Forschung
Was die Forschung untersucht und herausfindet, wird durch Wissenstransfer greifbar und verständlich.
Und ermöglicht so sinnvolles und effektives Handeln für die Meere .
Der Südozean, wie man ihn noch nie gesehen hat
Pressemitteilung, 07.06.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Die Beschaffenheit des Ozeanbodens entscheidet mit darüber, wie sich Wassermassen und Strömungen in den Meeren bewegen und unser Klima beeinflussen. Auch die Lebensvielfalt im Meer ist beeinflusst von Meeresbodenstrukturen. Deshalb sind möglichst genaue Informationen zur Bodentopografie für meeres- und klimawissenschaftliche Forschung unabdingbar. Mit der zweiten Version der International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO v2) hat eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts die bislang beste und detailreichste Bodenkarte des Südlichen Ozeans vorgestellt, der im System Erde eine Schlüsselrolle spielt. Die Karte und die komplexe Entwicklungsmethodik wurden im Nature-Fachmagazin Scientific Data veröffentlicht.
Rund um den antarktischen Kontinent erstreckt sich mit dem Südozean eine Schlüsselregion für das System Erde und das Weltklima. Der von starken Westwinden – den berühmten „Roaring Fourties“ – angetriebene Antarktische Zirkumpolarstrom ist hier das zentrale verbindende Element der weltumspannenden thermohalinen Zirkulation und beeinflusst so die Meeresströmungen in Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean. Zudem nimmt das kalte Wasser des Südlichen Ozeans gigantische Mengen an CO2 und Wärme aus der Atmosphäre auf und puffert so vorübergehend einen Teil der negativen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels ab. Darüber hinaus ist er ein Ort hoher biologischer Produktivität und beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt.
Trotz dieser großen Bedeutung sind im Südozean – wie in anderen Ozeanen auch – bislang nur vergleichsweise wenige Regionen des Meeresbodens detailliert vermessen und kartiert. Satellitendaten liefern zwar ein flächendeckendes, aber nur relativ grob aufgelöstes Bild. Hochauflösende Daten können derzeit nur schiffsbasiert aufgezeichnet werden. Dies führt unter anderem dazu, dass Forschungsschiffe wie der Eisbrecher Polarstern mit ihren Fächerlotmessungen im Südlichen Ozean immer wieder auf bislang unbekannte topografische Highlights wie einen 1920 Meter hohen Seeberg stoßen, den sie nach Nelson Mandelas Spitznamen „Madiba Seamount“ benannten.
„Wo auch immer man hingeht oder arbeitet, braucht man eine Karte, um sich zu orientieren. Deshalb sind praktisch alle meereswissenschaftlichen Disziplinen auf detaillierte Karten des Meeresbodens angewiesen“, sagt Dr. Boris Dorschel-Herr, Leiter der Bathymetrie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „So ist die Bodentopografie im Südlichen Ozean zum Beispiel auch entscheidend für das Verständnis vieler klimarelevanter Prozesse. Warme Wassermassen etwa fließen in tiefen Trögen im Kontinentalschelf bis zu den Eisschelfen und Gletschern der Antarktis und beeinflussen deren Abschmelzen. Umgekehrt hängt auch das Abfließen von Gletschern sowie die Stabilität von Eisschilden maßgeblich von der Beschaffenheit des Untergrunds ab. Mit IBCSO v2 liefern wir nun die bislang beste und detailreichste Abbildung des Südlichen Ozeans.“
Die International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO) ist ein internationales und vom AWI koordiniertes Projekt zur Kartierung des Südlichen Ozeans. Bereits 2013 wurde ein erstes IBCSO-Datenraster (IBCSO v1) mit hochauflösender Karte für den Bereich südlich von 60°S veröffentlicht. In den folgenden Jahren hat die Menge neuer Messdaten erheblich zugenommen.
Seit 2017 ist IBCSO Teil des Nippon Foundation – GEBCO Seabed 2030 Project, das sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, bis 2030 die Weltozeane zu vermessen. „Die neue Version von IBCSO – IBCSO v2 – für den Südlichen Ozean deckt nun in einer hohen Auflösung von 500 mal 500 Metern den kompletten Bereich südlich des 50. Breitengrades ab – und damit eine 2,4 mal größere Fläche Meeresboden als die erste Version“, erklärt Boris Dorschel-Herr. „Dadurch sind nun auch der Antarktische Zirkumpolarstrom und die für sein Verständnis wichtigen ozeanografischen ‚Gateways‘ – die Drake-Passage und die Tasmanische Passage – vollständig enthalten. In die Karte sind über 25,5 Milliarden Messungen eingeflossen, die von 88 Institutionen aus 22 Ländern zur Verfügung gestellt wurden.“
Das Datenraster und eine hochaufgelöste Karte des Südlichen Ozeans stehen frei verfügbar auf der Projektseite www.ibcso.org und unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.937574 zum Download online.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.
Hier findet ihr einen weiteren Beitrag zur thermohalinen Zirkulation und zum Zirkumpolarstrom. Schaut doch auch bei unserem Klima-Blog vorbei, falls ihr euch über die Entwicklungen der Antarktis und Arktis informieren wollt.
KI erkennt Riff-Gesundheit am Klang
Nicht nur Wale, sondern auch Fische, Krebse und andere Riffbewohner geben Geräusche von sich, mit denen sie teilweise auch kommunizieren. Dicht besiedelte Riffe produzieren somit ihr eigene Musik, in toten wird es dagegen still. Forscher:innen haben nun einer Künstlichen Intelligenz beigebracht, den Gesundheitszustand eines Korallenriffes mithilfe seiner Soundkulisse zu erkennen. Bisher war es schwierig die Riff-Gesundheit mit visuellen oder akustischen Hilfsmitteln zu ermitteln, es waren aufwändige Arbeitsschritte sowie viele Taucher:innen nötig. Die Komplexität der Riff-Geräusche macht es für Menschen fast unmöglich, die Riff-Gesundheit anhand einzelner Tonaufnahmen zu bestimmen. Die KI der Forscher:innen konnte Algorithmen entwickeln, um die einzelnen Muster der Soundkulisse zu erkennen und somit auf den Gesundheitszustand des Riffes zu schließen. Zuvor wurde die KI mit Tonaufnahmen gefüttert, bei welchen der jeweilige Gesundheitszustand bekannt war.
Diese Methode klingt sehr vielversprechend für zukünftige Analysen der Riff-Gesundheit und deren Entwicklung. In vielen Fällen ist es kostengünstiger, praktikabler und weniger zeitaufwändig, anstatt regelmäßig Forschungstaucher:innen das Riff untersuchen zu lassen.
Den Artikel „Akustisches Monitoring – KI erkennt Riff-Gesundheit am Klang“ von Martin Vieweg vom 30.05.2022 sowie ein Video zu dem Thema findet ihr bei wissenschaft.de.
Das Original-Paper „Enhancing automated analysis of marine soundscapes using ecoacoustic indices and machine learning“ könnt ihr bei ScienceDirect nachlesen.
Warum Korallenriffe von so großer ökologischer Bedeutung sind, könnt ihr in unserem Factsheet nachlesen.
Durchbruch gegen die Plastikflut: Was 175 Staaten jetzt beschlossen haben
Die UN-Umweltversammlung hat ein neues Plastikabkommen ins Leben gerufen, welches endlich die weltweite Plastikverschmutzung eindämmen soll. Drei Tage lang wurde einzig und allein über das Thema Plastik diskutiert – mit einem erfolgreichen und vielversprechenden Ergebnis. Bis Ende 2024 müssen konkrete Maßnahmen von den Mitgliedsstaaten definiert werden. Dafür soll sich bis zur nächsten Umweltversammlung ein Gremium mit der weltweiten Plastikproduktion, dem Plastikkonsum und der Entsorgung auseinandersetzen. Das Ziel ist ein verbindliches Abkommen wie das Kyoto-Protokoll oder das Pariser Klimaabkommen. Auf folgende Punkte haben sich die UN-Mitgliedsstaaten bereits geeinigt:
- Das Gremium soll den Lebenszyklus von Plastik, also die Herstellung, die Verwendung und die Entsorgung, genau unter die Lupe nehmen.
- Es sollen Höchstgrenzen für die Produktion und den Verbrauch festgelegt werden.
- Es sollen Maßnahmen gegen den Müll ergriffen werden, der sich bereits in der Umwelt befindet.
- Ärmere Länder sollen finanziell unterstützt werden, sodass diese Abfallsysteme ausarbeiten können.
Wir blicken zuversichtlich auf das neue Abkommen der UN-Umweltversammlung, jedoch muss dieses auch konsequent durchgesetzt und nicht wie das Kyoto-Protokoll oder das Pariser-Klimaabkommen untergraben werden.
Den Artikel „Durchbruch gegen die Plastikflut: Was 175 Staaten jetzt beschlossen haben“ vom 31.05.2022 von Désiree Schneider findet ihr bei Perspective Daily.
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Mehr zum Thema Plastikverschmutzung findet ihr bei unserer Blue Straw-Kampagne.
Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten
Der Klimawandel und die damit einhergehende Ozeanversauerung macht sich immer stärker in unseren Meeren bemerkbar. Einige Planktonarten, darunter auch die Coccolithophoriden (Kalkflagellaten), produzieren im Zuge ihres Stoffwechsels Kalziumkarbonat, wodurch sie Kalkschalen oder -skelette ausbilden. Die Versauerung des Meerwassers stellt ein großes Problem für diese Organismen dar, denn die Säure zersetzt die lebensnotwendigen Kalkgebilde. Auch in den vergangenen Warmphasen der Erdgeschichte wurden bisher keine Fossilien der Coccolithophoriden gefunden. Nun fanden jedoch schwedische Forscher:innen „Geisterfossilien“, die dafür sprechen könnten, dass die Kalkflagellaten eventuell besser mit der Klimakatastrophe zurecht kommen, als bisher erwartet wurde.
Bei den gefundenen Fossilien handelt es sich nicht um die Kalkschalen selbst, sondern um ihre Abdrücke auf Pollenfossilien, weshalb das Forscherteam diese als „Geisterfossilien“ bezeichnet. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Coccolithophoriden trotz der ungünstigen Klimabedingungen während der Erwärmungsereignisse in der Jura- und Kreidezeit existiert haben müssen. Der Fund der winzig kleinen Abdrücke war somit eine riesige Überraschung für die Forscher:innen. Sie haben jedoch eine Erklärung dafür, wieso bisher wahrscheinlich noch keine vollständigen Fossilien der Kalkflagellaten entdeckt wurden. Der erhöhte Säuregehalt des umgebenen Wassers muss die Kalkplatten im Nachhinein aufgelöst haben, wodurch nur noch die Abdrücke und nicht mehr ganze Fossilien zu finden sind. Darum blieb die Existenz der Coccolithophoriden zu diesen Epochen bisher auch unentdeckt. Aufgrund dieser Entdeckung könnte man davon ausgehen, dass die Kalkalgen durch den Klimawandel eventuell weniger stark belastet werden, als bisher angenommen wurde. Jedoch warnt das Forschungsteam auch vor falscher Vorsicht, denn die Klimakrise verläuft viel schneller, als bisherige Warmphasen. Somit ist es sehr schwierig, Vorhersagen diesbezüglich zu treffen.
Den Artikel „Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten“ vom 19.05.2022 von Elena Bernard findet ihr bei wissenschaft.de.
Das Originalpaper „Global record of “ghost” nannofossils reveals plankton resilience to high CO2 and warming“ von Sam Slater findet ihr bei science.
Falls ihr noch mehr zur Ozeanversauerung und der Anpassung der Kalkalgen lesen möchtet, schaut euch doch diesen Beitrag von uns an: „Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung“ .
Delfine verarzten ihre Hautprobleme mit Korallenschleim
Viele Menschen bezeichnen Delfine als ihre Lieblingstiere. Kein Wunder, denn die Meeressäuger mit dem freundlichen Lächeln sind enorm intelligent und haben ein komplexes Sozialverhalten und Kommunikationsvermögen. Wie im folgenden Video zu sehen ist, wurden auch schon Sichtungen dokumentiert, in denen Delfine Schwämme oder Schneckenschalen als Werkzeuge benutzen, um beispielsweise an Nahrung an scharfkantigen Spalten zu gelangen. Diese Fähigkeiten bringen sie sich untereinander in ihren Lebensgemeinschaften bei, meistens von Mutter zu Tochter.
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=5MmBN_E3qDo
Nun untersuchte ein internationales Forschungsteam in Ägypten eine weitere interessante Eigenschaft der Delfine, die zeigt, wie clever diese Säugetiere sind. Mithilfe von Korallenschleim und Schwämmen scheinen sich Indopazifische Große Tümmler selbst zu verarzten.
Bereits vor dreizehn Jahren hat die Schweizer Wildtierbiologin Angela Ziltener beim Tauchen entdeckt, dass Delfine dieser Art ihre Körper an Korallen und Schwämmen reiben. Dabei war auffällig, dass nur manche Arten, wie zum Beispiel die Gorgonienkoralle, für die Tiere dabei in Frage kamen. Riffe, in denen diese Korallenarten anzutreffen sind, sind wichtige Rückzugsorte für die Delfinpopulationen des Roten Meeres. Warum die Tümmler zu diesem Verhalten neigen, war zunächst unklar. Nachdem die ausgewählten Korallen- und Schwammarten untersucht wurden, wurde klar, dass es den Delfinen wohl um den Schleim geht, den Korallenpolypen absondern, wenn sie gereizt werden. Dieser Schleim enthält viele Substanzen mit antibakterieller oder antioxidativer Wirkung. Dies deutet darauf hin, dass die Delfine diese Verbindungen nutzen, um das Mikrobiom ihrer Haut zu regulieren und Infektionen vorzubeugen oder zu behandeln. Sie betreiben also Körperpflege und Selbstmedikation. Bei großem Andrang stellen sich die Delfine sogar in einer Reihe an, so als würden sie wie wir morgens auf das freie Badezimmer warten.
Den Artikel „Delfine verarzten ihre Hautprobleme mit Korallenschleim“ vom 19. Mai 2022 findet ihr bei Der Standard.
Das Originalpaper „Evidence that Indo-Pacific bottlenose dolphins self-medicate with invertebrates in coral reefs“ wurde in iScience veröffentlicht.
Um den Delfinen auch in Zukunft ein sicheres Zuhause sichern zu können, müssen unsere Korallenriffe besser geschützt werden. Außerdem werden Delfine und Wale enorm durch den Unterwasserlärm, die Fischerei, die Tourismusbranche und die Plastikflut belastet. Diesen Problemen müssen wir uns entgegenstellen!
Schaut euch auch gerne unsere Buchempfehlung zu „Die Insel der Delfine“ an, falls ihr noch einen Lesetipp benötigt.
Mit Gesteinsmehl gegen den Klimawandel
Pressemittelung vom 15. Mai 2022, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Das Projekt OceanNETs erforscht in einem norwegischen Fjord Methoden zur Aufnahme von Kohlendioxid im Ozean
Das Ziel ist eindeutig: Im Übereinkommen von Paris hat die Weltgemeinschaft beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie unter 1,5° Celsius zu halten. Dies ist nur zu erreichen, wenn wir unsere Treibhausgas-Emissionen drastisch senken und Maßnahmen ergreifen, um Kohlendioxid (CO2) aktiv wieder aus der Atmosphäre zu entfernen – also „negative Emissionen“ zu erzeugen. Inwieweit der Ozean hierbei helfen kann und welche Risiken und Nebenwirkungen damit verbunden sein könnten, untersucht derzeit ein internationales 43-köpfiges Team von Forschenden unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einer Feldstudie südlich von Bergen.
Für das Langzeit-Experiment setzen die Forschenden die am GEOMAR entwickelten Mesokosmen ein, eine Art übergroßer Reagenzgläser mit 20 Metern Länge und einem Durchmesser von zwei Metern. In den abgeschlossenen Behältern wird der pH-Wert des Meerwassers durch die gezielte Zugabe von Mineralien erhöht. Diese so genannte Alkalinisierung wirkt nicht nur der Ozeanversauerung entgegen, sondern erhöht auch das Potential des Ozeans, CO2 zu binden. Regelmäßige Probennahmen und Messungen dokumentieren die chemischen und biologischen Veränderungen in den Mesokosmen über einen Zeitraum von etwa acht Wochen.
Das untersuchte Verfahren ist einem natürlichen Prozess nachempfunden: In der freien Natur sind Mineralien aus Gesteinen und Böden für die Alkalinität von Gewässern verantwortlich. Im Experiment werden gelöschter Kalk – stellvertretend für kalziumbasierte Mineralien – und Magnesium-Silikat – als Vertreter für siliziumhaltige Mineralien – zur Alkalinisierung genutzt, da sie frei von Unreinheiten regulärer Mineralien sind und sich zudem leichter im Wasser lösen. Das Experiment soll klären, wie effektiv hierdurch zusätzliches CO2 gebunden wird, welche der beiden Substanzen bessere Ergebnisse erzielt und vor allem, wie sich die Ozean-Alkalinisierung auf marine Lebensgemeinschaften auswirkt.
„Wir müssen an Wegen arbeiten, um dem Klimawandel aktiv zu begegnen. Das Problem wird immer drängender. Selbst wenn es uns gelingt, die CO2-Emissionen schnell und energisch zu reduzieren, wird es immer noch Treibhausgas-Emissionen geben, die wir nicht vermeiden können“, sagt Professor Dr. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Leiter der Studie. „Wir wollen mit unserer Forschung sichere und nachhaltige Lösungen entwickeln helfen, mittels derer sich Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen lässt. Dabei ist es besonders wichtig, negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt auszuschließen.“
Mesokosmen-Studien eignen sich besonders, um die Auswirkungen von Veränderungen im Meerwasser zu untersuchen, ohne dabei die Meeresumwelt zu beeinflussen. Durch die abgeschlossene Struktur der „Riesen-Reagenzgläser“ können die Bedingungen im enthaltenen Wasser kontrolliert verändert werden. Mesokosmen schließen natürliche Lebensgemeinschaften ein und sind während der Experimente den realen Umweltbedingungen ausgesetzt, so dass naturnahe Zustände simuliert werden können. Dies ist im Labor nicht möglich.
Neben den Wissenschaftler:innen vom GEOMAR sind auch Forschende der Universität Bergen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Universität Hamburg, der Universität von Las Palmas de Gran Canaria, des Alfred-Wegener Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung, des Bigelow Laboratory for Ocean Sciences, der University of Tasmania, der Southern Cross University, der University of Agder und der Technischen Universität Dänemark am Experiment beteiligt.
„Die Ergebnisse der Studie in Norwegen und eines vergleichbaren Experiments, das im Herbst 2021 auf Gran Canaria durchgeführt wurde, fließen in eine übergreifende Bewertung verschiedener ozean-basierter Maßnahmen zur aktiven CO2-Entnahme ein“, erklärt Dr. David Keller, Erdsystemmodellierer am GEOMAR und Koordinator des Projekts OceanNETs. „Dabei verfolgen wir einen transdisziplinären Ansatz, der neben naturwissenschaftlichen auch wirtschaftliche, rechtliche und soziale Aspekte berücksichtigt. Unsere Ergebnisse und Bewertungen sollen dazu beitragen, eine Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Maßnahmen zur aktiven CO2-Entfernung zu liefern. Welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, kann nur durch Abwägung aller Vor- und Nachteile und eingebunden in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zur Minderung des Klimawandels entschieden werden.“
Projektförderung und -koordination:
Neben dem Projekt OceanNETs, welches die Europäische Union im Rahmen des Horizon2020-Programms fördert, wird die Studie auf Bergen zusätzlich aus dem EU-Projekt AQUACOSM-plus co-finanziert. Das Projekt OceanNETs wird am GEOMAR von Dr. David Keller koordiniert.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss Deutschland bis 2035 CO₂ sein. Welche katastrophalen Auswirkungen der Klimawandel für unsere Meere hat, zeigt der IPCC-Sonderbericht.
NABU zum Tag des Ostseeschweinswals (15.5.): Beifänge unbedingt vermeiden
Pressemitteilung, 13.05.22, NABU
Krüger: Für ein Miteinander von Fischerei und Meeresnatur müssen sich Fangmethoden ändern
Berlin – Zum Internationalen Tag des Ostseeschweinswals am 15. Mai fordert der NABU mehr Engagement im Schutz von Deutschlands einzigem heimischen Wal. Stellnetze, in denen sie als Beifang landen, gelten neben Unterwasserlärm als größte Gefahr für Schweinswale. Der NABU beteiligt sich jetzt an einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Thünen-Institut für Ostseefischerei mit dem Ziel, ungewollte Beifänge von Schweinswalen und Seevögeln zu vermeiden und umweltschonende Fischerei belohnen.
In der zentralen Ostsee leben nur noch knapp 500 Schweinswale. Der kleine Meeressäuger ist hier vom Aussterben bedroht. Der Bestand in der westlichen Ostsee zählt noch bis zu 40.000 Tiere, gilt aber ebenfalls als gefährdet. Insbesondere der Beifang in Stellnetzen verhindert eine Erholung der Schweinswalbestände. Die Wale verfangen sich in den feinen Netzmaschen der teilweise kilometerlanger Stellnetze, weil sie diese trotz ihres Biosonars nicht erkennen können, und ertrinken qualvoll. „Die Zeit zum Handeln drängt. Die Europäische Kommission hat jüngst Notfallmaßnahmen mit räumlichen Fischereiverboten zum Schutz der Wale verhängt, auch an unserer Küste in der Pommerschen Bucht. Das ist gut, reicht aber noch nicht aus. Die Zukunft des Miteinanders von Meeresnatur und Fischerei liegt in einer technischen und operativen Neuausrichtung des Fischfangs“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Das Forschungsprojekt STELLA II (Stellnetz-Lösungsansätze) will dazu einen Beitrag leisten. Es untersucht, wie Stellnetze für Schweinswale besser „sichtbar“ werden. Gleichzeitig werden alternative Fanggeräte – Pontonreusen und Fischfallen – auf ihre Fängigkeit, Handhabbarkeit und Naturverträglichkeit erforscht. Dabei setzt das Projekt auf die intensive Zusammenarbeit mit der Fischerei. „Nur mit dem Wissen und der Akzeptanz der Fischerei für neue Wege der Fangtechnik und der Fangpraxis kann ein Neustart in schwierigen Zeiten sinkender Fischbestände und steigender Betriebskosten gelingen. Wichtig dabei, eine nachhaltige Fischerei muss sich auch wirtschaftlich lohnen. Ein schonend gefangener Fisch muss bessere Preise am Markt erzielen als konventionell erwirtschafteter. Auch hier möchten wir die Fischerei unterstützen und gemeinsam an innovativer Vermarktung arbeiten“, ergänzt NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff.
Jedes Jahr im Mai ruft ASCOBANS, das Abkommen zum Schutz von Kleinwalen unter dem Dach der Bonner Konvention zum Schutz wandernder Arten, zum Tag des Ostseeschweinswals auf. Europaweit machen Wissenschaft und Naturschutz auf die Situation und den notwendigen Schutz des kleinen Zahnwals aufmerksam.
Das Projekt STELLA II baut auf früheren Arbeiten des Thünen-Instituts und auch des NABU auf. Gefördert wird es durch Mittel des Bundesamtes für Naturschutz. Noch in diesem Jahr sollen die ersten innovativen Fanggeräte in der Ostsee eingesetzt werden.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Das Forschungsprojekt STELLA II untersucht, wie genau sich der Beifang des Ostseeschweinswals effektiv reduzieren könnte. Damit sich der Bestand langfristig erholen kann, fordert der NABU außerdem eine Ausweitung des Stellnetzverbots.
Wie und warum die Bundeswehr weitere Schutzmaßnahmen für die Schweinswale blockiert, könnt ihr auf unserem Politikblog nachlesen.
Die globale „Plastikflut“ erreicht die Arktis
Pressemitteilung, 05.04.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Das im Artikel resümierte Wissen zeichnet ein trübes Bild. Die Arktis ist zwar vergleichsweise dünn besiedelt, zeigt aber in allen Lebensräumen – von Stränden über die Wasseroberfläche und die Wassersäule bis hin zum Meeresgrund – ähnliche Verschmutzungsgrade mit Plastik wie dicht besiedelte Regionen der Welt. Die Verschmutzung speist sich dabei neben lokalen auch aus fernen Quellen. Insbesondere Ozeanströmungen aus dem Atlantik und der Nordsee und über die Beringstraße aus dem Nordpazifik tragen zum Zustrom bei. Auch die Luft trägt kleines Mikroplastik gen Norden. Dazu kommen die Flüsse. Der Arktische Ozean macht zwar nur rund 1 Prozent des Gesamtvolumens der Weltmeere aus, erhält aber mehr als 10 Prozent des globalen Wasserzustroms durch Flüsse, die unter anderem aus Sibirien Plastik ins Meer spülen. Wenn dann im Herbst vor der Küste Sibiriens Meerwasser gefriert, wird treibendes Mikroplastik in die Eismatrix eingeschlossen. Das Eis bewegt sich dann mit der Transpolaren Drift in die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, schmilzt dort im Sommer und gibt seine Plastikfracht wieder frei.
Zu den wichtigsten lokalen Quellen zählen Müll und Abwasser aus arktischen Siedlungen und Plastikmüll von Schiffen – vor allem im Bereich der Fischerei. Besonders die Netze und Seile sind dabei ein großes Problem. Diese werden von Fischern absichtlich im Meer entsorgt oder gehen versehentlich verloren. Daher stammt ein Großteil des Mülls im europäischen Teil der Arktis aus der Fischerei: An einem Strand auf Spitzbergen waren es laut einer AWI-Studie fast 100 Prozent der angeschwemmten Plastikmasse.
„Zu den Auswirkungen der Plastikflut speziell auf die arktischen Meeresorganismen existieren leider nur vergleichsweise wenige Studien“, erklärt Melanie Bergmann. „Viel spricht jedoch dafür, dass die Folgen ähnlich gravierend sind wie in besser untersuchten Regionen: Auch in der Arktis verheddern sich viele Tiere – Eisbären, Robben, Rentiere und Meeresvögel – im Plastik und sterben. Auch in der Arktis führt gefressenes Mikroplastik wahrscheinlich zu verringertem Wachstum und verringerter Fortpflanzung, zu physiologischem Stress und Entzündungsreaktionen im Gewebe von Meerestieren und durchfließt die Adern der Menschen.“
Besonders dünn ist die Datenlage in Bezug auf eventuelle Rückkopplungseffekte zwischen Plastikmüll und Klimawandel. „Hier gibt es dringenden Forschungsbedarf“, sagt die AWI-Expertin. „Denn erste Studien liefern Indizien dafür, dass eingeschlossenes Mikroplastik die Eigenschaften von Meereis und Schnee verändert.“ So könnten etwa viele dunkle Partikel im Eis dazu führen, dass es mehr Sonnenlicht absorbiert und dadurch schneller schmilzt. Das wiederum verstärkt über die sogenannte Eis-Albedo-Rückkopplung die globale Erhitzung. Außerdem bilden Plastikteilchen in der Atmosphäre Kondensationskerne für Wolken und Regen und könnten so das Wetter und langfristig das Klima beeinflussen. Und nicht zuletzt trägt Plastik über seinen gesamten Lebenszyklus derzeit mit 4,5 Prozent zum globalen Treibhausgasausstoß bei.
„Unsere Studie zeigt, dass die Plastikverschmutzung in der Arktis bereits ähnlich hoch ist, wie in anderen Regionen der Welt. Das passt zu Modellrechnungen, die in der Arktis eine weitere Anreicherungszone prognostiziert haben“, erklärt Melanie Bergmann. „Die Folgen sind hier aber vielleicht sogar noch ernster. Denn die Arktis erhitzt sich im Zuge des Klimawandels drei Mal schneller als der Rest der Welt. Die Plastikflut trifft also auf Ökosysteme, die ohnehin schon extrem belastet sind. Die im Februar auf der UN-Umweltkonferenz beschlossene Resolution für ein globales Plastikmüll-Abkommen ist ein wichtiger erster Schritt. Bei den Verhandlungen in den nächsten zwei Jahren müssen wirksame, rechtsverbindliche Maßnahmen festgeschrieben werden, die auch Minderungsziele in der Plastikproduktion beinhalten. Dabei ist Deutschland ebenso in der Pflicht, bezüglich der globalen Verbreitung sein Plastikaufkommen zu verringern, wie die reichen Arktis-Anrainerstaaten, die den Eintrag aus lokalen Quellen mindern und zum Beispiel das oft kaum vorhandene Müll- und Abwassermanagement ihrer Siedlungen verbessern müssen. Zudem sollten auch die internationale Schifffahrt in Bezug auf Müll und die Fischerei in Bezug auf die Fischernetze stärker reguliert und kontrolliert werden.“
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Die Plastikflut greift inzwischen in alle Bereiche unserer Ozeane. Nicht nur in der Arktis, sondern auch in der Tiefsee wurde bereits Plastik entdeckt. Mehr zur Plastikverschmutzung und was ihr dagegen tun könnt, findet ihr bei unserer Blue Straw Kampagne.
Sanktionen stoppen Forschungsprojekte mit russischen Partnern
Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland sorgen nicht nur in der Zivilbevölkerung für massive Einschränkungen und Ängste, auch die Wissenschaft ist von der Situation betroffen. Da viele Forschungsprojekte international operieren, und demnach auch russische Universitäten und Institutionen beteiligt sind, müssen diese nun unterbrochen werden.
Auch das Alfred-Wegener-Institut kann sein Langzeitprojekt über das Abschmelzen des Permafrosts in Sibirien aktuell nicht fortsetzen. Beobachtungsreihen, die wichtige Erkenntnisse über die Folgen der Klimakrise in der sibirischen Arktis bringen, müssen ausgesetzt werden. AWI-Direktorin Antje Boetius bedauert das Aussetzen des Projekts, denn besonders bei Klima- und Umweltdaten ist eine internationale Zusammenarbeit besonders wichtig, da die Klimakrise vor keiner Grenze halt macht. Neben der Polar- und Klimaforschung müssen auch in anderen Bereichen, vor allem in der Raumfahrt, Projekte unterbrochen oder gestoppt werden.
Durch bestimmte Regelungen des deutschen Forschungsministeriums und dem Auswärtigen Amt dürfen allerdings einzelne Forschungsprojekte fortgesetzt, und Publikationen mit russischer Beteiligung veröffentlicht werden. Antje Boetius begrüßt dies, denn „der Boykott richtet sich gegen das Regime und seine Institutionen, nicht gegen die Zivilgesellschaft und damit auch nicht gegen russische Forschende.“
Den zugehörigen Artikel „Sanktionen stoppen Forschungsprojekte mit russischen Partnern“ vom 22.03.2022 findet ihr bei DerStandard.
Ein großes Projekt des AWI, die Mosaic-Expedition in der Arktis, ist inzwischen abgeschlossen. Mehr darüber erfahrt ihr in unserem Forschungsblog.
Üppige Schwammgärten auf Untersee-Bergen in der arktischen Tiefsee entdeckt
In den Tiefen der Meere ist das Leben für Organismen geprägt von vielen limitierenden Faktoren. Sowohl die Suche nach passenden Partnern, als auch die Gefahr möglicher Fressfeinde spielt eine große Rolle, aber vor allem passende Nahrungsquellen beeinflussen das Leben maßgeblich. Das Nordpolarmeer ist während des größten Teils des Jahres von Eis bedeckt, was dazu führt, dass Nahrungsquellen oft sehr spärlich zur Verfügung stehen. Eine wichtige Rolle als Nährstofflieferant spielen in diesen Regionen meist vulkanisch aktive Bereiche wie beispielsweise Unterwassergebirge.
Eine Forschungsgruppe um Antje Boetius vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie berichtet in einer aktuellen Studie von einem bisher unbekannten, einzigartigen Ökosystem in der Arktis. Die Forscher:innen fanden überraschenderweise ein massenhaftes Auftreten von mit Bakterien assoziierten Schwämmen auf einem lange erloschenen, vulkanischen Untersee-Berg des Langseth-Rückens (87°N, 61°O). Dieser Fund ist besonders, da die vulkanische Aktivität seit tausenden von Jahren erloschen und damit als Nährstofflieferant für die meisten Organismen nicht mehr nutzbar zu sein scheint. Durch unterschiedliche Untersuchungsmethoden fanden Antje Boetius und ihre Kolleg:innen heraus, dass die große Biomasse an Schwämmen sich wahrscheinlich vor allem dank der Hilfe autotropher (sich eigenständig ernährender) Symbionten von den organischen Überresten der einstigen Bewohner ernähren. Dieser Hotspot an Biomasse in diesem vermeintlich lebensfeindlichen Bereich zeigt erneut, wie wichtig die Erforschung verschiedenster mariner Ökosysteme ist, um die einzigartige Diversität der arktischen Region zu verstehen und schützen zu können.
Die zugehörige Pressemitteilung „Üppige Schwammgärten auf Untersee-Bergen in der arktischen Tiefsee entdeckt“ vom 08.02.2022 findet ihr beim Alfred-Wegner-Institut.
Die Original-Publikation “Giant sponge grounds of Central Arctic seamounts are associated with extinct seep life” findet ihr bei Nature Communications.