei mit den Knollen die belebte Zone des Meeresbodens, die oberen vier bis acht Zentimeter, komplett entfernt wurden“, erläutert Dr. Matthias Haeckel, mariner Biogeochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinator des Projektes MiningImpact. In der Wassertiefe, in der Manganknollen vorkommen, baut sich diese Schicht durch das Absinken von abgestorbenem Plankton über 10.000 bis 20.000 Jahre wieder auf. Zudem wird der beim Abbau abgetragene Meeresboden in Form einer Sedimentwolke in das bodennahe Wasser eingeleitet, die sich auf dem Meeresboden auch außerhalb der Abbauflächen ablagert. „Dadurch wird eine deutlich größere Fläche als das Abbau-Areal geschädigt werden. Die Auswirkungen sind zudem langfristig – es wird Jahrhunderte dauern, bis sich die Ökosystemfunktionen in diesen Gebieten wieder erholt haben. Das spezielle Manganknollenhabitat ist jedoch dauerhaft zerstört“, ergänzt Dr. Felix Janßen, Co-Fahrtleiter der Expedition und Tiefseeforscher in der HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und ‑Technologie, ein Zusammenschluss der Gruppe Mikrobieller Lebensraum des Max-Planck-Instituts und der Tiefsee-Forschungsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Damit die Nutzung dieser marinen Ressource ökonomisch wird, müsste eine einzelne industrielle Operation 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche pro Jahr abbauen.

Manganknollen kommen auf dem Meeresboden in 4.000 bis 6.000 Meter Wassertiefe in allen Ozeanen vor und bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre. Die etwa kartoffelgroßen Knollen aus Mangan- und Eisenoxiden sind von spezifischen Arten von Tiefseeorganismen besiedelt, wie z.B. gestielten Schwämmen, Weichkorallen, Seeanemonen und Seepocken, die auf dem weichen Tiefseeboden nicht vorkommen. „Aber auch im weichen Tiefseesediment leben Hunderte von Arten, wie Ruderfußkrebse, Schlangensterne, Würmer und Muscheln, die durch den Manganknollenabbau beinträchtigt werden. Die Artenvielfalt im Manganknollengebiet ist enorm. Die meisten Arten sind noch nicht beschrieben und über ihre Lebensweise ist noch gar nichts bekannt.“, betont Professor Dr. Pedro Martínez Arbizu, Fahrtleiter der Expedition und Leiter des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung bei Senckenberg.

Die Forschenden aus acht Europäischen Staaten arbeiten seit dem Jahr 2015 erfolgreich zu einem umfassenden Verständnis des Tiefseeökosystems in Manganknollengebieten sowie der Bewertung der Umweltrisiken durch Tiefseebergbau. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen entwickeln die MiningImpact Wissenschaftler:innen konkrete Handlungsvorschläge für den Mining Code der Internationalen Meeresbodenbehörde und tauschen sich mit verschiedensten Entscheidungsträgern zu Umweltstandards und den Möglichkeiten zur Minimierung von weitreichenden Umweltschäden aus. MiningImpact leistet damit seinen Beitrag zu der von der Bundesregierung diese Woche geforderten Umweltfolgenforschung von Tiefseebergbau.

Die jetzt stattfindende Expedition SO295 ist die fünfte Forschungsfahrt im Rahmen des MiningImpact-Projektes. Auf den vorangegangenen Expeditionen SO239 und SO242 wurden jahrzehntealte Störungsspuren in Manganknollengebieten untersucht, während die Expedition SO268 und die von der BGR geleitete Fahrt MANGAN 2021 der Erfassung des Ist-Zustands der Tiefsee-Ökosysteme und dem wissenschaftlich unabhängigen Monitoring des ersten industriellen Kollektortests dienten. SO295 wird den wichtigen ersten Datensatz zu den mittelfristigen Folgen auf die Tiefsee-Umwelt anderthalb Jahre nach dem Test erheben.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Die Bundesregierung hat eine „precautionary pause“ bei den Verhandlungen im Rahmen des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA gefordert. Deutschland unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau. Weitere gute Neuigkeiten findet ihr auf unserem Good News Blog.

Das verräterische Abtauchen illegaler Fischfangboote

Über einem Fischereiboot kreisen viele Möwen

© Knut Troim / Unsplash

Illegale Fischerei trägt nicht nur zur Überfischung bei, sondern verursacht jedes Jahr einen weltweiten wirtschaftlichen Schaden von bis zu 25 Milliarden Dollar. Deshalb haben Forscher:innen der University of Calfornia in ihrer Studie die Hintergründe der illegalen Fischerei untersucht. Das automatische Identifikationssystem (AIS) kann von Schiffsführer:innen abgeschaltet werden, um sich vor Piraterie zu schützen. Allerdings wird es auch häufig deaktiviert, um illegale Aktivitäten – wie die Fischerei an nicht autorisierten Orten oder nicht autorisierte Umladungen – zu verschleiern. In den AIS-Daten von 2017 bis 2019 wurden 50.000 Fälle entdeckt, in denen die Schiffe ihr AIS ausgeschaltet hatten. Diese Schiffe fuhren mehrheitlich unter den Flaggen von China, Taiwan, Spanien und den USA. Mit Computermodellen haben die Forschenden spezifische Muster für verschiedene Fischereimethoden wie Langleinen, Ringwaden oder Schleppnetze erkannt. Der Datensatz mit Echtzeitdaten soll künftig zu der Kontrolle und Verbesserung des Fischereimanagements beitragen.

Den zugehörigen Artikel „Das verräterische Abtauchen illegaler Fischfangboote“ vom 02.11.2022 findet ihr beim Spiegel.

Wie Albatrosse dabei helfen können, illegale Fischerei aufzudecken, könnt ihr in unserem Beitrag „Albatrosse – Spione illegaler Fischerei“ nachlesen.

Die Zu­kunft der Artenvielfalt im Meer un­ter glo­ba­ler Er­wär­mung

Ganz viele verschiedenfarbige Foraminiferen liegen übereinander

© Holger Krisp / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 11.10.2022, MARUM

Neue Stu­die zeigt, wie Plank­ton­ge­mein­schaf­ten ge­wan­dert sind und sich seit der letz­ten Eis­zeit ge­wandelt ha­ben

Der vom Men­schen ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del hat die Artenvielfalt der Erde be­reits stark be­ein­flusst. Der Le­bens­raum vie­ler Ar­ten – auch in den Ozea­nen – ver­schwin­det, in­va­si­ve Ar­ten er­obern neue Re­gio­nen. In ei­ner um­fas­sen­den Da­ten­aus­wer­tung hat ein Team von For­schen­den aus Bre­men und Ol­den­burg un­ter­sucht, wie sich die Ar­ten­ge­mein­schaf­ten im Nord­at­lan­tik über ei­nen Zeit­raum von 24.000 Jah­ren – seit der letz­ten Eis­zeit – ver­än­dert ha­ben. Er­war­tungs­ge­mäß sind Ar­ten nach Nor­den mi­griert, aber es ha­ben sich auch neue Ge­mein­schaf­ten ge­bil­det – und zwar auch, nach­dem sich die Tem­pe­ra­tu­ren sta­bi­li­siert ha­ben. Die Er­geb­nis­se sind jetzt in der Fach­zeit­schrift Nature Ecology & Evolution er­schie­nen.

Ko­ral­len­rif­fe lei­den un­ter ozea­ni­schen Hit­ze­wel­len, at­lan­ti­sche Ar­ten tre­ten ver­mehrt in der Ark­tis auf. Wie wird sich die Artenvielfalt bei an­hal­ten­der Er­wär­mung der Ozea­ne wei­ter­ent­wi­ckeln? Die­se Fra­ge ist schwer zu be­ant­wor­ten, denn das Le­ben hat eine Ge­heim­waf­fe im Schrank: die Evo­lu­ti­on. Mit ih­rer Hil­fe kön­nen sich Ar­ten auf neue Be­din­gun­gen an­pas­sen. Evo­lu­ti­on wirkt über Jahr­hun­der­te und Jahr­tau­sen­de und lässt sich da­her in La­bor­ex­pe­ri­men­ten schwer er­fas­sen. Mit­hil­fe von Fos­si­li­en kön­nen For­schen­de ei­nen Blick in die Ver­gan­gen­heit wer­fen und so her­aus­fin­den, wie sich die Artenvielfalt wäh­rend ver­gleich­ba­rer Kli­ma­ver­än­de­rung in der Ver­gan­gen­heit ver­än­dert hat. For­schen­de des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie des In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg (ICBM) ha­ben da­für das Vor­kom­men von fos­si­len Plank­ton­ar­ten im At­lan­ti­schen Oze­an nach der letz­ten Eis­zeit un­ter­sucht. Sie fan­den her­aus, dass mit an­hal­ten­der Er­wär­mung der Ozea­ne vie­le Ar­ten zu­erst wie er­war­tet ver­mehrt in hö­he­re Brei­ten ge­wan­dert sind. Über­ra­schen­der­wei­se stell­ten sie aber fest, dass sich da­bei auch neue Ar­ten­ge­mein­schaf­ten ge­bil­det ha­ben, und dass die Ver­än­de­rung der Ge­mein­schaf­ten nicht voll­stän­dig mit der Er­wär­mung der Ozea­ne ein­her­ging.

Für ihre Stu­die ha­ben Anne Strack, Dr. Lu­kas Jon­kers und Prof. Mi­chal Ku­ce­ra vom MARUM an der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie Dr. Ma­ri­na C. Ril­lo und Prof. Hel­mut Hil­le­brand vom ICBM der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg ei­nen gro­ßen Da­ten­satz über die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung von fos­si­len plank­to­ni­schen Fo­ra­mi­ni­fe­ren in 25 Se­di­ment­ker­nen des Nord­at­lan­tiks von der letz­ten Eis­zeit vor 24.000 Jah­ren bis in die heu­ti­ge Warm­zeit un­ter­sucht. So konn­ten die For­schen­den ge­nau nach­ver­fol­gen, wie sich die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung mit Be­ginn der letz­ten star­ken Erd­er­wär­mung in der Erd­ge­schich­te, nach der letz­ten Eis­zeit, im ge­sam­ten Nord­at­lan­tik ver­än­dert hat. Da­bei ent­deck­te das Team un­er­war­te­te Mus­ter. „Wir wa­ren ver­blüfft, als wir merk­ten, dass sich die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung des Plank­tons noch lan­ge wei­ter än­der­te, nach­dem sich die Tem­pe­ra­tur in der heu­ti­gen Warm­zeit wie­der sta­bi­li­siert hat­te“, er­klärt Er­st­au­tor:in Anne Strack.

„Es ist schon lan­ge be­kannt, dass sich Ar­ten­ge­mein­schaf­ten än­dern, wenn sich de­ren Um­ge­bung än­dert. Steigt etwa die Mee­res­tem­pe­ra­tur im Oze­an, wan­dern Ar­ten in hö­he­re Brei­ten ab. Die­ses Ab­wan­dern kön­nen wir auch in un­se­ren Da­ten des Nord­at­lan­tiks be­ob­ach­ten. Das Er­staun­li­che ist aber, dass die „ein­hei­mi­schen“ Ar­ten nicht gleich schnell ab­ge­wan­dert sind“, er­klärt Anne Strack. Die­se Asym­me­trie zwi­schen Ein- und Aus­wan­de­rung führ­te vor al­lem in den mitt­le­ren Brei­ten zur Bil­dung neu­ar­ti­ger Ar­ten­ge­mein­schaf­ten, die es so in der Eis­zeit nir­gends auf der Erde gab. „Noch er­staun­li­cher: Die­se neu zu­sam­men­ge­wür­fel­ten Ge­mein­schaf­ten wa­ren kein flüch­ti­ges Phä­no­men, son­dern sie blei­ben über meh­re­re tau­send Jah­re be­ste­hen“, er­gänzt Prof. Mi­chal Ku­ce­ra.

So­mit lie­fern die Er­geb­nis­se der Stu­die wich­ti­ge Hin­wei­se für das Schick­sal ma­ri­ner Öko­sys­te­me un­ter an­dau­ern­der Er­wär­mung der Ozea­ne. Sie un­ter­stüt­zen Com­pu­ter-Si­mu­la­tio­nen, die dar­auf hin­deu­ten, dass auch die pro­gnos­ti­zier­te künf­ti­ge Er­wär­mung zur Bil­dung neu­er Ar­ten­ge­mein­schaf­ten füh­ren wird. Eta­bliert sich eine neu­ar­ti­ge Plank­ton­ge­mein­schaft, wirkt sich das auf wich­ti­ge Öko­sys­tem­funk­tio­nen durch neue di­rek­te oder in­di­rek­te öko­lo­gi­sche In­ter­ak­tio­nen aus. „Die­se Stu­die trägt auch dazu bei, wie wir den heu­ti­gen ra­pi­den Bio­di­ver­si­täts­wan­del ver­ste­hen, denn sie zeigt uns, dass wir erst weit in der Zu­kunft die Re­ak­ti­on des Le­bens im Meer auf heu­ti­ge Um­welt­ver­än­de­run­gen se­hen wer­den“, sagt Prof. Hel­mut Hil­le­brand.

Die Stu­die ist das Er­geb­nis ei­ner Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Mee­res­geo­log:in­nen und Pa­lä­on­to­log:in­nen aus der Uni­ver­si­tät Bre­men und Öko­log:in­nen aus der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg im Rah­men des Ex­zel­lenz­clus­ters „Der Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“.

Das MARUM ge­winnt grund­le­gen­de wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se über die Rol­le des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens im ge­sam­ten Erd­sys­tem. Die Dy­na­mik des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens prä­gen durch Wech­sel­wir­kun­gen von geo­lo­gi­schen, phy­si­ka­li­schen, bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Pro­zes­sen maß­geb­lich das ge­sam­te Erd­sys­tem. Da­durch wer­den das Kli­ma so­wie der glo­ba­le Koh­len­stoff­kreis­lauf be­ein­flusst und es ent­ste­hen ein­zig­ar­ti­ge bio­lo­gi­sche Sys­te­me. Das MARUM steht für grund­la­gen­ori­en­tier­te und er­geb­nis­of­fe­ne For­schung in Ver­ant­wor­tung vor der Ge­sell­schaft, zum Wohl der Mee­res­um­welt und im Sin­ne der Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Na­tio­nen. Es ver­öf­fent­licht sei­ne qua­li­täts­ge­prüf­ten, wis­sen­schaft­li­chen Da­ten und macht die­se frei zu­gäng­lich. Das MARUM in­for­miert die Öffent­lich­keit über neue Er­kennt­nis­se der Mee­res­um­welt, und stellt im Dia­log mit der Ge­sell­schaft Hand­lungs­wis­sen be­reit. Ko­ope­ra­tio­nen des MARUM mit Un­ter­neh­men und In­dus­trie­part­nern er­fol­gen un­ter Wah­rung sei­nes Ziels zum Schutz der Mee­res­um­welt.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Klimaschutz ist, genauso wie der Erhalt der Artenvielfalt, von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Planeten. Mehr darüber könnt ihr auf unserem Klimablog nachlesen.

Auf dem Bild seht ihr kleine, planktonische Foraminiferen, die Onno Groß, der Gründer von DEEPWAVE, jahrelang intensiv erforscht hat.

Arktischer Ozean künftig auch im Sommer versauert

Sommer im Norden - Ein großer Eisberg erstreckt sich vor Grönland und spiegelt sich im Wasser

© Annie Spratt / Unsplash

Pressemitteilung, 05.10.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Eine neue Studie geht davon aus, dass der Klimawandel die saisonale Versauerung des Arktischen Ozeans verschieben und intensivieren könnte, mit Folgen für das Ökosystem

Die Meere unseres Planeten haben über die vergangenen 200 Jahre mehr als ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre aufgenommen. Das hat dazu geführt, dass sie seit Beginn der industriellen Revolution um fast 30 Prozent saurer geworden sind. Der pH-Wert des Wassers ist dabei nicht immer gleich, er schwankt je nach Jahreszeit und Region. Die niedrigsten Werte treten natürlicherweise im Winter auf. Das könnte sich aber ändern, denn mit dem Klimawandel kann sich dieser Wert in den Sommer verlagern, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts nun zeigen konnte. Mit weitreichenden Folgen für das Leben im Ozean, wie sie in der Fachzeitschrift Nature beschreiben.

Im Sommer ist die biologische Aktivität von Meereslebewesen am größten, denn in der Regel herrschen hier optimale Bedingungen für Leben, Nahrung und Fortpflanzung. Der Klimawandel bedroht jedoch diese Ausgangslage, denn er verschiebt den Zeitpunkt des niedrigsten pH vom Winter in den Sommer, wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie des französischen Labors für Klima- und Umweltwissenschaften (CEA), LOCEAN – Laboratorium für Ozeanographie und Klimaforschung und des Instituts Pierre-Simon Laplace (IPSL) nun herausfanden. In einer aktuellen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Versauerung im Sommer noch in diesem Jahrhundert um etwa ein Viertel verstärken könnte. Einige Organismen des Arktischen Ozeans würden diese Veränderung deutlich spüren und wären weniger tolerant gegenüber einer verstärkten Erwärmung im Sommer.

Verursacht wird diese saisonale Verschiebung durch den verstärkten Anstieg des CO2 im erwärmten Wasser. Im Sommer steigen die Lufttemperaturen in der Arktis, mehr Meereis schmilzt und die arktischen Oberflächengewässer erwärmen sich. Diese Erwärmung wird im Sommer so stark, dass die Versauerung des Meerwassers viel stärker zunimmt und nicht mehr durch die Photosynthese von Algen im Ozean ausgeglichen wird. „Diese Ergebnisse verschlechtern die Aussichten für einige arktische Fische wie den Polardorsch, die bereits durch den Klimawandel bedroht sind“, sagt Mitautor Hans-Otto Pörtner, Biologe und Klimaforscher am AWI. „Die erwarteten Höchsttemperaturen bringen arktische Lebewesen an ihre thermischen Grenzen und überschreiten diese sogar, dies gilt besonders für ihre empfindlichen Lebensstadien.“ Hauptautor James Orr vom LSCE und IPSL ergänzt: „Wer hätte gedacht, dass der Klimawandel die maximale Versauerung um sechs Monate verschieben könnte, während Studien über saisonale biologische Rhythmen Verschiebungen von nur etwa einem Monat ergeben haben.“ „Das Faszinierende an dieser Studie ist, dass die chemischen Winter tatsächlich zu chemischen Sommern werden“, sagt Lester Kwiatkowski, Mitautor vom LOCEAN und IPSL.

In ihrer Studie haben die Forschenden Simulationen von 27 Erdsystemmodellen analysiert und zukünftige Klimaszenarien erarbeitet. Dabei haben sie zum ersten Mal das Potenzial für saisonale Verschiebungen der Versauerung bewertet, mit allen Variablen, die damit zusammenhängen. Denn die Versauerung wird nicht nur durch einen einzelnen Faktor bestimmt, sondern durch ein empfindliches Zusammenspiel von physikalischen und biologischen Prozessen, beeinflusst von der stärkeren Erwärmung der Oberflächengewässer im Sommer. Diese Veränderungen waren größer in den Szenarien mit mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen und deutlich geringer bei niedrigen Emissionen. Für die Forschenden ein Hoffnungsschimmer, dass Schlüsselelemente des Ökosystems des Arktischen Ozeans erhalten werden können, wenn die durchschnittliche globale Erwärmung unter 2 °C gehalten werden kann.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Die Ozeanversauerung betrifft nicht nur die Polarmeere, sondern auch Organismen wie Kalkalgen oder Seeigel. Mehr zu der Lage der Eismeere findet ihr in unserem Forschungs- oder Klimablog.

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