Forschung
Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .
E-Mobilität benötigt keine Metalle aus der Tiefsee
Pressemitteilung, 20.02.2023, Greenpeace
Neue Greenpeace Studie zum Beginn der UN-Konferenz zum Hochseeschutz
Hamburg, 20. 02. 2023 – Metalle aus der Tiefsee werden nicht für einen Wandel hin zu E-Mobilität und grünen Technologien benötigt. Das zeigt eine neue Studie, die Greenpeace heute zum Beginn der UN-Konferenz in New York zum internationalen Meeresschutzabkommen (BBNJ) veröffentlicht. Damit entkräftet die Studie das Hauptargument der Tiefseebergbau-Industrie, die auf eine Lizenz für den Beginn des Tiefseebergbaus noch in diesem Jahr drängt. Die Studie zeigt: Zentrale Batterie-Rohstoffe wie Lithium und Graphit können aus den Manganknollen in der Tiefsee nicht gewonnen werden. Relevante Mengen wären nur für Mangan, Kobalt und Nickel möglich – aber erst nach 2030. Der Trend für Batterien entwickelt sich jedoch weg von Kobalt und Nickel. Für die Batterieherstellung ist im Bezug auf Mangan keine Knappheit zu erwarten.
„Die Tiefseebergbau-Lobby missbraucht die Energiewende, um ihre klima- und umweltschädlichen Pläne zu rechtfertigen. Das ist eine Täuschung, der Bedarf für Elektroautos und eine grüne Verkehrs- und Energiewende lässt sich auch ohne Ausbeutung der Tiefsee decken.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte
Warum Ökonomen Walen ein Preisschild verpassen wollen
Ein Podcast zum immer mehr beachteten Aspekt, wie Wale zum Klimaschutz beitragen können.
Mit unserem langjährigen Kollegen Fabian Ritter von WDC und M.E.E.R. e.V., einem der fachkundigsten Experten auf diesem Gebiet.
Den Podcast findet ihr beim Spiegel.
Wenn ihr mehr von Fabian Ritter hören beziehungsweise lesen wollt, können wir euch sein Buch „Die Insel der Delfine“ sehr empfehlen. Mit Fotografien aus 25 Jahren Feldforschung auf dem Meer beschreibt er darin die am häufigsten gesichteten Wal- und Delfinarten vor La Gomera – jeweils ergänzt durch einen „Magischen Moment“ während der Beobachtung – sowie Seevögel und Schildkröten.
Der weltweit steigende Schiffsverkehr wird zunehmend zur Bedrohung von Walen, da diese immer häufiger mit Schiffen zusammenstoßen. Was man dagegen tun kann, könnt ihr in unserem Beitrag „Wie man einen Wal rettet“ nachlesen. Neben der Gefahr einer Kollision verursacht jedes Schiff zusätzlich Lärm, der für Wale lebensbedrohlich werden kann, indem er ihre Kommunikation und ihre natürlichen Verhaltensweisen beeinträchtigt.
Küstenschütz mit Salzwiesen: Gegen die Flut wächst ein Kraut
Salzwiesen können dabei helfen, die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.
Das schmelzende Landeis in Grönland und der Antarktis, sowie die Ausdehnung von wärmerem Wasser sind hauptsächlich für den steigenden Meeresspiegel verantwortlich. Dieser ist auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog im letzten Jahrhundert um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Bis zum Jahr 2150 ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Zentimetern zu rechnen – auch wenn wir unsere Treibhausgasemissionen ab jetzt deutlich reduzieren würden. Auch werden Sturmfluten stärker und häufiger, weshalb immer mehr Geld in den Küstenschutz in Form von Deichen und Mauern gesteckt werden muss. Ob diese auch in Zukunft ausreichend Schutz bieten, ist allerdings fraglich. Hier kommen die Seegraswiesen ins Spiel. Die über 45 Pflanzenarten, die auf den Salzwiesen wachsen, stabilisieren den Boden mit ihren Wurzeln und ihre Halme bremsen die Wassermassen ab. Durch diese Pufferzone verlieren die Wellen an Energie und werden kleiner – Deiche müssten dadurch weniger hoch gebaut werden. Dies hat sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.
Salzwiesen schützen nicht nur uns Menschen, sie bieten außerdem Brut-, Rast-, und Futterplätze für ungefähr 50 Vogelarten sowie Lebensraum für über 1500 Arten an wirbellosen Tieren. Zusätzlich sind Salzwiesen natürliche Kohlenstoffdioxidsenken und können große Mengen an CO2 speichern, weshalb sie von großer Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise sind.
Den zugehörigen Artikel „Gegen die Flut wächst ein Kraut“ von Thea Marie Klinger vom 04.02.2023 findet ihr bei der taz.
Warum Klimaschutz nicht ohne Meeresschutz möglich ist, könnt ihr in der Pressemitteilung vom NABU „Meeresschutz ist Klimaschutz“ nachlesen.
Die Klänge der arktischen und antarktischen Meere neu erleben
Pressemitteilung, 03.02.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
105 internationale Klangkunstschaffende beteiligen sich an Kunst-Wissenschafts-Kooperation „Polar Sounds“
[03. Februar 2023] 50 Soundclips aus den arktischen und antarktischen Meeren standen Klangkunstschaffenden sowie Musikerinnen und Musikern aus aller Welt seit letztem Spätsommer für Kompositionen zur Verfügung. Am Montag werden die daraus entstandenen, kreativ interpretierten Stücke unter citiesandmemory.com/polar-sounds/ veröffentlicht. Im Rahmen des Projekts Polar Sounds kooperieren das Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) und das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit einem der weltweit größten Klangprojekte, Cities and Memory.
Von allen Sinneseindrücken ist der Schall derjenige, der sich in den Ozeanen am weitesten ausbreitet. Aus diesem Grund sind akustische Methoden ein wichtiges Instrument, das Forschende einsetzen, um die Polarmeere und die darin existierende Artenvielfalt besser zu verstehen. Denn allein durch die Tiefe der Ozeane oder durch Eisbedeckung kommen optische Beobachtungen an ihre Grenzen. Dort können akustische Daten unschätzbare Informationen geben über Fortpflanzungsgewohnheiten, Migrationsmuster und den negativen Einfluss durch vom Menschen verursachten Lärm auf die Meeresumwelt. Die Untersuchung der Geräuschkulisse der Meere verrät also viel über den Zustand der Ozeane.
„Wir haben uns gefragt, was wir mit diesen Daten tun können, außer sie wissenschaftlich auszuwerten. Wie können wir diese weltfremden Klänge mit dem Rest der Welt teilen? Diese Fragen gaben uns den Anstoß zum Polar Sounds Projekt“, so Dr. Geraint Rhys Whittaker, künstlerischer Forscher am HIFMB und Projektkoordinator für Polar Sounds. Fast 300 Künstler und Künstlerinnen aus 45 Ländern bewarben sich, um die Möglichkeit zu erhalten, diese Klänge neu zu interpretieren. Diese riesige Zahl an Teilnehmenden bewog das Polar Sounds Team, mit 105 Kunstschaffenden sogar noch mehr Menschen auszuwählen als ursprünglich geplant. Wichtig war dem Team ein ausgewogenes Verhältnis im Hinblick unter anderem auf Herkunft, Hintergrund und Geschlecht. Die Teilnehmenden durften aus verschiedenen Soundclips etwas komponieren, diese Clips setzen sich zusammen aus biologischen (Laute mariner Säuger und anderer Meerestiere), geologischen (das Schmelzen und die Bewegung von Gletschern) und anthropogenen Geräuschen (menschliche Einflüsse auf die Polarmeere).
„Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2021 bis 2030 zur Dekade der Ozeane erklärt und es ist unerlässlich, dass wir wichtige Forschung über unsere Meere einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, erklärt Geraint Rhys Whittaker. „Was mir bei der Arbeit an diesem Projekt besonders gut gefallen hat, ist die Einzigartigkeit dieser Klänge und wie sie eine intuitive Verbindung zwischen uns als Menschen und dem Meer herstellen können. Der nächste Schritt des Projekts wird sein, diese Klänge in einer Wanderausstellung vorzustellen.“ Eine Auswahl der Stücke wird während des HIFMB-Symposiums im Sommer 2023 in Oldenburg präsentiert, weitere Orte werden auf der HIFMB-Webseite bekannt gegeben, sobald sie feststehen.
Auch aus wissenschaftlicher Sicht war es ein spannendes Projekt. Dr. Ilse van Opzeeland ist eine der führenden Wissenschaftlerinnen der Ocean Acoustics Group am AWI, die zusammen mit ihrer Arbeitsgruppe die Aufnahmen zusammengetragen hat. Sie erklärt: „Die Klanglandschaften, die wir in den Polarmeeren aufzeichnen, sind atemberaubend in Bezug auf die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sie liefern, seit wir unser passives akustisches Monitoring begonnen haben. Eine ‚Übersetzung‘ durch die Kunst haucht unseren wissenschaftlichen Daten neues Leben ein, das über eine traditionelle Publikation oder ein Strategiepapier hinausgeht, indem es sie für Nichtwissenschaftler zugänglich macht. Wir müssen die größten Anstrengungen unternehmen, um die gefährdeten Lebensräume unseres Planeten zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen. Das Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft kann dabei helfen, indem es dafür ein Bewusstsein und Aufmerksamkeit schafft.“
Doch kann eine künstlerische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen und Objekten noch mehr? Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Geraint Rhys Whittaker, Prof. Kimberley Peters und Dr. Ilse van Opzeeland, führen qualitative Interviews mit teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern. So möchten sie ergründen, inwiefern die Kunst innovative und marginalisierte Perspektiven offenlegt, die sonst unerforscht bleiben würden, und wie Künstlerinnen und Künstler an die kreative Interpretation wissenschaftlicher Daten herangehen – um so neue Wege des Dialogs zwischen Kunst und Wissenschaft zu eröffnen.
Beispiele von Ozeangeräuschen finden Sie in unserer öffentlichen Mediathek (unter Themenwelten / Polarklänge).
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Die einzigartigen Klänge der Meerestiere sind nicht mehr die einzigen Geräusche Unterwasser. Der Lärm, der durch die Schifffahrt, Konstruktionen, seismische und militärische Aktivitäten entsteht, wird zunehmend zum Problem für die Meeresbewohner. Pinguine, Wale aber auch die Tiere am Meeresboden werden durch diese Lärmverschmutzung immer stärker in ihrem Verhalten beeinträchtigt.
CO2-Entnahme aus Atmosphäre für Klimaschutz unverzichtbar
Pressemitteilung, 31.01.2023, MARUM
CDRmare-Jahrestagung legt Fokus auf meeresbasierte Methoden
Die Zeit drängt: Weltweit mahnt die Forschung, dass es bald kaum noch möglich sein wird, den menschengemachten Klimawandel soweit aufzuhalten, dass die international vereinbarten Klimaziele eingehalten werden. Selbst eine umgehend realisierte drastische Reduktion der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen reicht nach aktuellem Stand dafür nicht mehr aus, sondern wird durch zusätzliche CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ergänzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund startet heute in Stralsund die 2. Jahrestagung der Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung, auf der sich rund 200 Expert:innen drei Tage lang zu meeresbasierten Methoden der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre austauschen.
Die Forschungsmission CDRmare – kurz für „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDR = Carbon Dioxide Removal = Kohlendioxidentnahme) – wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für aktuell drei Jahre mit rund 26 Millionen Euro gefördert und bündelt die Expertise von insgesamt 22 Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen. Koordiniert am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), befassen sich seit August 2021 Wissenschaftler:innen in sechs Forschungsverbünden mit verschiedenen Methoden, die darauf zielen, das Potenzial des Ozeans auszubauen, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern. Dabei werden auch Risiken und mögliche Auswirkungen solcher Methoden auf die Meeresumwelt und das Erdsystem, sowie die gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Aspekte solcher Maßnahmen erforscht.
Während der zweiten CDRmare-Jahrestagung im Stralsunder Ozeaneum werden jetzt die seit Missionsbeginn erzielten Arbeitsergebnisse diskutiert. Konkret geht es dabei um die folgenden Ansätze der meeresbasierten CO2-Entnahme aus Atmosphäre: 1. Die Erhöhung des Säurebindungsvermögens von Meerwasser – z.B. durch Einbringen von Gesteinsmehl – soll die CO2-Aufnahme des Ozeans aus der Atmosphäre verstärken. 2. Künstlich erzeugter Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser in bestimmten Meeresgebieten soll die Bindung von atmosphärischem CO2 in Algenbiomasse steigern. 3. In vegetationsreichen Küstenökosystemen, insbesondere Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangroven, soll das Kohlenstoffspeicherpotenzial gezielt gestärkt werden. 4. Für bestimmte, bisher noch nicht entsprechend genutzte Gebiete sollen Machbarkeit und Rahmenbedingungen der CO2-Speicherung unter dem Meeresboden erforscht werden. Das Spektrum der Forschungsansätze von CDRmare reicht von Laboruntersuchungen über Mesokosmenstudien in natürlichen Ökosystemen und Studien in tropischen Mangrovenwäldern bis hin zu regionaler und globaler Modellierung.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärt anlässlich des CDRmare-Jahrestreffens: „Um den Klimawandel entschieden zu bekämpfen, müssen wir auch auf Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und zur Speicherung setzen. Das betont auch der Weltklimarat IPCC in seinen letzten Berichten. Wir müssen die Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab kurzfristig zulassen, um schnell in die Umsetzung zu kommen. Die dafür notwendige Gesetzesänderung muss in jedem Fall die weitere Forschung ermöglichen, ohne die der Wissenschaftsstandort Deutschland seinen Anschluss in diesem Bereich verlieren würde. Das Bundesforschungsministerium hat die Forschung an diesem Zukunftsthema bereits frühzeitig gefördert. Mit insgesamt rund 50 Millionen Euro unterstützen wir schon jetzt die Erforschung landbasierter und mariner CO2-Entnahme-methoden, wie bei CDRmare, damit Deutschland künftig eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Jetzt kommt es darauf an, die technologischen und regulatorischen Grundlagen zeitnah zu legen.“
„Der Ozean ist bereits jetzt Hauptakteur für den Klimaschutz und nimmt jedes Jahr etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf und bremst somit die Erderwärmung. Angesichts der Tatsache, dass die Menschheit Mitte des Jahrhunderts selbst bei massiver Emissionsreduktion wohl immer noch 5 bis 15 % der heutigen CO2-Emissionen ausstoßen wird, ist es immens wichtig, alle Optionen zu erforschen, mit denen diese Restemissionen durch Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kompensiert und eine netto Emissionsnull erreicht werden kann. Der Ozean kann hier eine wichtige Rolle spielen. Wir erforschen, wie diese Rolle im Einklang von Meeresschutz und Klimaschutz aussehen könnte“, kommentiert CDRmare-Co-Sprecher Andreas Oschlies, Ozeanograph und Klimamodellierer am GEOMAR, den Tagungsauftakt. „Wichtig ist uns dabei, dass die Ergebnisse von CDRmare konkret umsetzbare Handlungsoptionen bereitstellen, auf deren Basis die nötigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft getroffen werden können. Dabei gilt es auch, mögliche Umweltrisiken, Nutzungskonflikte und Verteilungsungerechtigkeiten zu untersuchen. Deswegen führen wir unsere Forschung im engen Dialog mit den jeweiligen gesellschaftlichen Interessengruppen durch und sind daher froh, dass einige der entsprechenden Akteure hier auf der Tagung anwesend sind“, ergänzt Gregor Rehder, IOW-Meereschemiker und ebenfalls Co-Sprecher von CDRmare.
Beide CDRmare-Sprecher sind sich einig, dass die Forschungsmission eine positive Halbzeit-Bilanz für die erste Förderphase verzeichnen kann: Alle Forschungsverbünde seien erfolgreich und intensiv in die praktischen Arbeiten eingestiegen – etwa mit verschiedensten Laboruntersuchungen, Mesokosmen-Experimenten, sowie Seereisen und küstennahen Probennahme-Kampagnen im In- und Ausland, aber auch mit Technologie-entwicklung für ein eventuelles Monitoring und mit ersten Modellierungsstudien zur Extrapolation der Ergebnisse auf größere Meeresgebiete. „Auch die übergreifende Vernetzung der CDRmare-Forschenden und das institutionenübergreifende Datenmanagement, beides immens wichtig bei einer so groß angelegten Forschungsmission mit vielen institutionellen Partnern, sind gut etabliert. Darüber hinaus hat der Wissens-transfer mit Politik und Gesellschaft bereits begonnen, beispielsweise mit der Erstellung von Faktenblättern zu den verschiedenen meeresbasierten CDR-Ansätzen und Dialogveranstaltungen speziell für politische Ent-scheidungstragende und die interessierte Öffentlichkeit“, so das positive Resümee von Oschlies und Rehder.
Neben der intensiven Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten dient die Tagung außerdem dazu, die weitere Forschungsplanung im Rahmen von CDRmare voranzutreiben, insbesondere auch perspektivisch für die angestrebte zweite Förderperiode ab Sommer 2024.
– Gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel –
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Mehr über Methoden zur CO2-Entnahme erfahrt ihr bei dem Projekt OceanNETS, dass in einem norwegischen Fjord Experimente mit Gesteinsmehl durchgeführt hat.
Wie man einen Wal rettet
So endlos unsere Meere auch zu sein scheinen, auf ihnen wird es zunehmend enger. Der nationale und internationale Schiffsverkehr, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und noch weiter ansteigen wird, nimmt einen Großteil der Meeresoberfläche in Anspruch. Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgen auf dem Seeweg. Allerdings überqueren natürlich nicht nur Frachtschiffe sondern auch Wale die Meere. Wenn die Tiere zum Atmen oder Fressen an die Oberfläche kommen, geschieht es immer häufiger, dass sie mit einem Schiff zusammenstoßen, was für den Wal in fast allen Fällen tödlich endet.
Besonders gefährlich wird es in den Häfen von Los Angeles und Long Beach, die zu den verkehrsreichsten Frachthäfen der Welt zählen, denn genau dort befinden sich wichtige Migrationsrouten von Blau- Grau-, Finn-, und Buckelwalen. Es wird angenommen, dass an der US-Westküste dadurch etwa 80-90 Wale jedes Jahr sterben. Die genaue Anzahl der getöteten Wale ist schwer zu bestimmen, da der Schiffskapitän den Zusammenstoß oft gar nicht mitbekommt und tödlich verletzte Wale schnell auf den Grund sinken.
Um dieses Risiko für Wale zu reduzieren, haben zwei Forscherinnen aus Kalifornien das Projekt Whale Safe ins Leben gerufen. Whale Safe wertet mit Echtzeitdaten aus, wie und wo sich Wale und Schiffe aufhalten und wann sie aufeinandertreffen könnten. Eine Boje mit einem akustischen Sensor analysiert, ob sich gerade ein Wal in der Region befindet, und ein Algorithmus bestimmt seine Art. Zusätzlich kann jeder, der einen Wal sichtet, in der App einen „Whale Alert“ oder „Wal-Alarm“ eintragen. Schifffahrtsunternehmen und Kapitäne können die Daten live einsehen und direkt reagieren, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Auch eine bisher freiwillige Regel, dass Schiffe ab einer bestimmten Größe in der Schutzzone auf zehn Knoten abbremsen, reduziert das Risiko einer tödlichen Wal-Schiff-Begegnung deutlich. Etwa 60 Prozent aller Schiffe halten sich bis jetzt an diese Geschwindigkeitsbegrenzung.
Neben den Zusammenstößen mit Schiffen sind Wale, wie alle marinen Lebewesen, zusätzlich von der (Plastik)Verschmutzung und den sich veränderten Umweltbedingungen durch die Klimakrise zunehmend bedroht. Wale spielen eine wichtige Rolle für den globalen Kohlenstoffkreislauf und fördern durch ihre Ausscheidungen die lokale Primärproduktion von Phytoplankton und damit auch die Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. Deshalb ist ihr Schutz nicht nur für das einzelne Individuum, sondern auch für den Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung.
Den zugehörigen Artikel “Wie man einen Wal rettet” von Maria Mast vom 01.01.2023 findet ihr bei ZEIT ONLINE.
Mit dem steigenden Schiffsverkehr erhöht sich auch der Unterwasserlärm, der die Kommunikation der Wale und ihr Verhalten zunehmend beeinträchtigt.
In der Antarktis, die durch ihre Lage bisher noch vergleichsweiße vom Schiffsverkehr verschont geblieben ist, wurde ein neuer Hotspot für Finnwale entdeckt.
Klimaarchive unter dem Vergrößerungsglas
Pressemitteilung, 30.11.2022, MARUM
MARUM-Studie in Nature: Neue Analysemethode zeigt abrupte Zunahme der Saisonalität während des letzten globalen Klimawandels
Wie verändert sich das Wetter als Folge der globalen Erwärmung? Klimaarchive liefern wertvolle Einblicke in vergangene Klimaveränderungen, also in die Prozesse, die unseren Planeten von einem Klimazustand in den nächsten beförderten. Für Menschen und Ökosysteme ist die Variabilität in Zeiträumen von Wochen bis Jahren – das Wetter – aber oftmals entscheidend. Mittels einer am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen neu entwickelten und erprobten Analysemethode wurden nun diese beiden Aspekte zusammengeführt und die Auswirkungen der letzten globalen Erwärmung auf saisonale Temperaturschwankungen beschrieben. Das Fachjournal Nature hat die Ergebnisse jetzt veröffentlicht.
In marinen Sedimenten sammeln sich fossile Überreste von Algen an, mittels derer vergangene Zustände des Ozeans rekonstruiert werden können. Von großer Bedeutung sind dabei molekulare Fossilien, so genannte Lipid-Biomarker: Zellbausteine von Algen, die einst den Ozean bevölkerten. Sterben diese Algen, sinken sie zum Ozeanboden und bewahren in ihren Lipiden Informationen über die durchlebten Bedingungen. Die Analyse solcher Klimaarchive hat seit Jahrzehnten fundamentale Informationen zum Verständnis vergangener Klimaveränderungen geliefert.
Werkzeug für verborgene Details
In ausgewählten Lokationen, zum Beispiel dem Cariacobecken vor der Küste Venezuelas, entstehen ganz besondere, laminierte Archive. „Das Besondere am Cariacobecken ist, dass die Ablagerungen seit tausenden Jahren schön ordentlich nach Jahreszeiten sortiert sind, jeweils eine dünne Lage für den Sommer und eine für den Winter. Es liegt dort also ein Archiv vor, mit ganz grundlegenden Informationen über vergangene, kurzfristige Klimaschwankungen in den Tropen, das aber bisher nicht gelesen werden konnte“, sagt Erstautor Dr. Lars Wörmer vom MARUM. Er und seine Kolleg:innen vergleichen das mit dem Kleingedruckten, für dessen Lektüre spezielle Lesehilfen notwendig sind. Solche eine Lesehilfe ist ein Laser, der gekoppelt mit einem Massenspektrometer die Verteilung von Lipid-Biomarkern in jeder dieser Millimeter breiten Lagen ermöglicht.
Prof. Kai-Uwe Hinrichs, in dessen Arbeitsgruppe die Methode entwickelt wurde, bezeichnet sie als „Werkzeug, um bisher verborgene Details in Klimaarchiven zu entschlüsseln“. In einem vom Europäischen Forschungsrat ERC geförderten Projekt haben Hinrichs und seine Kolleg:innen ein molekulares, bildgebendes Verfahren entwickelt, um Klima- und Umweltprozesse der jüngeren Erdgeschichte zeitlich hoch aufgelöst – das heißt nahezu in Monatsschritten – abzubilden. Mit anderen Analysemethoden werden verlässlich Intervalle von hunderten oder tausenden Jahren abgebildet – bei einer Erdgeschichte von über vier Milliarden Jahren gilt das bereits als sehr detailreich.
Globale Veränderungen wirken sich auf lokale Temperaturen aus
Im nun untersuchten Zeitintervall liegt die letzte erdgeschichtliche Periode mit drastischer – und nicht menschengemachter – Erwärmung. „Das ist die Parallele zu heute“, betont Lars Wörmer. „Die Erwärmung vor 11.700 Jahren hat die Menschheit ins Holozän gebracht, unserem aktuellen Zeitalter. Jede weitere Erwärmung bringt uns vom Holozän ins so genannte Anthropozän, das von einer durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung und Umweltveränderung geprägt ist.“ Das Team um Kai-Uwe Hinrichs und Lars Wörmer konnte nun zeigen, dass sich während dieses Intervalls der Unterschied zwischen Sommer- und Wintertemperaturen im tropischen Ozean verdoppelt hat. Somit ist belegt, wie sich globale Klimaveränderungen auf lokale, saisonale Temperaturschwankungen auswirken.
Bereits im September ist eine MARUM-Studie in Nature Geosciences erschienen, die ebenfalls auf der neu etablierten Methode basiert. Hier wurden Daten erstellt, die die Meeresoberflächentemperatur mit einer Auflösung von einem bis vier Jahren zeigen. Dafür hat Erstautor Dr. Igor Obreht mit seinen Kolleg:innen einen Sedimentkern aus dem östlichen Mittelmeer untersucht, in dem die Temperatur aus dem letzten Interglazial (vor etwa 129.000 bis 116.000 Jahren) aufgezeichnet ist. Die Studie von Obreht und seinen Kolleg:innen nimmt also eine Zeit in den Fokus, die als letzte wärmer war als die heutige war.
Szenarien für eine solch wärmere Welt werden am MARUM innerhalb des hier angesiedelten Exzellenzclusters „Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ entwickelt. Das im Rahmen des oben genannten ERC-Projekts etablierte GeoBiomolecular Imaging Lab gehört inzwischen zur Infrastruktur für die Erforschung der Kernthemen im Exzellenzcluster.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Kaltwasserkorallenriffe bilden ebenfalls ein aussagekräftiges Abbild über die Auswirkung des Klimawandels. Weitere Erkenntnisse und Neuigkeiten findet ihr in unserem Klima-Blog.
Auf die Kleinen achten: Auswirkung der Eisbedeckung auf winzige Meerestiere
Gemeinsame Pressemitteilung, 17.11.22, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Universität Rostock
Erstmals vergleichende Studie zu kleinsten und mittleren Bodentieren in der Antarktis veröffentlicht
Wissenschaftlerinnen von der Universität Rostock und Senckenberg am Meer haben erstmals untersucht, wie sich Gemeinschaften von Meiofauna und Makrofauna unter verschiedenen Umweltbedingungen im Südpolarmeer zusammensetzen. Sie zeigen in ihrer im Fachjournal „Marine Ecology Progress Series“ veröffentlichten Studie, dass sich eine unterschiedliche Meereisbedeckung zwar auf alle Organismengruppen am Meeresboden auswirkt – die kleineren Tiere der Meiofauna aber deutlich stärker beeinflusst sind. Für zukünftige Bewertungen des Einflusses von Umwelt- und Klimaveränderungen auf die Ökosysteme des Antarktischen Ozeans sollten diese Organismen daher stärker berücksichtigt werden, so das Forscherinnen-Team.
Die kollabierten und schrumpfenden riesigen Larsen-Eisschelfe und ein antarktisches Meereis, das die geringste Ausdehnung seit Beginn der Messungen im Jahr 1979 hat – die Folgen des Klimawandels sind am Südpol bereits deutlich sichtbar. „Uns hat interessiert, wie sich eine unterschiedliche Meereisbedeckung in der Antarktis auf die Lebewesen am Meeresboden auswirkt – auch vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung und als Beitrag zur Planung von zukünftigen Schutzgebieten. Hierfür haben wir erstmalig die Gemeinschaften von Organismen der Meiofauna und der Makrofauna in verschiedenen Regionen des Südozeans miteinander verglichen“, erklärt Friederike Säring, Erstautorin der Studie und Doktorandin an der Universität Rostock.
In ihrer großangelegten Studie werteten die Wissenschaftlerinnen 585.825 Individuen aus der Meiofauna – zwischen 32 und 500 Mikrometer große Tiere, wie Fadenwürmer, Ruderfußkrebse oder Bärtierchen – sowie 3.974 Tiere aus der Gruppe der Makrofauna – über 500 Mikrometer große Meeresbewohner, wie Ringelwürmer, Muscheln oder Asseln, aus. „Die Einflüsse der Umwelt auf verschiedene Gruppen von Bodentieren zu untersuchen war nur möglich, weil wir die Expertisen von Universität Rostock und Senckenberg am Meer bündeln konnten“, so Dr. Heike Link, die Initiatorin der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG im Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung“ geförderten Studie. Die Sediment- und Wasserproben stammen von fünf geographisch und ökologisch unterschiedlichen Regionen, die im Rahmen zweier Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern in Tiefen von 222 bis 757 Metern gesammelt wurden.
„Die ausgewählten Beprobungsareale unterscheiden sich in der Bedeckung des Meereises: in der Drake-Passage gibt es beispielsweise kein Meereis, im nordwestlichen Weddellmeer ist die Bedeckung saisonal und im nördlichen Teil des Filchnergrabens ganzjährig und konstant“, erläutert Dr. Gritta Veit-Köhler von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven und fährt fort: „In Gebieten mit einer konstanten Eisbedeckung und wenig Schmelze gelangen die im Eis lebenden Mikroalgen nicht zum Meeresboden und es bildet sich keine Algenblüte im Wasser – dadurch fehlt es an Nahrung für die Organismen am Boden. Wenn es dagegen kein oder nur sehr wenig Meereis gibt, kann sich zwar im freien Wasser ein ‚Phytoplanktonbloom‘ ausbilden, aber das ‚Zusatzangebot‘ der Eisalgen fehlt. Auch hier müssen die Tiere mit weniger Nahrung auskommen.“
Die meisten Tiere beider Größenklassen fand das Forscherinnen-Team in Regionen, in denen sich die Eisdecke regelmäßig öffnet und schließt: Dort fallen Eisalgen zum Meeresboden und Süßwasser, das aus dem schmelzenden Meereis frei wird, führt zu einer stabilen Schichtung der Wassersäule und einer Begünstigung von Algenblüten im freien Wasser. „In solchen Gebieten finden wir aufgrund des guten Nahrungsangebots insgesamt die meisten Tiere – es gibt jedoch deutliche Unterschiede bei der Meio- und Makrofauna. Die kleineren Organismen der Meiofauna sind abhängig von der Meereisbedeckung im Vorjahressommer, aber auch von der Anwesenheit des Eises gemittelt über die letzten neun Jahre vor unserer Probennahme. Die Makrofauna ist dagegen – so die Ergebnisse unserer Analyse – nur signifikant abhängig vom Meereis des Vorjahressommers“, so Säring.
Die Forscherinnen empfehlen daher, die Meiofauna in zukünftige Bewertungen des Einflusses von Umweltveränderungen auf die Ökosysteme des Südlichen Ozeans stärker einzubeziehen. „Um den Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf die antarktischen Lebensgemeinschaften verlässlich vorhersagen zu können, müssen wir auch auf die Kleinsten achten“, resümiert Veit-Köhler.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Was es mit dem antarktischen Meereis-Paradoxon auf sich hat, und wie sich die Eisbedeckung in der Arktis aufgrund der Klimakrise verändert, erfahrt ihr in unserem Klima– und Forschungsblog.
Umweltauswirkungen von Ressourcenabbau in der Tiefsee erforschen
Pressemitteilung, 11.11.22, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Das Projekt MiningImpact untersucht auf der Expedition SO295 die Umweltschäden durch Manganknollenabbau am Meeresgrund
Wie stark zerstört der Manganknollenabbau den Lebensraum in der Tiefsee? Das untersucht in den nächsten zwei Monaten die MiningImpact-Expedition SO295 mit dem Forschungsschiff SONNE in den Explorationslizenzgebieten der Clarion-Clipperton Zone im Nordpazifik. Beim Einsammeln von Manganknollen wird die belebte Zone des Meeresbodens abgetragen; zusätzlich bedecken die beim Abbau aufgewirbelten Sedimente große Flächen in der Umgebung. Ziel der Fahrt ist es, das komplette Ausmaß der Umweltauswirkungen anderthalb Jahre nach einem industriellen Gerätetest zu erfassen.
– Gemeinsame Pressemitteilung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie –
Der Meeresboden unseres Planeten beherbergt große Vorkommen an Erzen. Diese enthalten gleich mehrere begehrte Metalle, wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän, Seltene Erden, die unsere Gesellschaft für High-Tech Produkte und Technologien im Rahmen der Energiewende zur Verringerung unserer CO2-Emissionen benötigen. Wirtschaftsanalysen prognostizieren daher bis 2050 einen stark steigenden Bedarf an diesen Metallen, der durch herkömmlichen Bergbau an Land oder aufgrund geopolitischer Krisen unter Umständen nicht ausreichend gedeckt werden kann.
Weltweit wurden bisher 31 Lizenzgebiete zur Erkundung dieser Art mineralischer Ressourcen – Manganknollen, Massivsulfide und kobaltreiche Krusten – am Meeresboden vergeben. Mit dieser Aufgabe ist die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) betraut, die die Ressourcen am Meeresboden im „Gebiet“ verwaltet. So wird der Ozeanboden außerhalb der 200-Seemeilenzone von Staaten bezeichnet. Gleichzeitig soll die ISA auch die Meeresumwelt vor schwerwiegenden Schäden durch die Nutzung der Ressourcen bewahren. Hierfür entwickelt sie seit einigen Jahren die internationale Gesetzgebung, den Mining Code. Dieses Regelwerk will die ISA bis Juli 2023 erstellt haben.
Die Expedition SO295 des Projekts MiningImpact mit dem Forschungsschiff SONNE geht aktuell im Manganknollengebiet der Clarion-Clipperton Zone zwischen Mexiko und Hawaii der Frage auf den Grund, wie stark und dauerhaft das Ökosystem des Ozeanbodens durch den Manganknollenabbau geschädigt wird. Die Wissenschaftler:innen aus insgesamt zwölf verschiedenen Instituten erfassen dabei die Auswirkungen eines industriellen Abbautests im Frühjahr 2021, bei dem mit dem Prototypen eines Manganknollen-Kollektors in den Explorationslizenzgebieten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und des belgischen Unternehmens Global Sea Mineral Resources NV auf mehreren Zehntausend Quadratmetern die obere Schicht des Meeresbodens mit den Manganknollen abgetragen wurde. Dabei kommen die GEOMAR Tauchroboter ROV Kiel 6000 für gezielte in-situ-Untersuchungen und AUV Abyss zur hochauflösenden Photo-Kartierung des Meeresbodens zum Einsatz.
„Unsere wissenschaftlich unabhängigen Untersuchungen während dieses Kollektortests haben gezeigt, dass hierbei mit den Knollen die belebte Zone des Meeresbodens, die oberen vier bis acht Zentimeter, komplett entfernt wurden“, erläutert Dr. Matthias Haeckel, mariner Biogeochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinator des Projektes MiningImpact. In der Wassertiefe, in der Manganknollen vorkommen, baut sich diese Schicht durch das Absinken von abgestorbenem Plankton über 10.000 bis 20.000 Jahre wieder auf. Zudem wird der beim Abbau abgetragene Meeresboden in Form einer Sedimentwolke in das bodennahe Wasser eingeleitet, die sich auf dem Meeresboden auch außerhalb der Abbauflächen ablagert. „Dadurch wird eine deutlich größere Fläche als das Abbau-Areal geschädigt werden. Die Auswirkungen sind zudem langfristig – es wird Jahrhunderte dauern, bis sich die Ökosystemfunktionen in diesen Gebieten wieder erholt haben. Das spezielle Manganknollenhabitat ist jedoch dauerhaft zerstört“, ergänzt Dr. Felix Janßen, Co-Fahrtleiter der Expedition und Tiefseeforscher in der HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und ‑Technologie, ein Zusammenschluss der Gruppe Mikrobieller Lebensraum des Max-Planck-Instituts und der Tiefsee-Forschungsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Damit die Nutzung dieser marinen Ressource ökonomisch wird, müsste eine einzelne industrielle Operation 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche pro Jahr abbauen.
Manganknollen kommen auf dem Meeresboden in 4.000 bis 6.000 Meter Wassertiefe in allen Ozeanen vor und bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre. Die etwa kartoffelgroßen Knollen aus Mangan- und Eisenoxiden sind von spezifischen Arten von Tiefseeorganismen besiedelt, wie z.B. gestielten Schwämmen, Weichkorallen, Seeanemonen und Seepocken, die auf dem weichen Tiefseeboden nicht vorkommen. „Aber auch im weichen Tiefseesediment leben Hunderte von Arten, wie Ruderfußkrebse, Schlangensterne, Würmer und Muscheln, die durch den Manganknollenabbau beinträchtigt werden. Die Artenvielfalt im Manganknollengebiet ist enorm. Die meisten Arten sind noch nicht beschrieben und über ihre Lebensweise ist noch gar nichts bekannt.“, betont Professor Dr. Pedro Martínez Arbizu, Fahrtleiter der Expedition und Leiter des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung bei Senckenberg.
Die Forschenden aus acht Europäischen Staaten arbeiten seit dem Jahr 2015 erfolgreich zu einem umfassenden Verständnis des Tiefseeökosystems in Manganknollengebieten sowie der Bewertung der Umweltrisiken durch Tiefseebergbau. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen entwickeln die MiningImpact Wissenschaftler:innen konkrete Handlungsvorschläge für den Mining Code der Internationalen Meeresbodenbehörde und tauschen sich mit verschiedensten Entscheidungsträgern zu Umweltstandards und den Möglichkeiten zur Minimierung von weitreichenden Umweltschäden aus. MiningImpact leistet damit seinen Beitrag zu der von der Bundesregierung diese Woche geforderten Umweltfolgenforschung von Tiefseebergbau.
Die jetzt stattfindende Expedition SO295 ist die fünfte Forschungsfahrt im Rahmen des MiningImpact-Projektes. Auf den vorangegangenen Expeditionen SO239 und SO242 wurden jahrzehntealte Störungsspuren in Manganknollengebieten untersucht, während die Expedition SO268 und die von der BGR geleitete Fahrt MANGAN 2021 der Erfassung des Ist-Zustands der Tiefsee-Ökosysteme und dem wissenschaftlich unabhängigen Monitoring des ersten industriellen Kollektortests dienten. SO295 wird den wichtigen ersten Datensatz zu den mittelfristigen Folgen auf die Tiefsee-Umwelt anderthalb Jahre nach dem Test erheben.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.
Die Bundesregierung hat eine „precautionary pause“ bei den Verhandlungen im Rahmen des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA gefordert. Deutschland unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau. Weitere gute Neuigkeiten findet ihr auf unserem Good News Blog.
Das verräterische Abtauchen illegaler Fischfangboote
Illegale Fischerei trägt nicht nur zur Überfischung bei, sondern verursacht jedes Jahr einen weltweiten wirtschaftlichen Schaden von bis zu 25 Milliarden Dollar. Deshalb haben Forscher:innen der University of Calfornia in ihrer Studie die Hintergründe der illegalen Fischerei untersucht. Das automatische Identifikationssystem (AIS) kann von Schiffsführer:innen abgeschaltet werden, um sich vor Piraterie zu schützen. Allerdings wird es auch häufig deaktiviert, um illegale Aktivitäten – wie die Fischerei an nicht autorisierten Orten oder nicht autorisierte Umladungen – zu verschleiern. In den AIS-Daten von 2017 bis 2019 wurden 50.000 Fälle entdeckt, in denen die Schiffe ihr AIS ausgeschaltet hatten. Diese Schiffe fuhren mehrheitlich unter den Flaggen von China, Taiwan, Spanien und den USA. Mit Computermodellen haben die Forschenden spezifische Muster für verschiedene Fischereimethoden wie Langleinen, Ringwaden oder Schleppnetze erkannt. Der Datensatz mit Echtzeitdaten soll künftig zu der Kontrolle und Verbesserung des Fischereimanagements beitragen.
Den zugehörigen Artikel „Das verräterische Abtauchen illegaler Fischfangboote“ vom 02.11.2022 findet ihr beim Spiegel.
Wie Albatrosse dabei helfen können, illegale Fischerei aufzudecken, könnt ihr in unserem Beitrag „Albatrosse – Spione illegaler Fischerei“ nachlesen.