Klima
Meeresschutz ist Klimaschutz.
COP27: Fonds für Klimaschäden gibt Hoffnung – 1,5-Grad-Limit gefährdet
Pressemitteilung, 20.11.22, BUND
Dresden/Sharm el Sheik. Als äußerst ernüchternd bewertet Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Ergebnis der 27. Weltklimakonferenz. „Wie eine Schneelawine nimmt die Klimakrise dramatisch an Fahrt auf. Die Weltgemeinschaft hat in Ägypten viel geredet, aber nur halbherzig agiert. So wird das 1,5-Grad-Limit schnell überschritten. Viele Teile der Erde werden unbewohnbar.“
Gleichzeitig liegt mit dieser COP nun zum ersten Mal nach 30 Jahren ein Ergebnis zu einem Fonds für die Finanzierung des Ausgleichs bleibender Schäden und Verluste durch die Klimakrise vor. Das ist ein Durchbruch. Hitzige Debatten dauerten bis in die Morgenstunden an. Dieser Fonds muss jetzt aber gefüllt werden. Und auch die Klimafinanzierung ist noch nicht zufriedenstellend und langfristig gesichert. „Nur, weil die Länder des globalen Südens mit der Unterstützung der Zivilgesellschaft bis zum Schluss am Thema Klimaschäden festgehalten haben, konnte ein Teilerfolg errungen werden“, so von Broock.
Die großen Industriestaaten haben auf der COP weiter versucht, ihre historische Verantwortung für die Klimakrise abzuwälzen und Gerechtigkeitsaspekte der UN-Konvention zu verleugnen. „Es ist äußerst beunruhigend, dass es kein eindeutiges Bekenntnis zu einem gerechten 1,5-Grad-Pfad und zu dem Ende aller Fossilen gibt. Die EU stellt sich als Klimaretter dar, während auch Deutschland munter weiter in fossile Infrastrukturen weltweit investiert und sich nicht auf einem 1,5-Grad-Pfad befindet“, sagt von Broock.
Die Ergebnisse der Weltklimakonferenz beinhalten nach hitziger Debatte kein Ende der fossilen Brennstoffe. Für das Einhalten des 1,5-Grad-Ziels braucht es jedoch ein sofortiges Bekenntnis zum Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen – Kohle, Öl und Gas. Der deutsche Import von Kohle aus Kolumbien muss aufhören. Unser Hunger nach Fossilen zerstört dort einen Biodiversitäts-Hotspot. „Die verstärkte Nachfrage Deutschlands nach kolumbianischer Kohle führt zu massiven Naturzerstörungen. In der Zwischenzeit leiden die Gemeinden in Kolumbien auch unter den schädlichen Auswirkungen des Kohleabbaus. Wir rufen die deutsche Gesellschaft auf, von ihrer Regierung echte Verpflichtungen zur Bewältigung der Krise und zur Verwirklichung der Klimagerechtigkeit einzufordern“, sagt Tatiana Roa von CENSAT, Friends of the Earth Kolumbien.
Mit großer Besorgnis sehen der BUND und die BUNDjugend die Menschenrechtslage in Ägypten. „Auf dieser Klimakonferenz ist vieles nicht so gelaufen, wie wir es uns gewünscht hätten“, erklärt Karola Knuth, vom Bundesvorstand der BUNDjugend. Mit Blick auf die Menschenrechtslage vor Ort ergänzt die Jugendvertreterin: „Für die veranstaltende Regierung des autokratischen Staates Ägypten ist aber auch nicht alles gelaufen wie geplant. Und das liegt an den vielen Aktivisti, die das Thema der Menschenrechtsverletzungen in Ägypten jeden einzelnen Tag auf der Konferenz angesprochen haben. Es kann keine Klimagerechtigkeit geben ohne Menschenrechte! Es kann keine ökologische Gerechtigkeit ohne soziale Gerechtigkeit geben. Der Kampf um nichts weniger als die Zukunft der Menschheit ist ein Menschenrecht.“
Weitere Informationen:
- Die UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten
- Der BUND ist Teil von Friends of the Earth International. Auf BUND.net finden Sie ein Interview mit mit Ubrei-Joe Maimoni Mariere, Mitglied der BUND-Partnerorganisation Friends of the Earth Africa und Koordinator des „Climate Justice and Energy Programme“ . Er hat die „African People’s Counter COP“ mitorganisiert, um die Perspektive der afrikanischen Zivilgesellschaft sichtbar zu machen und ist Teil der „Don’t Gas Africa“ Kampagne, die sich gegen einen Ausbau der Gasförderung auf dem afrikanischen Kontinent ausspricht. Das Interview in Deutsch und Englisch ist online zu finden.
- Der BUND unterstützt eine Petition von International Service for Human Rights (ISHR) zur sofortigen Freilassung von Alaa Adb El Fattah – #FreeAlaa #FreeThemAll
Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.
Nicht nur international, auch auf EU-Ebene werden viele fragwürdige Entscheidungen getroffen. Auf unserem Politikblog könnt ihr mehr darüber erfahren, wie die EU-Kommission plant, bestehendes EU-Naturschutzrecht für den Ausbau Erneuerbarer Energien und deren Infrastruktur durch eine Notverordnung weitgehend auszuhebeln.
Auf die Kleinen achten: Auswirkung der Eisbedeckung auf winzige Meerestiere
Gemeinsame Pressemitteilung, 17.11.22, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Universität Rostock
Erstmals vergleichende Studie zu kleinsten und mittleren Bodentieren in der Antarktis veröffentlicht
Wissenschaftlerinnen von der Universität Rostock und Senckenberg am Meer haben erstmals untersucht, wie sich Gemeinschaften von Meiofauna und Makrofauna unter verschiedenen Umweltbedingungen im Südpolarmeer zusammensetzen. Sie zeigen in ihrer im Fachjournal „Marine Ecology Progress Series“ veröffentlichten Studie, dass sich eine unterschiedliche Meereisbedeckung zwar auf alle Organismengruppen am Meeresboden auswirkt – die kleineren Tiere der Meiofauna aber deutlich stärker beeinflusst sind. Für zukünftige Bewertungen des Einflusses von Umwelt- und Klimaveränderungen auf die Ökosysteme des Antarktischen Ozeans sollten diese Organismen daher stärker berücksichtigt werden, so das Forscherinnen-Team.
Die kollabierten und schrumpfenden riesigen Larsen-Eisschelfe und ein antarktisches Meereis, das die geringste Ausdehnung seit Beginn der Messungen im Jahr 1979 hat – die Folgen des Klimawandels sind am Südpol bereits deutlich sichtbar. „Uns hat interessiert, wie sich eine unterschiedliche Meereisbedeckung in der Antarktis auf die Lebewesen am Meeresboden auswirkt – auch vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung und als Beitrag zur Planung von zukünftigen Schutzgebieten. Hierfür haben wir erstmalig die Gemeinschaften von Organismen der Meiofauna und der Makrofauna in verschiedenen Regionen des Südozeans miteinander verglichen“, erklärt Friederike Säring, Erstautorin der Studie und Doktorandin an der Universität Rostock.
In ihrer großangelegten Studie werteten die Wissenschaftlerinnen 585.825 Individuen aus der Meiofauna – zwischen 32 und 500 Mikrometer große Tiere, wie Fadenwürmer, Ruderfußkrebse oder Bärtierchen – sowie 3.974 Tiere aus der Gruppe der Makrofauna – über 500 Mikrometer große Meeresbewohner, wie Ringelwürmer, Muscheln oder Asseln, aus. „Die Einflüsse der Umwelt auf verschiedene Gruppen von Bodentieren zu untersuchen war nur möglich, weil wir die Expertisen von Universität Rostock und Senckenberg am Meer bündeln konnten“, so Dr. Heike Link, die Initiatorin der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG im Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung“ geförderten Studie. Die Sediment- und Wasserproben stammen von fünf geographisch und ökologisch unterschiedlichen Regionen, die im Rahmen zweier Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern in Tiefen von 222 bis 757 Metern gesammelt wurden.
„Die ausgewählten Beprobungsareale unterscheiden sich in der Bedeckung des Meereises: in der Drake-Passage gibt es beispielsweise kein Meereis, im nordwestlichen Weddellmeer ist die Bedeckung saisonal und im nördlichen Teil des Filchnergrabens ganzjährig und konstant“, erläutert Dr. Gritta Veit-Köhler von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven und fährt fort: „In Gebieten mit einer konstanten Eisbedeckung und wenig Schmelze gelangen die im Eis lebenden Mikroalgen nicht zum Meeresboden und es bildet sich keine Algenblüte im Wasser – dadurch fehlt es an Nahrung für die Organismen am Boden. Wenn es dagegen kein oder nur sehr wenig Meereis gibt, kann sich zwar im freien Wasser ein ‚Phytoplanktonbloom‘ ausbilden, aber das ‚Zusatzangebot‘ der Eisalgen fehlt. Auch hier müssen die Tiere mit weniger Nahrung auskommen.“
Die meisten Tiere beider Größenklassen fand das Forscherinnen-Team in Regionen, in denen sich die Eisdecke regelmäßig öffnet und schließt: Dort fallen Eisalgen zum Meeresboden und Süßwasser, das aus dem schmelzenden Meereis frei wird, führt zu einer stabilen Schichtung der Wassersäule und einer Begünstigung von Algenblüten im freien Wasser. „In solchen Gebieten finden wir aufgrund des guten Nahrungsangebots insgesamt die meisten Tiere – es gibt jedoch deutliche Unterschiede bei der Meio- und Makrofauna. Die kleineren Organismen der Meiofauna sind abhängig von der Meereisbedeckung im Vorjahressommer, aber auch von der Anwesenheit des Eises gemittelt über die letzten neun Jahre vor unserer Probennahme. Die Makrofauna ist dagegen – so die Ergebnisse unserer Analyse – nur signifikant abhängig vom Meereis des Vorjahressommers“, so Säring.
Die Forscherinnen empfehlen daher, die Meiofauna in zukünftige Bewertungen des Einflusses von Umweltveränderungen auf die Ökosysteme des Südlichen Ozeans stärker einzubeziehen. „Um den Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf die antarktischen Lebensgemeinschaften verlässlich vorhersagen zu können, müssen wir auch auf die Kleinsten achten“, resümiert Veit-Köhler.
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Was es mit dem antarktischen Meereis-Paradoxon auf sich hat, und wie sich die Eisbedeckung in der Arktis aufgrund der Klimakrise verändert, erfahrt ihr in unserem Klima– und Forschungsblog.
NABU: Die Wasserstoff-Farblehre
Pressemitteilung, 07.11.22, NABU
Nur grüner Wasserstoff bietet echtes Zukunftspotenzial
Berlin – Wasserstoff wird häufig als der Energieträger der Zukunft bezeichnet. Die Herstellung von Wasserstoff verbraucht viel Energie, deshalb wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Grundvoraussetzung einer klimafreundlichen Produktion des Energieträgers. Wasserstoff ist also nicht gleich Wasserstoff. Abhängig vom Herstellungsprozess werden verschiedene Wasserstoffarten unterschieden. Welche Ressourcen welche Prozesse angewendet werden, zeigt folgender Überblick:
- Grauer Wasserstoff wird aus fossilen, also kohlenstoffhaltigen, Brennstoffen und Wasser in mehreren Prozessschritten (Endgasreformierung) gewonnen. Dabei entsteht als Abfallprodukt CO₂, das direkt in die Atmosphäre abgegeben wird.
- Blauer Wasserstoff wird aus fossilen, also kohlenstoffhaltigen, Brennstoffen und Wasser in mehreren Prozessschritten (Endgasreformierung) gewonnen, wobei das produzierte CO₂ abgeschieden wird (mittels Carbon-Capture-Technologien).
- Türkiser Wasserstoff wird aus Erdgas mittels thermischer Verfahren gewonnen. Dabei wird das Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten.
- Gelber Wasserstoff wird aus Wasser mittels Elektrolyse gewonnen. Der dafür benötigte Strom besteht aus einer Mischung aus konventionellen und erneuerbaren Energiequellen.
- Grüner Wasserstoff wird aus Wasser mittels Elektrolyse gewonnen. Der dafür benötigte Strom stammt aus erneuerbaren Energiequellen.
Eine Studie der Forschungsstelle FFE im Auftrag des NABU hat die Bedingungen für eine ökologische und sozial verträgliche Entwicklung von Wasserstofftechnologien untersucht.
Wirklich nachhaltig ist nur der sogenannte grüne Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien gewonnen wird. Doch steht dieser derzeit weder im In- noch im Ausland unbegrenzt zur Verfügung. Einen temporären Einsatz von blauem Wasserstoff zur Überbrückung hält der NABU nur unter bestimmten Bedingungen für einen gangbaren Weg. Der Übergang muss in einem transdisziplinären Prozess unter Beteiligung von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und organisierter Zivilgesellschaft gestaltet und begleitet werden.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
Neben grünem Wasserstoff wird auch grüner Ammoniak und Methanol als emissionsfreier Treibstoff für die Schifffahrt diskutiert. Mehr dazu findet ihr in unserem Klimablog.
Die Zukunft der Artenvielfalt im Meer unter globaler Erwärmung
Pressemitteilung, 11.10.2022, MARUM
Neue Studie zeigt, wie Planktongemeinschaften gewandert sind und sich seit der letzten Eiszeit gewandelt haben
Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat die Artenvielfalt der Erde bereits stark beeinflusst. Der Lebensraum vieler Arten – auch in den Ozeanen – verschwindet, invasive Arten erobern neue Regionen. In einer umfassenden Datenauswertung hat ein Team von Forschenden aus Bremen und Oldenburg untersucht, wie sich die Artengemeinschaften im Nordatlantik über einen Zeitraum von 24.000 Jahren – seit der letzten Eiszeit – verändert haben. Erwartungsgemäß sind Arten nach Norden migriert, aber es haben sich auch neue Gemeinschaften gebildet – und zwar auch, nachdem sich die Temperaturen stabilisiert haben. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.
Korallenriffe leiden unter ozeanischen Hitzewellen, atlantische Arten treten vermehrt in der Arktis auf. Wie wird sich die Artenvielfalt bei anhaltender Erwärmung der Ozeane weiterentwickeln? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn das Leben hat eine Geheimwaffe im Schrank: die Evolution. Mit ihrer Hilfe können sich Arten auf neue Bedingungen anpassen. Evolution wirkt über Jahrhunderte und Jahrtausende und lässt sich daher in Laborexperimenten schwer erfassen. Mithilfe von Fossilien können Forschende einen Blick in die Vergangenheit werfen und so herausfinden, wie sich die Artenvielfalt während vergleichbarer Klimaveränderung in der Vergangenheit verändert hat. Forschende des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen sowie des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg (ICBM) haben dafür das Vorkommen von fossilen Planktonarten im Atlantischen Ozean nach der letzten Eiszeit untersucht. Sie fanden heraus, dass mit anhaltender Erwärmung der Ozeane viele Arten zuerst wie erwartet vermehrt in höhere Breiten gewandert sind. Überraschenderweise stellten sie aber fest, dass sich dabei auch neue Artengemeinschaften gebildet haben, und dass die Veränderung der Gemeinschaften nicht vollständig mit der Erwärmung der Ozeane einherging.
Für ihre Studie haben Anne Strack, Dr. Lukas Jonkers und Prof. Michal Kucera vom MARUM an der Universität Bremen sowie Dr. Marina C. Rillo und Prof. Helmut Hillebrand vom ICBM der Universität Oldenburg einen großen Datensatz über die Artenzusammensetzung von fossilen planktonischen Foraminiferen in 25 Sedimentkernen des Nordatlantiks von der letzten Eiszeit vor 24.000 Jahren bis in die heutige Warmzeit untersucht. So konnten die Forschenden genau nachverfolgen, wie sich die Artenzusammensetzung mit Beginn der letzten starken Erderwärmung in der Erdgeschichte, nach der letzten Eiszeit, im gesamten Nordatlantik verändert hat. Dabei entdeckte das Team unerwartete Muster. „Wir waren verblüfft, als wir merkten, dass sich die Artenzusammensetzung des Planktons noch lange weiter änderte, nachdem sich die Temperatur in der heutigen Warmzeit wieder stabilisiert hatte“, erklärt Erstautor:in Anne Strack.
„Es ist schon lange bekannt, dass sich Artengemeinschaften ändern, wenn sich deren Umgebung ändert. Steigt etwa die Meerestemperatur im Ozean, wandern Arten in höhere Breiten ab. Dieses Abwandern können wir auch in unseren Daten des Nordatlantiks beobachten. Das Erstaunliche ist aber, dass die „einheimischen“ Arten nicht gleich schnell abgewandert sind“, erklärt Anne Strack. Diese Asymmetrie zwischen Ein- und Auswanderung führte vor allem in den mittleren Breiten zur Bildung neuartiger Artengemeinschaften, die es so in der Eiszeit nirgends auf der Erde gab. „Noch erstaunlicher: Diese neu zusammengewürfelten Gemeinschaften waren kein flüchtiges Phänomen, sondern sie bleiben über mehrere tausend Jahre bestehen“, ergänzt Prof. Michal Kucera.
Somit liefern die Ergebnisse der Studie wichtige Hinweise für das Schicksal mariner Ökosysteme unter andauernder Erwärmung der Ozeane. Sie unterstützen Computer-Simulationen, die darauf hindeuten, dass auch die prognostizierte künftige Erwärmung zur Bildung neuer Artengemeinschaften führen wird. Etabliert sich eine neuartige Planktongemeinschaft, wirkt sich das auf wichtige Ökosystemfunktionen durch neue direkte oder indirekte ökologische Interaktionen aus. „Diese Studie trägt auch dazu bei, wie wir den heutigen rapiden Biodiversitätswandel verstehen, denn sie zeigt uns, dass wir erst weit in der Zukunft die Reaktion des Lebens im Meer auf heutige Umweltveränderungen sehen werden“, sagt Prof. Helmut Hillebrand.
Die Studie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Meeresgeolog:innen und Paläontolog:innen aus der Universität Bremen und Ökolog:innen aus der Universität Oldenburg im Rahmen des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Klimaschutz ist, genauso wie der Erhalt der Artenvielfalt, von zentraler Bedeutung für die Zukunft unseres Planeten. Mehr darüber könnt ihr auf unserem Klimablog nachlesen.
Auf dem Bild seht ihr kleine, planktonische Foraminiferen, die Onno Groß, der Gründer von DEEPWAVE, jahrelang intensiv erforscht hat.
Arktischer Ozean künftig auch im Sommer versauert
Pressemitteilung, 05.10.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Eine neue Studie geht davon aus, dass der Klimawandel die saisonale Versauerung des Arktischen Ozeans verschieben und intensivieren könnte, mit Folgen für das Ökosystem
Die Meere unseres Planeten haben über die vergangenen 200 Jahre mehr als ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre aufgenommen. Das hat dazu geführt, dass sie seit Beginn der industriellen Revolution um fast 30 Prozent saurer geworden sind. Der pH-Wert des Wassers ist dabei nicht immer gleich, er schwankt je nach Jahreszeit und Region. Die niedrigsten Werte treten natürlicherweise im Winter auf. Das könnte sich aber ändern, denn mit dem Klimawandel kann sich dieser Wert in den Sommer verlagern, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts nun zeigen konnte. Mit weitreichenden Folgen für das Leben im Ozean, wie sie in der Fachzeitschrift Nature beschreiben.
Im Sommer ist die biologische Aktivität von Meereslebewesen am größten, denn in der Regel herrschen hier optimale Bedingungen für Leben, Nahrung und Fortpflanzung. Der Klimawandel bedroht jedoch diese Ausgangslage, denn er verschiebt den Zeitpunkt des niedrigsten pH vom Winter in den Sommer, wie Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie des französischen Labors für Klima- und Umweltwissenschaften (CEA), LOCEAN – Laboratorium für Ozeanographie und Klimaforschung und des Instituts Pierre-Simon Laplace (IPSL) nun herausfanden. In einer aktuellen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Versauerung im Sommer noch in diesem Jahrhundert um etwa ein Viertel verstärken könnte. Einige Organismen des Arktischen Ozeans würden diese Veränderung deutlich spüren und wären weniger tolerant gegenüber einer verstärkten Erwärmung im Sommer.
Verursacht wird diese saisonale Verschiebung durch den verstärkten Anstieg des CO2 im erwärmten Wasser. Im Sommer steigen die Lufttemperaturen in der Arktis, mehr Meereis schmilzt und die arktischen Oberflächengewässer erwärmen sich. Diese Erwärmung wird im Sommer so stark, dass die Versauerung des Meerwassers viel stärker zunimmt und nicht mehr durch die Photosynthese von Algen im Ozean ausgeglichen wird. „Diese Ergebnisse verschlechtern die Aussichten für einige arktische Fische wie den Polardorsch, die bereits durch den Klimawandel bedroht sind“, sagt Mitautor Hans-Otto Pörtner, Biologe und Klimaforscher am AWI. „Die erwarteten Höchsttemperaturen bringen arktische Lebewesen an ihre thermischen Grenzen und überschreiten diese sogar, dies gilt besonders für ihre empfindlichen Lebensstadien.“ Hauptautor James Orr vom LSCE und IPSL ergänzt: „Wer hätte gedacht, dass der Klimawandel die maximale Versauerung um sechs Monate verschieben könnte, während Studien über saisonale biologische Rhythmen Verschiebungen von nur etwa einem Monat ergeben haben.“ „Das Faszinierende an dieser Studie ist, dass die chemischen Winter tatsächlich zu chemischen Sommern werden“, sagt Lester Kwiatkowski, Mitautor vom LOCEAN und IPSL.
In ihrer Studie haben die Forschenden Simulationen von 27 Erdsystemmodellen analysiert und zukünftige Klimaszenarien erarbeitet. Dabei haben sie zum ersten Mal das Potenzial für saisonale Verschiebungen der Versauerung bewertet, mit allen Variablen, die damit zusammenhängen. Denn die Versauerung wird nicht nur durch einen einzelnen Faktor bestimmt, sondern durch ein empfindliches Zusammenspiel von physikalischen und biologischen Prozessen, beeinflusst von der stärkeren Erwärmung der Oberflächengewässer im Sommer. Diese Veränderungen waren größer in den Szenarien mit mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen und deutlich geringer bei niedrigen Emissionen. Für die Forschenden ein Hoffnungsschimmer, dass Schlüsselelemente des Ökosystems des Arktischen Ozeans erhalten werden können, wenn die durchschnittliche globale Erwärmung unter 2 °C gehalten werden kann.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.
Die Ozeanversauerung betrifft nicht nur die Polarmeere, sondern auch Organismen wie Kalkalgen oder Seeigel. Mehr zu der Lage der Eismeere findet ihr in unserem Forschungs- oder Klimablog.
Versauernder Meereisverlust
Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane – angetrieben durch die Klimakrise – verstärken sich gegenseitig. Unsere Meere nehmen große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre auf, wodurch ihr pH-Wert sinkt und sie „sauer“ werden. Das schadet vielen Meeresbewohnern, besonders denen mit Strukturen aus Kalzium-Verbindungen. Forscher:innen haben kürzlich im arktischen Ozean entdeckt, dass durch den starken Meereisverlust zunehmend Wasser freigelegt wird, dass das atmosphärische CO2 besonders gut aufnehmen kann. Mit Daten aus Wasseranalysen von 1994 und 2020 konnte ein drei- bis viermal höherer Versauerungs-Trend im westlichen Arktischen Ozean festgestellt werden – zurückzuführen auf den zunehmenden Meereisverlust in dieser Region. Wenn dieser weiter fortschreitet, könnte sich auch die Versauerung zunehmend verstärken. Die prognostizierten eisfreien Sommer in der Arktis bis zum Jahr 2050 oder vielleicht sogar bereits bis 2030 haben somit weitreichendere Auswirkungen auf das arktische Ökosystem, als bisher angenommen.
Den zugehörigen Artikel „Versauernder Meereisverlust“ von Martin Vieweg vom 30.09.2022 findet ihr bei wissenschaft.de.
Die Originalpublikation „Climate change drives rapid decadal acidification in the Arctic Ocean from 1994 to 2020“ findet ihr bei Science.
Wie stark die Meeresbewohner von der Ozeanversauerung beeinflusst werden und ob sie sich anpassen können, muss noch weitestgehend erforscht werden. Ein Langzeit-Experiment mit Kalkalgen hat gezeigt, dass ihre evolutionäre Anpassung an die Ozeanversauerung nur eingeschränkt möglich ist.
Tang trägt Tiere von Küste zu Küste
Millionen Flöße aus Seetang treiben von Küste zu Küste des Südlichen Ozeans. Dabei tragen sie Seesterne, Asseln, Krustentiere, Gliederfüßer, Weichtiere und Würmer mit sich – riesige Mengen an Biomasse werden transportiert. Dadurch können sich die Organismen in neuen Regionen ansiedeln, wie ein internationales Forschungsteam der University of Otago nun herausgefunden hat. Durch den starken Zirkumpolarstrom kann der Seetang dabei sogar die schwer überwindbaren Barrieren der Antarktis bezwingen. Dieser Ferntransport könnte dem Aussterben einiger Arten durch sich verändernde Klimabedingungen entgegentreten. Mithilfe der Seetang-Flöße können marine Arten vor dem Klimawandel fliehen, wenn ihr ursprüngliches Habitat für sie unbewohnbar wird. So wird generell erwartet, dass sich die Lebensräume der Meeres- und Küstenbewohner weiter in Richtung der Pole verschieben.
Zwar bietet dieser Transportweg eine Fluchtmöglichkeit für bedrohte Arten, jedoch können sogenannte Neobiota (auch bekannt als invasive Arten) ökologische Gefahren mit sich bringen. Diesem Thema bedarf es also noch weiterer Beobachtung und Forschung.
Den Artikel „Tang trägt Tiere von Küste zu Küste“ von Wiebke Pfohl vom 09.06.2022 findet ihr bei Spektrum.
Lehren aus der Vergangenheit: Wie Kaltwasserkorallen auf globale Erwärmung reagieren
Pressemitteilung, 07. Juni 2022, MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Kaltwasserkorallen und hier insbesondere die Art Lophelia pertusa sind Architekten komplexer Riffstrukturen. Sie bilden die Grundlage für wichtige Lebensräume von Tiefseeorganismen, die in diesen Strukturen Schutz, aber auch Nahrung finden. Allerdings reagieren Korallenriffe auch sensibel auf sich ändernde Lebensbedingungen. Dazu gehören etwa die Erwärmung der Ozeane, die Versauerung, der abnehmende Sauerstoffgehalt und auch der variierende Nährstoffzufluss. Ändert sich einer dieser Parameter, zum Beispiel durch den globalen Klimawandel, kann sich das auf die Gesundheit des gesamten Korallenriffs auswirken. Zu verstehen, wie genau diese Ökosysteme auf Umweltveränderungen reagieren, ist daher laut der aktuellen Studie wichtig, um sie künftig besser schützen zu können.
Um die kritischsten Parameter identifizieren zu können, die das Aussterben und Wiederansiedeln von Kaltwasserkorallen auslösen können, haben Erstautor Rodrigo da Costa Portilho-Ramos vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und seine Kolleg:innen Sedimente von sechs Kaltwasserkorallen-Standorten im Nordatlantik und im Mittelmeer untersucht. In solchen Sedimenten sind vergangene Umweltbedingungen gespeichert. Sie ermöglichen es Forschenden herauszufinden, wann und warum sich Kaltwasserkorallen vermehrt haben und wann nicht. Die Ergebnisse, betonten die Autor:innen, würden auch zeigen, wie die Korallen auf künftige klimatische Veränderungen reagieren könnten. Die Studie analysiert Veränderungen der wichtigsten Umweltfaktoren über die vergangenen 20.000 Jahre, den Zeitraum der letzten großen globalen Erwärmung nach der letzten Eiszeit, und vergleicht diese mit dem Auftreten von Kaltwasserkorallen.
„Wir haben in die Vergangenheit geblickt, um zu verstehen, wie Lophelia pertusa auf Umweltveränderungen reagiert hat“, fasst Portilho-Ramos zusammen. Die Korallen verschwanden oder kehrten in eine Region meistens dann zurück, wenn sich das Nahrungsangebot für die Korallen oder der Sauerstoffgehalt des Wassers verändert hat. Kaltwasserkorallen ernähren sich von mikroskopisch kleinem Plankton und Partikeln, die mit der Meeresströmung transportiert werden. Wenig Einfluss auf das Absterben und die Vermehrung von Kaltwasserkorallen hatten die Temperatur und der Salzgehalt des Wassers. „Darum gehen wir davon aus, dass vor allem Nahrungszufuhr und die Verfügbarkeit von Sauerstoff die entscheidenden Faktoren sein werden, wenn es um Leben und Tod von Kaltwasserkorallen geht“, betont Portilho-Ramos. Unklar ist, wie sich die Ozeanversauerung langfristig auswirkt, da es dazu keine paläozeanographischen Daten gibt.
Als Ökosystem-Ingenieure tragen die Kaltwasserkorallen maßgeblich zur Entstehung von Biodiversitäts-Hotspots in der Tiefsee bei. Mit ihrem Einfluss auf Nahrungsnetze und Nährstoffkreisläufe, mit ihrer Rolle als Fisch-Kindergärten und mit einer beeindruckenden Biodiversität liefern Kaltwasserkorallen-Riffe wichtige Ökosystem-Leistungen. Um diese auch in Zeiten des Klimawandels in der Zukunft erhalten zu können, bilden die Ergebnisse dieser Studie eine wichtige Grundlage, um wissensbasierte Managementstrategien für solche Tiefsee-Ökosysteme zu entwickeln. Damit trägt sie auch maßgeblich zu den Zielen des Bremer Exzellenclusters bei, dass sich der Erforschung des Ozeanbodens widmet.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Weitere Informationen zu Kaltwasserkorallenriffen und die Auswirkungen der Klimakrise, findet ihr in unserem Forschungs- und Klimablog.
Der Südozean, wie man ihn noch nie gesehen hat
Pressemitteilung, 07.06.2022, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Die Beschaffenheit des Ozeanbodens entscheidet mit darüber, wie sich Wassermassen und Strömungen in den Meeren bewegen und unser Klima beeinflussen. Auch die Lebensvielfalt im Meer ist beeinflusst von Meeresbodenstrukturen. Deshalb sind möglichst genaue Informationen zur Bodentopografie für meeres- und klimawissenschaftliche Forschung unabdingbar. Mit der zweiten Version der International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO v2) hat eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts die bislang beste und detailreichste Bodenkarte des Südlichen Ozeans vorgestellt, der im System Erde eine Schlüsselrolle spielt. Die Karte und die komplexe Entwicklungsmethodik wurden im Nature-Fachmagazin Scientific Data veröffentlicht.
Rund um den antarktischen Kontinent erstreckt sich mit dem Südozean eine Schlüsselregion für das System Erde und das Weltklima. Der von starken Westwinden – den berühmten „Roaring Fourties“ – angetriebene Antarktische Zirkumpolarstrom ist hier das zentrale verbindende Element der weltumspannenden thermohalinen Zirkulation und beeinflusst so die Meeresströmungen in Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean. Zudem nimmt das kalte Wasser des Südlichen Ozeans gigantische Mengen an CO2 und Wärme aus der Atmosphäre auf und puffert so vorübergehend einen Teil der negativen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels ab. Darüber hinaus ist er ein Ort hoher biologischer Produktivität und beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt.
Trotz dieser großen Bedeutung sind im Südozean – wie in anderen Ozeanen auch – bislang nur vergleichsweise wenige Regionen des Meeresbodens detailliert vermessen und kartiert. Satellitendaten liefern zwar ein flächendeckendes, aber nur relativ grob aufgelöstes Bild. Hochauflösende Daten können derzeit nur schiffsbasiert aufgezeichnet werden. Dies führt unter anderem dazu, dass Forschungsschiffe wie der Eisbrecher Polarstern mit ihren Fächerlotmessungen im Südlichen Ozean immer wieder auf bislang unbekannte topografische Highlights wie einen 1920 Meter hohen Seeberg stoßen, den sie nach Nelson Mandelas Spitznamen „Madiba Seamount“ benannten.
„Wo auch immer man hingeht oder arbeitet, braucht man eine Karte, um sich zu orientieren. Deshalb sind praktisch alle meereswissenschaftlichen Disziplinen auf detaillierte Karten des Meeresbodens angewiesen“, sagt Dr. Boris Dorschel-Herr, Leiter der Bathymetrie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „So ist die Bodentopografie im Südlichen Ozean zum Beispiel auch entscheidend für das Verständnis vieler klimarelevanter Prozesse. Warme Wassermassen etwa fließen in tiefen Trögen im Kontinentalschelf bis zu den Eisschelfen und Gletschern der Antarktis und beeinflussen deren Abschmelzen. Umgekehrt hängt auch das Abfließen von Gletschern sowie die Stabilität von Eisschilden maßgeblich von der Beschaffenheit des Untergrunds ab. Mit IBCSO v2 liefern wir nun die bislang beste und detailreichste Abbildung des Südlichen Ozeans.“
Die International Bathymetric Chart of the Southern Ocean (IBCSO) ist ein internationales und vom AWI koordiniertes Projekt zur Kartierung des Südlichen Ozeans. Bereits 2013 wurde ein erstes IBCSO-Datenraster (IBCSO v1) mit hochauflösender Karte für den Bereich südlich von 60°S veröffentlicht. In den folgenden Jahren hat die Menge neuer Messdaten erheblich zugenommen.
Seit 2017 ist IBCSO Teil des Nippon Foundation – GEBCO Seabed 2030 Project, das sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, bis 2030 die Weltozeane zu vermessen. „Die neue Version von IBCSO – IBCSO v2 – für den Südlichen Ozean deckt nun in einer hohen Auflösung von 500 mal 500 Metern den kompletten Bereich südlich des 50. Breitengrades ab – und damit eine 2,4 mal größere Fläche Meeresboden als die erste Version“, erklärt Boris Dorschel-Herr. „Dadurch sind nun auch der Antarktische Zirkumpolarstrom und die für sein Verständnis wichtigen ozeanografischen ‚Gateways‘ – die Drake-Passage und die Tasmanische Passage – vollständig enthalten. In die Karte sind über 25,5 Milliarden Messungen eingeflossen, die von 88 Institutionen aus 22 Ländern zur Verfügung gestellt wurden.“
Das Datenraster und eine hochaufgelöste Karte des Südlichen Ozeans stehen frei verfügbar auf der Projektseite www.ibcso.org und unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.937574 zum Download online.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.
Hier findet ihr einen weiteren Beitrag zur thermohalinen Zirkulation und zum Zirkumpolarstrom. Schaut doch auch bei unserem Klima-Blog vorbei, falls ihr euch über die Entwicklungen der Antarktis und Arktis informieren wollt.
Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten
Der Klimawandel und die damit einhergehende Ozeanversauerung macht sich immer stärker in unseren Meeren bemerkbar. Einige Planktonarten, darunter auch die Coccolithophoriden (Kalkflagellaten), produzieren im Zuge ihres Stoffwechsels Kalziumkarbonat, wodurch sie Kalkschalen oder -skelette ausbilden. Die Versauerung des Meerwassers stellt ein großes Problem für diese Organismen dar, denn die Säure zersetzt die lebensnotwendigen Kalkgebilde. Auch in den vergangenen Warmphasen der Erdgeschichte wurden bisher keine Fossilien der Coccolithophoriden gefunden. Nun fanden jedoch schwedische Forscher:innen „Geisterfossilien“, die dafür sprechen könnten, dass die Kalkflagellaten eventuell besser mit der Klimakatastrophe zurecht kommen, als bisher erwartet wurde.
Bei den gefundenen Fossilien handelt es sich nicht um die Kalkschalen selbst, sondern um ihre Abdrücke auf Pollenfossilien, weshalb das Forscherteam diese als „Geisterfossilien“ bezeichnet. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Coccolithophoriden trotz der ungünstigen Klimabedingungen während der Erwärmungsereignisse in der Jura- und Kreidezeit existiert haben müssen. Der Fund der winzig kleinen Abdrücke war somit eine riesige Überraschung für die Forscher:innen. Sie haben jedoch eine Erklärung dafür, wieso bisher wahrscheinlich noch keine vollständigen Fossilien der Kalkflagellaten entdeckt wurden. Der erhöhte Säuregehalt des umgebenen Wassers muss die Kalkplatten im Nachhinein aufgelöst haben, wodurch nur noch die Abdrücke und nicht mehr ganze Fossilien zu finden sind. Darum blieb die Existenz der Coccolithophoriden zu diesen Epochen bisher auch unentdeckt. Aufgrund dieser Entdeckung könnte man davon ausgehen, dass die Kalkalgen durch den Klimawandel eventuell weniger stark belastet werden, als bisher angenommen wurde. Jedoch warnt das Forschungsteam auch vor falscher Vorsicht, denn die Klimakrise verläuft viel schneller, als bisherige Warmphasen. Somit ist es sehr schwierig, Vorhersagen diesbezüglich zu treffen.
Den Artikel „Was „Geisterfossilien” über vergangene Klimafolgen verraten“ vom 19.05.2022 von Elena Bernard findet ihr bei wissenschaft.de.
Das Originalpaper „Global record of “ghost” nannofossils reveals plankton resilience to high CO2 and warming“ von Sam Slater findet ihr bei science.
Falls ihr noch mehr zur Ozeanversauerung und der Anpassung der Kalkalgen lesen möchtet, schaut euch doch diesen Beitrag von uns an: „Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung“ .