Forschung

Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch  Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .

Die Zu­kunft der Artenvielfalt im Meer un­ter glo­ba­ler Er­wär­mung

Ganz viele verschiedenfarbige Foraminiferen liegen übereinander

© Holger Krisp / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 11.10.2022, MARUM

Neue Stu­die zeigt, wie Plank­ton­ge­mein­schaf­ten ge­wan­dert sind und sich seit der letz­ten Eis­zeit ge­wandelt ha­ben

Der vom Men­schen ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del hat die Artenvielfalt der Erde be­reits stark be­ein­flusst. Der Le­bens­raum vie­ler Ar­ten – auch in den Ozea­nen – ver­schwin­det, in­va­si­ve Ar­ten er­obern neue Re­gio­nen. In ei­ner um­fas­sen­den Da­ten­aus­wer­tung hat ein Team von For­schen­den aus Bre­men und Ol­den­burg un­ter­sucht, wie sich die Ar­ten­ge­mein­schaf­ten im Nord­at­lan­tik über ei­nen Zeit­raum von 24.000 Jah­ren – seit der letz­ten Eis­zeit – ver­än­dert ha­ben. Er­war­tungs­ge­mäß sind Ar­ten nach Nor­den mi­griert, aber es ha­ben sich auch neue Ge­mein­schaf­ten ge­bil­det – und zwar auch, nach­dem sich die Tem­pe­ra­tu­ren sta­bi­li­siert ha­ben. Die Er­geb­nis­se sind jetzt in der Fach­zeit­schrift Nature Ecology & Evolution er­schie­nen.

Ko­ral­len­rif­fe lei­den un­ter ozea­ni­schen Hit­ze­wel­len, at­lan­ti­sche Ar­ten tre­ten ver­mehrt in der Ark­tis auf. Wie wird sich die Artenvielfalt bei an­hal­ten­der Er­wär­mung der Ozea­ne wei­ter­ent­wi­ckeln? Die­se Fra­ge ist schwer zu be­ant­wor­ten, denn das Le­ben hat eine Ge­heim­waf­fe im Schrank: die Evo­lu­ti­on. Mit ih­rer Hil­fe kön­nen sich Ar­ten auf neue Be­din­gun­gen an­pas­sen. Evo­lu­ti­on wirkt über Jahr­hun­der­te und Jahr­tau­sen­de und lässt sich da­her in La­bor­ex­pe­ri­men­ten schwer er­fas­sen. Mit­hil­fe von Fos­si­li­en kön­nen For­schen­de ei­nen Blick in die Ver­gan­gen­heit wer­fen und so her­aus­fin­den, wie sich die Artenvielfalt wäh­rend ver­gleich­ba­rer Kli­ma­ver­än­de­rung in der Ver­gan­gen­heit ver­än­dert hat. For­schen­de des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie des In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg (ICBM) ha­ben da­für das Vor­kom­men von fos­si­len Plank­ton­ar­ten im At­lan­ti­schen Oze­an nach der letz­ten Eis­zeit un­ter­sucht. Sie fan­den her­aus, dass mit an­hal­ten­der Er­wär­mung der Ozea­ne vie­le Ar­ten zu­erst wie er­war­tet ver­mehrt in hö­he­re Brei­ten ge­wan­dert sind. Über­ra­schen­der­wei­se stell­ten sie aber fest, dass sich da­bei auch neue Ar­ten­ge­mein­schaf­ten ge­bil­det ha­ben, und dass die Ver­än­de­rung der Ge­mein­schaf­ten nicht voll­stän­dig mit der Er­wär­mung der Ozea­ne ein­her­ging.

Für ihre Stu­die ha­ben Anne Strack, Dr. Lu­kas Jon­kers und Prof. Mi­chal Ku­ce­ra vom MARUM an der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie Dr. Ma­ri­na C. Ril­lo und Prof. Hel­mut Hil­le­brand vom ICBM der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg ei­nen gro­ßen Da­ten­satz über die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung von fos­si­len plank­to­ni­schen Fo­ra­mi­ni­fe­ren in 25 Se­di­ment­ker­nen des Nord­at­lan­tiks von der letz­ten Eis­zeit vor 24.000 Jah­ren bis in die heu­ti­ge Warm­zeit un­ter­sucht. So konn­ten die For­schen­den ge­nau nach­ver­fol­gen, wie sich die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung mit Be­ginn der letz­ten star­ken Erd­er­wär­mung in der Erd­ge­schich­te, nach der letz­ten Eis­zeit, im ge­sam­ten Nord­at­lan­tik ver­än­dert hat. Da­bei ent­deck­te das Team un­er­war­te­te Mus­ter. „Wir wa­ren ver­blüfft, als wir merk­ten, dass sich die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung des Plank­tons noch lan­ge wei­ter än­der­te, nach­dem sich die Tem­pe­ra­tur in der heu­ti­gen Warm­zeit wie­der sta­bi­li­siert hat­te“, er­klärt Er­st­au­tor:in Anne Strack.

„Es ist schon lan­ge be­kannt, dass sich Ar­ten­ge­mein­schaf­ten än­dern, wenn sich de­ren Um­ge­bung än­dert. Steigt etwa die Mee­res­tem­pe­ra­tur im Oze­an, wan­dern Ar­ten in hö­he­re Brei­ten ab. Die­ses Ab­wan­dern kön­nen wir auch in un­se­ren Da­ten des Nord­at­lan­tiks be­ob­ach­ten. Das Er­staun­li­che ist aber, dass die „ein­hei­mi­schen“ Ar­ten nicht gleich schnell ab­ge­wan­dert sind“, er­klärt Anne Strack. Die­se Asym­me­trie zwi­schen Ein- und Aus­wan­de­rung führ­te vor al­lem in den mitt­le­ren Brei­ten zur Bil­dung neu­ar­ti­ger Ar­ten­ge­mein­schaf­ten, die es so in der Eis­zeit nir­gends auf der Erde gab. „Noch er­staun­li­cher: Die­se neu zu­sam­men­ge­wür­fel­ten Ge­mein­schaf­ten wa­ren kein flüch­ti­ges Phä­no­men, son­dern sie blei­ben über meh­re­re tau­send Jah­re be­ste­hen“, er­gänzt Prof. Mi­chal Ku­ce­ra.

So­mit lie­fern die Er­geb­nis­se der Stu­die wich­ti­ge Hin­wei­se für das Schick­sal ma­ri­ner Öko­sys­te­me un­ter an­dau­ern­der Er­wär­mung der Ozea­ne. Sie un­ter­stüt­zen Com­pu­ter-Si­mu­la­tio­nen, die dar­auf hin­deu­ten, dass auch die pro­gnos­ti­zier­te künf­ti­ge Er­wär­mung zur Bil­dung neu­er Ar­ten­ge­mein­schaf­ten füh­ren wird. Eta­bliert sich eine neu­ar­ti­ge Plank­ton­ge­mein­schaft, wirkt sich das auf wich­ti­ge Öko­sys­tem­funk­tio­nen durch neue di­rek­te oder in­di­rek­te öko­lo­gi­sche In­ter­ak­tio­nen aus. „Die­se Stu­die trägt auch dazu bei, wie wir den heu­ti­gen ra­pi­den Bio­di­ver­si­täts­wan­del ver­ste­hen, denn sie zeigt uns, dass wir erst weit in der Zu­kunft die Re­ak­ti­on des Le­bens im Meer auf heu­ti­ge Um­welt­ver­än­de­run­gen se­hen wer­den“, sagt Prof. Hel­mut Hil­le­brand.

Die Stu­die ist das Er­geb­nis ei­ner Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Mee­res­geo­log:in­nen und Pa­lä­on­to­log:in­nen aus der Uni­ver­si­tät Bre­men und Öko­log:in­nen aus der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg im Rah­men des Ex­zel­lenz­clus­ters „Der Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“.

Das MARUM ge­winnt grund­le­gen­de wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se über die Rol­le des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens im ge­sam­ten Erd­sys­tem. Die Dy­na­mik des Oze­ans und des Mee­res­bo­dens prä­gen durch Wech­sel­wir­kun­gen von geo­lo­gi­schen, phy­si­ka­li­schen, bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Pro­zes­sen maß­geb­lich das ge­sam­te Erd­sys­tem. Da­durch wer­den das Kli­ma so­wie der glo­ba­le Koh­len­stoff­kreis­lauf be­ein­flusst und es ent­ste­hen ein­zig­ar­ti­ge bio­lo­gi­sche Sys­te­me. Das MARUM steht für grund­la­gen­ori­en­tier­te und er­geb­nis­of­fe­ne For­schung in Ver­ant­wor­tung vor der Ge­sell­schaft, zum Wohl der Mee­res­um­welt und im Sin­ne der Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Na­tio­nen. Es ver­öf­fent­licht sei­ne qua­li­täts­ge­prüf­ten, wis­sen­schaft­li­chen Da­ten und macht die­se frei zu­gäng­lich. Das MARUM in­for­miert die Öffent­lich­keit über neue Er­kennt­nis­se der Mee­res­um­welt, und stellt im Dia­log mit der Ge­sell­schaft Hand­lungs­wis­sen be­reit. Ko­ope­ra­tio­nen des MARUM mit Un­ter­neh­men und In­dus­trie­part­nern er­fol­gen un­ter Wah­rung sei­nes Ziels zum Schutz der Mee­res­um­welt.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Klimaschutz ist, genauso wie der Erhalt der Artenvielfalt, von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Planeten. Mehr darüber könnt ihr auf unserem Klimablog nachlesen.

Auf dem Bild seht ihr kleine, planktonische Foraminiferen, die Onno Groß, der Gründer von DEEPWAVE, jahrelang intensiv erforscht hat.

Arktischer Ozean künftig auch im Sommer versauert

Sommer im Norden - Ein großer Eisberg erstreckt sich vor Grönland und spiegelt sich im Wasser

© Annie Spratt / Unsplash

Pressemitteilung, 05.10.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Eine neue Studie geht davon aus, dass der Klimawandel die saisonale Versauerung des Arktischen Ozeans verschieben und intensivieren könnte, mit Folgen für das Ökosystem

Die Meere unseres Planeten haben über die vergangenen 200 Jahre mehr als ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre aufgenommen. Das hat dazu geführt, dass sie seit Beginn der industriellen Revolution um fast 30 Prozent saurer geworden sind. Der pH-Wert des Wassers ist dabei nicht immer gleich, er schwankt je nach Jahreszeit und Region. Die niedrigsten Werte treten natürlicherweise im Winter auf. Das könnte sich aber ändern, denn mit dem Klimawandel kann sich dieser Wert in den Sommer verlagern, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts nun zeigen konnte. Mit weitreichenden Folgen für das Leben im Ozean, wie sie in der Fachzeitschrift Nature beschreiben.

Im Sommer ist die biologische Aktivität von Meereslebewesen am größten, denn in der Regel herrschen hier optimale Bedingungen für Leben, Nahrung und Fortpflanzung. Der Klimawandel bedroht jedoch diese Ausgangslage, denn er verschiebt den Zeitpunkt des niedrigsten pH vom Winter in den Sommer, wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie des französischen Labors für Klima- und Umweltwissenschaften (CEA), LOCEAN – Laboratorium für Ozeanographie und Klimaforschung und des Instituts Pierre-Simon Laplace (IPSL) nun herausfanden. In einer aktuellen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Versauerung im Sommer noch in diesem Jahrhundert um etwa ein Viertel verstärken könnte. Einige Organismen des Arktischen Ozeans würden diese Veränderung deutlich spüren und wären weniger tolerant gegenüber einer verstärkten Erwärmung im Sommer.

Verursacht wird diese saisonale Verschiebung durch den verstärkten Anstieg des CO2 im erwärmten Wasser. Im Sommer steigen die Lufttemperaturen in der Arktis, mehr Meereis schmilzt und die arktischen Oberflächengewässer erwärmen sich. Diese Erwärmung wird im Sommer so stark, dass die Versauerung des Meerwassers viel stärker zunimmt und nicht mehr durch die Photosynthese von Algen im Ozean ausgeglichen wird. „Diese Ergebnisse verschlechtern die Aussichten für einige arktische Fische wie den Polardorsch, die bereits durch den Klimawandel bedroht sind“, sagt Mitautor Hans-Otto Pörtner, Biologe und Klimaforscher am AWI. „Die erwarteten Höchsttemperaturen bringen arktische Lebewesen an ihre thermischen Grenzen und überschreiten diese sogar, dies gilt besonders für ihre empfindlichen Lebensstadien.“ Hauptautor James Orr vom LSCE und IPSL ergänzt: „Wer hätte gedacht, dass der Klimawandel die maximale Versauerung um sechs Monate verschieben könnte, während Studien über saisonale biologische Rhythmen Verschiebungen von nur etwa einem Monat ergeben haben.“ „Das Faszinierende an dieser Studie ist, dass die chemischen Winter tatsächlich zu chemischen Sommern werden“, sagt Lester Kwiatkowski, Mitautor vom LOCEAN und IPSL.

In ihrer Studie haben die Forschenden Simulationen von 27 Erdsystemmodellen analysiert und zukünftige Klimaszenarien erarbeitet. Dabei haben sie zum ersten Mal das Potenzial für saisonale Verschiebungen der Versauerung bewertet, mit allen Variablen, die damit zusammenhängen. Denn die Versauerung wird nicht nur durch einen einzelnen Faktor bestimmt, sondern durch ein empfindliches Zusammenspiel von physikalischen und biologischen Prozessen, beeinflusst von der stärkeren Erwärmung der Oberflächengewässer im Sommer. Diese Veränderungen waren größer in den Szenarien mit mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen und deutlich geringer bei niedrigen Emissionen. Für die Forschenden ein Hoffnungsschimmer, dass Schlüsselelemente des Ökosystems des Arktischen Ozeans erhalten werden können, wenn die durchschnittliche globale Erwärmung unter 2 °C gehalten werden kann.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Die Ozeanversauerung betrifft nicht nur die Polarmeere, sondern auch Organismen wie Kalkalgen oder Seeigel. Mehr zu der Lage der Eismeere findet ihr in unserem Forschungs- oder Klimablog.

Versauernder Meereisverlust

Mehrere Eisschollen schwimmen auf dem Wasser, im Hintergrund geht die Sonne unter

© Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann (CC-BY 4.0)

Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane – angetrieben durch die Klimakrise – verstärken sich gegenseitig. Unsere Meere nehmen große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre auf, wodurch ihr pH-Wert sinkt und sie „sauer“ werden. Das schadet vielen Meeresbewohnern, besonders denen mit Strukturen aus Kalzium-Verbindungen. Forscher:innen haben kürzlich im arktischen Ozean entdeckt, dass durch den starken Meereisverlust zunehmend Wasser freigelegt wird, dass das atmosphärische CO2 besonders gut aufnehmen kann. Mit Daten aus Wasseranalysen von 1994 und 2020 konnte ein drei- bis viermal höherer Versauerungs-Trend im westlichen Arktischen Ozean festgestellt werden – zurückzuführen auf den zunehmenden Meereisverlust in dieser Region. Wenn dieser weiter fortschreitet, könnte sich auch die Versauerung zunehmend verstärken. Die prognostizierten eisfreien Sommer in der Arktis bis zum Jahr 2050 oder vielleicht sogar bereits bis 2030 haben somit weitreichendere Auswirkungen auf das arktische Ökosystem, als bisher angenommen.

Den zugehörigen Artikel „Versauernder Meereisverlust“ von Martin Vieweg vom 30.09.2022 findet ihr bei wissenschaft.de.

Die Originalpublikation „Climate change drives rapid decadal acidification in the Arctic Ocean from 1994 to 2020“ findet ihr bei Science.

Wie stark die Meeresbewohner von der Ozeanversauerung beeinflusst werden und ob sie sich anpassen können, muss noch weitestgehend erforscht werden. Ein Langzeit-Experiment mit Kalkalgen hat gezeigt, dass ihre evolutionäre Anpassung an die Ozeanversauerung nur eingeschränkt möglich ist.

Sonnencreme: Schutz für die Haut, Gift für etliche Ökosysteme

Eine Sonnencreme liegt auf dem Strand

© Dimitris Vetsikas / Pixabay

An nur einem Tag gelangen etwa vier Kilogramm chemischer und mineralischer UV-Filter – auch Sonnencreme genannt – ins Mittelmeer. Der globale jährliche Eintrag wurde auf 14.000 Tonnen berechnet, das entspricht dem Gewicht von 70 Blauwalen. Während Sonnencreme uns vor UV-Strahlung schützt, wirkt sie auf viele Meereslebewesen toxisch. Die Substanzen können sich in Organismen anreichern und ihren Stoffwechsel, ihr Immunsystem sowie ihre Reproduktionsfähigkeit stören. In Hawaii, den Jungferninseln, Aruba, Thailand und Palau wurde bereits ein Verbot von Sonnencreme mit bestimmten Chemikalien durchgesetzt, da diese das Korallenwachstum behindern, das Erbgut schädigen und sogar tödliche Korallenbleiche hervorrufen können.

Wie stark sich die Verschmutzung auf das offene Meer auswirkt, ist noch nicht bekannt – für Seen und kleine Gewässer könnte es aber noch gravierender sein. In Österreich wird Sonnencreme bei Gewässerkontrollen nicht erfasst – deshalb gibt es zu wenig Daten und kaum Forschungsprojekte, die sich diesem Problem widmen. Hier, sowie in vielen anderen Bereichen, müsste das Vorsorgeprinzip stärker gelten, denn jede Art von UV-Filter wird nur sehr langsam abgebaut, bleibt lange in den Gewässern und kann sich über große Entfernungen ausbreiten. Auswirkungen der Klimakrise wie Hitze und Dürre könnten die Toxizität von Sonnencreme zusätzlich verstärken. Es braucht großflächige Studien über eine großen Zeitraum, die auch miteinander verknüpfte Ökosysteme beobachten, um das volle Ausmaß dieser Verschmutzung zu ermitteln.

Den zugehörigen Artikel „Sonnencreme: Schutz für die Haut, Gift für etliche Ökosysteme“ von Marlene Erhart vom 03.09.2022 findet ihr bei derstandard.

Nicht nur toxische Substanzen, Hitzewellen und Versauerung schaden Korallen, auch zu hohe Sauerstoffkonzentrationen sind schädlich für die Tiere. Davor können sie sich aber mit winzigen Flimmerhärchen schützen. Falls ihr unsicher über die Inhaltsstoffe eurer Kosmetikprodukte seid, könnt ihr diese mit der ToxFox-App überprüfen.

Rettende Wimpernschläge

Eine Koralle wird von unten fotografiert, man sieht über ihr die Wasseroberfläche mit starker Sonneneinstrahlung

© Marek Okon / Unsplash

Pressemitteilung, 23.08.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Steinkorallen nutzen einen raffinierten körpereigenen Ventilator, um sich vor Umweltstress zu schützen

Sterbende Riffe und einstmals bunte Korallenstöcke, die jede Farbe verloren haben: Der Klimawandel setzt den Architekten der Unterwasser-Städte massiv zu. Die sogenannte Korallenbleiche greift durch das wärmer werdende Wasser immer weiter um sich. Doch nicht alle Korallen reagieren darauf gleich empfindlich. Ein internationales Team um das Alfred-Wegener-Institut und das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie hat nun eine mögliche Erklärung dafür: Mithilfe von winzigen Flimmerhärchen können Korallen die Strömungsverhältnisse in ihrer Umgebung beeinflussen und sich so vor schädlichen Sauerstoffkonzentrationen schützen, berichten die Forscher im Fachjournal Current Biology.

Korallenriffe gehören nicht nur zu den artenreichsten Ökosystemen der Erde, sondern auch zu den wirtschaftlich wichtigsten. „Sie spielen zum Beispiel eine große Rolle für die Fischerei und den Tourismus“, sagt Moritz Holtappels. „Und als Wellenbrecher leisten sie sehr gute Dienste für den Küstenschutz.“ Entsprechend große Sorgen machen sich Fachleute um den Zustand der wertvollen Unterwasserstädte. Denn diese werden gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen: Die Überdüngung und Versauerung der Ozeane machen ihnen ebenso zu schaffen wie eine zu intensive Fischerei. Und der Klimawandel führt immer häufiger zu den gefürchteten „Korallenbleichen“.

Diese entstehen, wenn den Baumeistern der Riffe das Wasser zu warm wird. Die meisten der kleinen Polypen, die diese beeindruckenden Kalkgebilde schaffen, leben in einer Symbiose mit Algen aus der Gruppe der Dinoflagellaten zusammen. Sie bieten diesen Organismen Schutz und bekommen im Gegenzug energiereichen Zucker und andere Produkte, die ihre Untermieter mithilfe des Sonnenlichts aus Kohlendioxid und Wasser herstellen. Dieser Photosynthese genannte Prozess aber wird bei zu hohen Temperaturen zum Problem. Statt die Korallen mit Energie zu versorgen, setzen die Algen dann sogar schädliche Substanzen frei. Also werfen die Polypen ihre Mitbewohner hinaus, der Korallenstock verliert seine Farbe – und stirbt dann oft ganz ab. „Dem fallen allerdings nicht alle Korallen eines Riffs zum Opfer“, erklärt Cesar Pacherres. „Einige bleichen schnell, andere gar nicht.“ Was aber steckt hinter diesen Unterschieden?

Um das herauszufinden, haben die Forscher das komplexe Zusammenleben zwischen der Steinkoralle Porites lutea und ihren grünen Mitbewohnern genauer unter die Lupe genommen. Eines der Probleme der Unterwasser-Wohngemeinschaft besteht demnach darin, dass bei der Photosynthese der Algen jede Menge Sauerstoff frei wird. Der ist zwar für die meisten Tiere und Pflanzen lebenswichtig. Zu viel davon kann aber gerade in warmem Wasser auch gefährlich werden. Denn bei zu hohen Konzentrationen verarbeitet der Photosynthese-Apparat der Algen verstärkt Sauerstoff statt Kohlendioxid. Das führt nicht nur zu einer weniger effektiven Energiegewinnung, es entstehen dabei auch gefährliche Sauerstoff-Radikale, die Zellen schädigen können. „Bei viel Sonnenlicht haben Korallen ein Problem, den überschüssigen Sauerstoff loszuwerden“, erklärt Cesar Pacherres. „Geringe Wasserbewegung und hohe Temperaturen fördern diesen sogenannten oxidativen Stress, der als Hauptursache für die Korallenbleiche gilt.“

Mit neuen Untersuchungsmethoden sind die Forscher nun der Spur des Sauerstoffs gefolgt. Dabei haben sie festgestellt, dass sich dessen Produzenten in den untersuchten Korallen keineswegs gleichmäßig verteilen. In manchen Bereichen sind die Algen viel dichter gesät als in anderen. „Wir hatten erwartet, dass wir über diesen Hotspots der Photosynthese auch die höchsten Sauerstoffkonzentrationen im Wasser finden würden“, sagt Soeren Ahmerkamp. „Überraschenderweise war aber genau das Gegenteil der Fall.“

Das steht im Gegensatz zur gängigen Theorie über den Stoffaustausch zwischen Korallen und ihrer Umgebung: Bisher hatte man nämlich angenommen, dass freigesetzte Substanzen beim Verlassen des Gewebes einfach durch Diffusion von den Regionen mit hoher zu solchen mit niedriger Konzentration wandern. Dann aber hätte sich dort am meisten Sauerstoff finden müssen, wo auch am meisten produziert wurde. Ein anderes Muster kann nur entstehen, wenn die Korallen das Element aktiv woanders hin transportieren. Und dank ausgeklügelter Überwachungstechnik wissen die Forscher inzwischen auch, wie sie das machen.

„Der Trick besteht darin, dass die Flimmerhärchen auf der Oberfläche der Korallen durch koordiniertes Schlagen kleine Wirbel erzeugen“, erläutert Soeren Ahmerkamp. Auf diese Weise können die Polypen die Strömung so beeinflussen, dass sie die Bereiche mit vielen Algen gezielt belüften. Dabei führen sie von oben sauerstoffarmes Wasser aus der Umgebung neben die Flecken mit den höchsten Algendichten. Dort wird es mit Sauerstoff beladen. Der aufsteigende Ast des folgenden Wirbels fließt dann wieder von den Korallen weg und entlässt seine Fracht ein Stück weiter oben ins Meer. Mithilfe eines Computermodells haben die Forscher das Zusammenspiel von Diffusion und Wimpernschlag an der Korallenoberfläche simuliert. Durch die Wirbel in der Nachbarschaft der Algen kann die Steinkoralle den Bereich mit kritischen Sauerstoffkonzentrationen demnach um die Hälfte reduzieren.

„Die festsitzenden Korallen sind also nicht auf Gedeih und Verderb der Meeresumwelt ausgeliefert, wie man bisher gedacht hat“, resümiert Moritz Holtappels. Den Stoffaustausch mit ihrer Umgebung gezielt zu beeinflussen und überschüssigen Sauerstoff wegzufächeln, kann für die Tierchen lebenswichtig sein – vor allem, wenn sie in Meeresregionen mit wenig Strömung wachsen. Allerdings ist dieses ausgeklügelte Ventilationssystem vermutlich nicht bei allen Korallen gleich gut ausgebildet. Das könnte erklären, warum manche bei widrigen Bedingungen so viel stärker ausbleichen als andere.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Hier findet ihr die Originalpublikation.

Welche neue Korallenart erst letztes Jahr entdeckt wurde, erfahrt ihr auf unserem Forschungsblog.

Neues Hydrothermalfeld durch MARUM-Expedition entdeckt

Ein Schwarzer Raucher als Teil von einem  Hydrothermalfeld bläst schwarzen Rauch in das dunkle Wasser

© MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 19.08.2022, MARUM

Überraschung im Europäischen Nordmeer in 3.000 Meter Wassertiefe / Expeditionsteam tauft Neuentdeckung „Jøtul Hydrothermalfeld“

Heiße Quellen treten weltweit an Spreizungsrücken der Erdplatten auf. Am 500 Kilometer langen Knipovich-Rücken, gelegen zwischen Grönland und Spitzbergen, waren Hydrothermalquellen bisher unbekannt. Während der 109. Expedition mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN haben Forschende aus Bremen und Norwegen nun erstmals am Knipovich-Rücken ein Feld mit zahlreichen Hydrothermalquellen entdeckt.

„Nach Hinweisen in der Wassersäule auf hydrothermale Aktivität haben wir mit dem Tauchroboter MARUM-QUEST den Ozeanboden abgesucht. Die Freude war riesig, als wir einen aktiven Schwarzen Raucher entdeckten. Wie aus einem Ofenrohr schoss die über 300 Grad Celsius heiße, metallhaltige Flüssigkeit heraus und wandelte sich in eine schwarze Wolke um, deren Ausbreitung wir mit dem Tauchroboter nicht mehr überblicken konnten“, sagt Prof. Gerhard Bohrmann vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Fahrtleiter der Expedition MSM 109.

Der Schwarze Raucher ist Teil eines größeren Hydrothermalfeldes von mindestens einem Kilometer Länge und etwa 200 Meter Breite in einer Wassertiefe von etwa 3.000 Metern. Die zahlreichen Quellaustritte sind sehr unterschiedlich. So wurden warme, im Scheinwerferlicht des Roboters schimmernde Fluidaustritte gefunden, die mit weißen Ausfällungen, Mikrobenflocken und -filamenten und vielen kleinen Organismen assoziiert sind. Andere Quellaustritte haben zu massiven chemischen Ausfällungen geführt und bilden zum Teil mehrere meterhohe Hügel am Meeresboden. Einen besonders diversen Quellaustritt mit zahlreichen Kaminen und überstehenden Flanschen haben die Forschenden in Absprache mit den norwegischen Kollegen „Yggdrasil“ benannt, der Bezeichnung für den Lebensbaum in der nordischen Mythologie. „Bei einem solchen Neufund, so weit im Norden bei 77°20‘ Nord, wollten wir bei der Benennung Namen aus dem nordischen Kulturkreis nutzen. Das gesamte Feld haben wir auf Anregung unserer norwegischen Kollegen „Jøtul Hydrothermalfeld“ genannt“, erklärt Gerhard Bohrmann. Jøtul bezeichnet in der nordischen Mythologie einen Riesen, der im Gebirge lebt.

Ziel der Fahrt war es, hydrothermale Aktivitäten am Knipovich-Rücken zu finden, ein Spreizungsrücken, der im Europäischen Nordmeer die Nahstelle zwischen Nordamerikanischer und Eurasischer Erdplatte bildet. „Solche hydrothermalen Quellen des Meeresbodens waren am Knipovich-Rücken bisher völlig unbekannt, obwohl schon mehrfach danach gesucht wurde. Das Besondere sind die extrem geringen Spreizungsraten von nur 1,4 Zentimetern pro Jahr. Neuer Meeresboden entsteht hier also nur sehr langsam. Eine hydrothermale Zirkulation könnte daher anders verlaufen als an normal oder schnell spreizenden Plattengrenzen“, erläutert Gerhard Bohrmann.

Hydrothermale Quellen gelten als Oasen des Lebens in der Tiefsee, die das Ökosystem in der Tiefsee stark prägen und deren Bedeutung auf Prozesse am und im Ozeanboden noch nicht komplett verstanden sind.

In etwa zwei Jahren werden Forschende des MARUM zum Knipovich-Rücken zurückkehren, um während einer Expedition das neu entdeckte Jøtul-Hydrothermalfeld genauer zu untersuchen. Bis dahin werden die Fahrtteilnehmenden der MSM 109 die neuen Daten auswerten und publizieren.

Die aktuelle Fahrt ist Teil des Forschungsprogramms im Bremer Exzellenzcluster „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“. Eingesetzt wurden der Tauchroboter MARUM-QUEST und, zur Vermessung und Kartierung im Untersuchungsgebiet, das autonome Unterwasserfahrzeug MARUM-SEAL.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Am Meeresgrund vor Island wurde in 3000 bis 4000 Metern Tiefe ein Hydrothermalfeld mit „weißen“ oder „klaren Rauchern“ entdeckt. Mehr darüber erfahrt ihr auf unserem Forschungs- und Tiefseeblog.

Lärm beeinflusst das Leben am Meeresboden

Mehrere Schiffe, eine Fähre und größere Lastenschiffe, fahren nebeneinander auf der Elbe

© Wolfgang Fricke / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Pressemitteilung, 18.08.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Geräusche mit niedrigen Frequenzen stressen manche Arten von Krebsen, Würmern und Muscheln – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für marine Ökosysteme

Ozeane haben ihre ganz eigene Klangkulisse: Viele marine Lebewesen nutzen beispielsweise Schallwellen zur Echoortung, Navigation oder zur Kommunikation mit Artgenossen. In den letzten Jahrzehnten durchdringen jedoch immer mehr Geräusche verursacht durch menschliche Aktivitäten die Meere. Eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts liefert nun den Nachweis, dass diese Geräusche manche wirbellose Tiere, die im und am Meeresboden leben, beeinflussen, so dass wichtige Funktionen für das Ökosystem Meer betroffen sein können.

Wirbellose Tiere wie Muscheln und Würmer sind regelrechte Ökosystem-Ingenieure. Sie verändern ständig das Sediment in dem sie leben. Durch Graben, Fressen, Lüften und Düngen mit Ausscheidungen sind diese Wühl- und Umwälzaktivitäten entscheidend für die Nährstoffkreisläufe in den Ozeanen: So kann mehr Kohlenstoff aus abgestorbenem, organischen Material im Meeresboden gebunden werden und Nährstoffe zurückgeführt werden.

Steigende Temperaturen, die Versauerung der Ozeane und Schadstoffe setzen Lebewesen mariner Ökosysteme zunehmend unter Stress. In den letzten Jahrzehnten trägt hierzu auch zunehmend Lärm durch menschliche Aktivitäten bei, der das Verhalten, die Nahrungssuche oder die Kommunikation von Tieren im Meer beeinflussen kann. Sprengungen, Ressourcenabbau aber auch das Brummen von Frachtschiffen und Sportbooten dröhnen durch die Ozeane. Dass sich dieser Lärm nicht nur auf Meeressäuger, sondern auch Wirbellose auswirkt, konnte nun ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven in einer Studie im Fachmagazin Environmental Pollution zeigen. „Wir haben untersucht, wie Krebse, Muscheln und Würmer am Meeresboden auf niederfrequente Geräusche reagieren und wie häufig und intensiv sie unter Lärmstress das Sediment um- und abbauen können“, sagt Sheng V. Wang vom Fachbereich Biowissenschaften am AWI. Niederfrequente Geräusche sind Schallwellen mit einer Frequenz zwischen 10 und 500 Hertz. Im Wasser können sie über mehrere Kilometer übertragen werden.

Obwohl die Lärmverschmutzung durch niederfrequente Geräusche, die aus menschlichen Aktivitäten stammen, immer weiter zunimmt, war bisher wenig darüber bekannt, wie sich Lärm auf wirbellose Tiere am Meeresboden auswirkt. Um diese Forschungslücke zu schließen, haben die AWI-Wissenschaftler im Labor mit sogenannten „Lärm-Eiern“ untersucht, wie Flohkrebse, Borstenwürmer und Plattmuscheln von Schallwellen mit einer Frequenz zwischen 100 und 200 Hertz beeinflusst werden. „Nach sechs Tagen konnten wir deutlich sehen, dass alle drei Arten auf den Lärm reagierten obwohl sie zu sehr unterschiedlichen Tiergruppen zählen, denen eigentliche Organe zum Hören fehlen“, sagt AWI-Ökologe Dr. Jan Beermann. So gruben die Flohkrebse deutlich weniger und nicht mehr so tief im Sediment. Bei den Borstenwürmer war keine eindeutige Reaktion zu beobachten, sie schienen sich jedoch uneinheitlicher zu verhalten. Für die Plattmuscheln wurden potentielle Stressreaktionen festgestellt, die weiter untersucht werden müssen. Die Forscher weisen auf den dringenden Bedarf an Forschung im Feld hin, da der experimentelle Aufbau unter Laborbedingungen nicht die volle Komplexität umfasst.

Dass zusätzliche Geräusche, die keinen natürlichen Ursprung haben, am Meeresboden lebende Wirbellose hemmen könnten, Sedimente an- und umzubauen, kann sich auf wichtige Funktionen mariner Ökosysteme auswirken – von der Versorgung mit Nährstoffen bis hin zur Verfügbarkeit von Nahrung für Lebewesen auf höheren Ebenen im Nahrungsnetz, wie etwa Fische. „Durch menschliche Aktivitäten könnte es künftig noch ‚lauter‘ am Meeresboden werden. Wir sind grade noch am Anfang zu verstehen, wie genau Lärmprozesse hier wirken“, sagt Beermann. „Diese Zusammenhänge zu verstehen, ist aber ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige Nutzung unserer Meere.“ Deshalb will das Team in Zukunft weitere Untersuchungen hierzu durchführen. Unter anderem sollen in einem Projekt zusammen mit europäischen Partnerforschungseinrichtungen Experimente an weiteren AWI-Standorten wie Helgoland und Sylt nähere Erkenntnisse liefern. Die internationale Plattform JPI Oceans fördert das Projekt.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Hier findet ihr die Originalpublikation.

Wie sich Unterwasserlärm auf Pinguine, Wale und Delfine auswirkt, könnt ihr auf unserem Forschungsblog nachlesen.

Tor zur Arktis: Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE

Das Forschungsschiff SONNE liegt an einem kleinen Hafen an

© Thomas Walter / Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Pressemitteilung, 12.08.2022, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Die „AleutBio“-Expedition im Nordpazifik untersucht noch bis Anfang September das Leben in der Tiefsee

Unter der Fahrtleitung von Senckenbergerin Prof. Dr. Angelika Brandt befinden sich aktuell 38 internationale Forschende an Bord des Forschungsschiffs SONNE im Nordpazifik. Ziel der „AleutBio Expedition SO293“ ist es das Ökosystem der Tiefsee zu verstehen und Veränderungen der Fauna – vor dem Hintergrund des raschen Klimawandels – zu dokumentieren. Die Wissenschaftler*innen untersuchen hierfür im östlichen Beringmeer und im Aleutengraben das Leben am Meeresboden in allen Größenklassen. Ein täglicher Blog nimmt die Öffentlichkeit mit in den Alltag der Meeresforscher*innen.

Seit 23. Juli befindet sich Senckenberg-Meeresforscherin Prof. Dr. Angelika Brandt an Bord des Forschungsschiffs SONNE – aktuell über dem Aleutengraben, eine bis zu 7.822 Meter tiefe und 3.200 Kilometer lange Tiefseerinne im nördlichen Teil des Pazifischen Ozeans. Gemeinsam mit 38 Wissenschaftler*innen aus 12 Nationen – Japan, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Norwegen, Mexiko, Polen, Schweiz, Spanien, USA, Vereinigtes Königreich – nimmt Fahrtleiterin Brandt an der „AleutBio“-Expedition teil. „Wir möchten gemeinsam und fachübergreifend Licht ins Dunkel bezüglich der Verbreitung von Meeresorganismen im Nordpazifik, dem ‚Tor zur Arktis‘, bringen. Zudem möchten wir die Veränderungen der Artenvielfalt dokumentieren – insbesondere vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels“, so Brandt.

Etwa zwei Wochen befinden sich die Forscher*innen nun an Bord des gut 116 Meter langen Forschungsschiffs – sie haben an zwei Stationen im Beringmeer Proben genommen und den Meeresboden vermessen, drei Stürme überstanden und sind nun am nördlichen Hang ihres westlichsten Transektes über dem Aleutengraben. „Hier haben wir eine enorme Fülle von winzigen Foraminiferen, kalkschaligen Einzellern, im Sediment der tiefsten Hadalstation gefunden. Innerhalb weniger Minuten konnten wir Hunderte von Exemplaren einsammeln. Ihre kugelförmige Gestalt und ihre organische Wand lassen darauf schließen, dass sie zur Gattung Bathyallogromia gehören. Die Erstbeschreibung dieser Gattung stammt aus dem Weddellmeer. Die Gattung wurde später auch aus anderen Gebieten gemeldet – aber nie in so großer Zahl“, berichtet Brandt und fährt fort: „Bei den Isopoden, den Meeresasseln, konnten wir die bisher größte Art der Gattung Paropsurus nachweisen. Es handelt sich um zwei Weibchen – das größte Tier ist 65 Millimeter lang. Untersuchungen im Labor werden vermutlich zeigen, dass es sich bei ihnen um eine neue Art handelt.“

Im östlichen Aleutengraben fanden die Wissenschaftler*innen die – nach Senckenbergerin Dr. Saskia Brix benannte – Art Rhachotropis saskia. Diese kürzlich beschriebene nordwestpazifische Art lebt in Wassertiefen von 3.000 bis 8.000 Metern und wurde bereits auf beiden Seiten und im Kurilen-Kamtschatka-Graben selbst nachgewiesen. „Arten der Gattung Rhachotropis sind als Räuber bekannt und verfügen über gute Schwimmfähigkeiten. Unser Fund wirft ein neues Licht auf die Verbreitung von Tiefseearten und bestätigt unsere Hypothese, dass zumindest einige dieser Arten auch eine weite geografische Verbreitung aufweisen können. Ausgewählte Individuen der Arten wurden von uns so fixiert, dass sie für weitere Analysen und molekulare Untersuchungen nach unserer Rückkehr zur Verfügung stehen. Wir freuen uns sehr über diese ersten Ergebnisse“, ergänzt Brandt.

Denn es gab auch Schwierigkeiten mit denen Fahrtleiterin Brandt zu kämpfen hatte: Ursprüngliches Ziel der Expedition war es, ein Gebiet des Nordwest-Pazifiks sowie des westlichen Beringmeeres am Tor der Arktis zu untersuchen, aus dem nur wenige Daten von früheren russischen Expeditionen veröffentlicht wurden. Nach Einreichen des Forschungsantrages und der logistischen Planung der Expedition, für die bereits eine russische Arbeitsgenehmigung vorlag, begann der Krieg gegen die Ukraine. Basierend auf der Empfehlung der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen musste daher auch die jahrelang geplante „AleutBio“-Expedition ihre Route anpassen. „Das war ein Kraftakt“, so die Frankfurter Meeresforscherin.

Enden wird die Expedition am 6. September im kanadischen Vancouver; zurück an Land beginnt dann die eigentliche Arbeit der Forscher*innen. Brandt gibt einen Ausblick: „Wir wollen unsere neuen biologischen Proben mit den Proben aus vorhergehenden Expeditionen – KuramBio I und II – sowie aus früheren russischen Expeditionen vergleichen. Wir planen integrative taxonomische Arbeiten an Schlüsselarten, die für das Verständnis und die Klärung der verwandtschaftlichen Beziehungen von entscheidender Bedeutung sind. Darüber hinaus werden wir molekulare Standardtechniken als Grundlage für Verbreitungsmodelle und Konnektivitätsstudien einsetzen, um zu verstehen welche Arten nach Norden wandern und den Arktischen Ozean vermutlich in den nächsten Dekaden erreichen werden und welche arktischen Arten bereits heute im Beringmeer oder Aleutengraben zu finden sind.“

Wie die Reise des internationalen Wissenschaftler*innen-Teams weitergeht lässt sich in einem täglichen Blog verfolgen.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Im Jahr 2020 war das Forschungsschiff SONNE bereits in Island unterwegs, um dort verschiedene marine Lebensräume zu untersuchen.

Das aktuelle Projekt MiningImpact untersucht die Auswirkungen von Tiefseebergbau auf den Meeresboden und die dort lebenden Organismen. Auch hier wird die Expedition mit der SONNE durchgeführt. Mehr über diese spannenden Expeditionen und ihre Ergebnisse könnt ihr auf unserem Forschungs– und Tiefseeblog nachlesen.

Niesende Schwämme: Es muss nicht in einer Nase kitzeln

Beige Schwämme sitzen auf einer Koralle

© Wolf Wichmann

Schwämme gehören zu den ältesten vielzelligen Organismen der Erde und doch haben wir mehr mit ihnen gemeinsam, als man vielleicht zuerst denkt: Schwämme können auch niesen. Bei dem karibischen Ofenrohrschwamm wurde herausgefunden, dass dieser niest, um sein inneres Filtersystem zu reinigen. Über sogenannte Ostien, kleine Körperöffnungen, kann der Schwamm nicht nur Wasser und Nahrungspartikel aufnehmen, sondern auch Abfallprodukte absondern. Das Niesen wurde alle drei bis acht Stunden beobachtet und dauerte jeweils etwa eine halbe Stunde. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass die Mehrheit aller Schwammarten einen solchen Nies-Mechanismus nutzt. Das hilft nicht nur dem Schwamm, sondern auch den Organismen in seiner Umgebung, die die enthaltenen Abfallpartikel im ausgeniesten Schleim als Nahrung nutzen. Damit scheinen Schwämme eine größere Rolle im marinen Nahrungskreislauf zu spielen, als bisher angenommen wurde.

Den zugehörigen Artikel „Niesende Schwämme: Es muss nicht in einer Nase kitzeln“ von Luisa Heyer vom 10.08.2022 findet ihr beim Tagesspiegel.

In der arktischen Tiefsee wurde ein massenhaftes Auftreten von Schwämmen auf Untersee-Bergen entdeckt.
Wie Delfine Korallenschleim und Schwämme nutzen, um sich zu verarzten, könnt ihr hier nachlesen.

NABU: Vogelgrippe trifft auf Patient Meer

Vogelgrippe: Ein Seevogel sitzt am Strand. Im Vordergrund liegt Seegras

© Trac Vu / Unsplash

Pressemitteilung, 09. August 2022, NABU

Miller: Nur konsequenter Schutz kann betroffene Vogelarten retten

Berlin – Die Vogelgrippe grassiert unter Basstölpeln, Brandseeschwalben, Flussseeschwalben, Kormoranen und anderen Meeresvögeln. Bereits im Mai waren in Deutschland die ersten Verdachtsfälle des Hochpathogenen Aviären Influenza-Virus (HPAIV) vom Typ H5N1 außerhalb der sonst üblichen Jahreszeit gemeldet worden. 35 tote Brandseeschwalben wurden auf der Insel Trischen gefunden. Zuvor gab es besorgniserregende Fundzahlen aus den Niederlanden und Großbritannien. Der NABU fordert angesichts der Ausbreitung der Seuche Maßnahmen zum Schutz der Wildvögel.

„Hauptamtliche und ehrenamtliche Vogelschützer können dem Sterben der Tiere nur machtlos zusehen. Der einzelne Vogel lässt sich nicht behandeln und retten. Doch dass diese Tragödie ganze Vogelpopulationen an die Schwelle des Verschwindens bringt, kann nur geschehen, weil die Nord- und Ostsee mit ihren Lebensgemeinschaften durch Eingriffe des Menschen an ihren Belastungsgrenzen sind“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Überfischung, die Vermüllung der Meere, mariner Rohstoffabbau, Störungen durch Schiffsverkehr und der Ausbau der Offshore-Windenergie sind wesentliche Treiber für den Verlust von Brut-, Nahrungs- und Rastgebieten für Meeres- und Küstenvögel.

In diesem Jahr ist besonders auffällig, dass die Erkrankung mitten in der Brutzeit zuschlägt und vor allem da sehr hohe Verluste verursacht, wo Vögel in Kolonien dicht beieinander brüten. Wenn Altvögel erkranken und sterben, sind auch die Jungen im Nest oft direkt oder indirekt durch Nahrungsmangel dem Tod geweiht. In der einzigen deutschen Basstölpelkolonie auf Helgoland wurden beispielsweise bis Ende Juli bereits über 170 tote Jungvögel gefunden. Der Virustyp könnte möglicherweise endemisch werden, also zukünftig nicht nur saisonal, sondern ganzjährig auftreten. Übertragungen auf räuberische Säugetiere sind in Einzelfällen nachgewiesen.

Das fatale Sterben ganzer Brutkolonien zeigt, wie fragil das System Meer ist. Jetzt muss es darum gehen, einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Seevogelpopulationen, aber auch anderen Artengruppen, dem Meer und seiner Systemfunktionen zu leisten. Für Basstölpel, Brandseeschwalbe & Co heißt das, die Fischerei ­– besonders mit Grundschleppnetzen und auf wichtige Beutefische wie Sandaale – muss wirksam reguliert werden. Außerdem muss der Verlust von Rast- und Nahrungsgebieten verhindert und der Ausbau der Windenergie darf nur außerhalb von Schutzgebieten und wichtigen Wanderkorridoren vorangetrieben werden. Nur wenn das gelingt, können so massive Ausfälle wie aktuell beobachtet von den Populationen kompensiert werden.

Auch akute Maßnahmen zur Eindämmung der Vogelgrippe müssen getroffen werden. Ein nationaler Reaktionsplan für HPAIV-Varianten wie H5N1 bei Wildvögeln sollte für alle Bundesländer ausgearbeitet werden, einhergehend mit einem Informationsaustausch zwischen den Ländern, aber auch mit anderen europäischen Staaten. „Wir brauchen ein wirksames Monitoring-, Überwachungs-, Forschungs- und Meldesysteme, um ein Echtzeitwissen über das Virus und seine Entwicklung bei Wildvögeln aufzubauen. Nicht zuletzt müssen potenziell hochriskante Faktoren zur Übertragung aus der Geflügelhaltung eliminiert werden”, fordert NABU-Vogelschutzexperte Martin Rümmler.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Seevögel bilden eine leitende Rolle in marinen Ökosystemen. Trotzdem werden sie nicht ausreichend geschützt.

//
Datenschutz im Überblick
DEEPWAVE e.V.

Diese Website verwendet Cookies, damit wir Ihnen die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in Ihrem Browser gespeichert und dienen dazu, Sie zu erkennen, wenn Sie auf unsere Website zurückkehren, und unserem Team zu helfen, zu verstehen, welche Bereiche der Website für Sie am interessantesten und nützlichsten sind.

Sie können alle Ihre Cookie-Einstellungen anpassen, indem Sie auf den Registerkarten auf der linken Seite navigieren.

Notwendige Cookies

Notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir Ihre Präferenzen für die Cookie-Einstellungen speichern können.

Wenn Sie dieses Cookie deaktivieren, können wir Ihre Einstellungen nicht speichern. Das bedeutet, dass Sie bei jedem Besuch dieser Website Cookies wieder aktivieren oder deaktivieren müssen.

Drittanbieter-Cookies

Diese Website verwendet Google Analytics, um anonyme Informationen wie die Anzahl der Besucher der Website und die beliebtesten Seiten zu sammeln.

Das Aktivieren dieses Cookies hilft uns, unsere Website zu verbessern.
Danke das du uns dabei hilfst.
Mit einem Klick kannst du natürlich der Verbesserung widersprechen.

Dazu müssen wir allerdings ein Cookie setzen. Wenn dieses Cookie beim schliessen des Browsers gelöscht wird, fragen wir dich wieder.