Politik

Um die systematische Zerstörung der Ozeane zu verhindern, müssen wir uns gemeinsam dafür entscheiden.
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NABU: Nord Stream 2 ignoriert Naturschutzrecht und Klimaschutz

Rohre für den Bau von Nord Stream 2 liegen auf dem Watt

© Gerd Fahrenhorst / Wikimedia Commons (CC-BY-4.0)

Pressemitteilung, 09.07.2021, NABU

Miller: BSH muss Baugenehmigung für die AWZ aufheben

Berlin/Hamburg – Der NABU hat heute seine Klage gegen die vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ausgestellte Genehmigung der Gaspipeline Nord Stream 2 begründet. Nach Überzeugung des NABU verletzt die Baugenehmigung Habitatschutzrecht und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, basiert auf einer fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung und missachtet Vorgaben des Klimaschutzgesetzes. Die im Mai erhobene Klage am Verwaltungsgericht Hamburg adressiert den nicht fertiggestellten Abschnitt in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Vorausgegangen waren Änderungsgenehmigungen und ein jahrelanges Widerspruchsverfahren. Im deutschen Teilabschnitt wird momentan nicht gebaut.

„Ungeachtet der lauter werdenden Kritik an dem fossilen Dinosaurier hält das BSH an seiner Genehmigung aus dem Jahr 2018 fest. Es ignoriert offensichtliche Planungsfehler, bagatellisiert Umweltschäden und setzt sich nicht im Ansatz mit unseren naturschutzrechtlichen Argumenten und Klimaschutzvorgaben auseinander. Hier wird eine Bundesbehörde zum Vasallen eines Energiekonzerns,“ kritisiert NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Der NABU hatte früh Fehler in der Eingriffsregelung kritisiert. Mit der Zahlung von zwei Millionen Euro will Nord Stream 2 die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen umgehen. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hatte gefordert, die Zerstörungen am Meeresboden im Naturschutzgebiet auf der Fläche von mehr als 16 Fußballfeldern durch die gezielte Wiederherstellung von Steinriffen zu kompensieren. Doch das BSH lehnt die Realkompensation als unverhältnismäßig ab.

„Es ist kaum zu glauben wie hier Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes gebeugt werden sollen. Hinzu kommen wiederholte Planänderungen durch die sich der Umweltschaden gegenüber der Ursprungsgenehmigung immer weiter verstärkt hat. Es hat nie eine umfassende Umweltprüfung gegeben. Diese offensichtliche Salamitaktik darf keinen Erfolg haben,“ stellt NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff fest

Mit der Ablehnung des NABU-Widerspruchs verharrt das BSH auch in der energiewirtschaftlichen Rechtfertigung von Nord Stream 2 aus dem Jahr 2017. Dabei haben sich die Prognosen der Ursprungsgenehmigung zum steigenden Gasverbrauch längst als falsch erwiesen.. Alle unabhängigen Experten erachten eine zusätzliche Gaspipeline als überflüssig.

„Das BSH ignoriert die neue Sach- und Rechtslage. Es tut so als würde es das richtungsweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das Berücksichtigungsgebot des Klimaschutzgesetzes nicht geben. Nord Stream 2 ist in keinster Weise mit dem 1,5-Grad-Klimaschutzziel vereinbar, sondern gefährdet eine erfolgreiche Energiewende. Die Baugenehmigung muss aufgehoben, die Schäden für Klima und Umwelt neu bewertet, kompensiert und ein politischer Prozess um die Zukunft der Gaspipeline gestartet werden,“ fordert Miller.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Mehrere Umweltverbände, darunter DEEPWAVE, haben in einer gemeinsamen Pressemitteilung vor einer Industrialisierung der Nord- und Ostsee gewarnt. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Politikblog.

 

 

Diskussionsvortrag zur Dokumentation „Seaspiracy“

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=FWe_yW_kUjI

Quelle: AStA Landau auf YouTube

Die Netflix Dokumentation Seaspiracy geht seit ihrer Veröffentlichung viral. Ihre Bilder und Inhalte lassen viele Zuschauer:innen nicht mehr los und Themen wie Überfischung, Plastikverschmutzung und Klimawandel und Tierethik werden seitdem neu diskutiert. Auch wenn der Film die Überfischung als eine der aktuell größten Bedrohungen der Weltmeere thematisiert, zeigt er auf großartige Weise, wie alle Gefährdungen zusammenhängen, sich gegenseitig bedingen und nicht unabhängig von einander gelöst werden können. In der öffentlichen Diskussion sind Fragen aufgeworfen worden und einige Schieflagen entstanden, die von der Kernaussage des Filmes ablenken. Daher wurden wir gefragt, welche Seaspiracy-Aussagen auf Richtigkeit geprüft werden müssen, welche korrigert und welche belegt werden können.

Und vor allem: Was können wir selber gegen die verdeckten, grausamen Ungerechtigkeiten tun? Wie kann jede:r Einzelne dazu beitragen, die katastrophalen Zustände auf und in den Weltmeeren zum Positiven zu wenden?

Diese Fragen haben sich auch Studierende der Uni Landau gestellt. Daher hat uns der AStA Landau eingeladen, in einem Online Diskussionsvortrag unsere Überlegungen und Recherchen öffentlich vorzustellen, aufzuklären und die Fragen der Studierenden zu beantworten. Um in diesem komplexen, hochbrisanten Thema gut vorbereitet zu sein, haben wir uns mit der Fachfrau Valeska Diemel, der Referentin für Fischereipolitik beim BUND,  Verstärkung geholt.  Ihr Faktencheck wurde ergänzt durch detaillierte Anregungen, wie jede:r Einzelne mit seinen besonderen Skills und Studienfächern sich für den Schutz der Weltmeere einsetzen kann.

Unser Fazit: Seaspiracy polarisiert zwar, stellt jedoch Themen in den Vordergrund, die längst Teil öffentlicher und privater Auseinandersetzungen sein sollten und klärt über Zusammenhänge auf, deren Verständnis essentiell ist, um wirksam handeln zu können.

NABU: EU-Einwegplastikverbot greift zu kurz

Viele verschiedene Coffee-to-go Becher und andere To-go-Verpackungen liegen auf einem Haufen

© Filmbetrachter / Pixabay

Pressemitteilung, 01.07.2021, NABU

Miller: Deutschland braucht eine Mehrweg-Strategie für „To-Go“

Berlin – Wattestäbchen und Luftballonstäbe, Einwegbesteck und -teller aus Plastik, Styropor-Getränkebecher und To-Go-Verpackungen aus Styropor sind häufig Strandmüll – ab dem 3. Juli dürfen diese Einwegplastikprodukte deshalb europaweit zwar hergestellt aber nicht mehr verkauft werden. Auch ein Import in die EU ist verboten. Noch vorhandene Ware darf noch verkauft werden. Bei der Erarbeitung der EU-Richtlinie, mit der die Europäische Kommission das Ende dieser Produkte besiegelt hat, stand insbesondere der Schutz der Meere vor den gefährlichen Auswirkungen der zunehmenden Plastikvermüllung im Fokus.

„An der Ostsee gehören Einwegverpackungen zu den häufigsten Müllfunden. Angesichts des großen Ausmaßes der Strand- und Meeresverschmutzung müsste an den touristisch genutzten Müll-Hot-Spots To-Go-Verpackungen und Einweggeschirr ganz verboten werden“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. „So ist bisher kaum etwas wirklich verboten und man kann auch einfach auf andere Einwegprodukte ausweichen, womit gegen die Vermüllung der Natur nichts getan wäre.“

Die Novelle des Verpackungsgesetzes sieht vor, dass in Deutschland Gastronomie und Lieferdienste ab 2023 ihre vor Ort abgefüllten Speisen und Getränke auch in Mehrwegverpackungen anbieten müssen. Die Mehrwegalternative darf dabei nicht teurer sein als die Einwegvariante. Ausgenommen von dieser Pflicht sind Verkaufsstellen mit weniger als fünf Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und weniger als 80 qm Ladenfläche. Der NABU begrüßt zwar das neue Mehrweggebot ab 2023, kann jedoch nicht nachzuvollziehen, dass so viele Verkaufsstellen von der Pflicht ausgenommen sind und fordert, dass die Mehrwegvariante günstiger sein muss als Einweg.

„Gerade in der strandnahen Gastronomie sind es in der Regel kleinere Imbisse, Bäckereien oder Cafés, bei denen Getränke und Speisen für unterwegs gekauft werden. Daher sollten keine Ausnahmen gelten und Mehrweg muss der Standard werden. Höhere Kosten müssen dabei jedoch gerade für kleine Verkaufsstellen abgefedert werden, wie durch eine öffentliche Förderung. Denkbar wäre eine staatliche Abgabe auf umweltschädliches Einweg, die zweckgebunden z.B. bei der in Unterstützung von Mehrweg eingesetzt wird“, so Miller weiter. „Sowohl die EU als auch die Bundesregierung haben es bisher versäumt, Mehrweg als einzig umweltfreundliche Alternative zu Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen zu stärken und eine umfassende Mehrweg-Strategie zu entwickeln.“

Für den NABU sind aktuell als öko oder natürlich beworbene Einwegmaterialen wie Pappe oder bioabbaubare Kunststoffe keine Lösung des Problems. Die Umweltlasten werden damit nur verlagert. Abbaubare Kunststoffe sind in der Regel für eine industrielle Kompostanlage zertifiziert und haben in der Umwelt genauso wenig zu suchen wie konventionelle Kunststoffe. Darüber hinaus ist Pappe in der Herstellung sehr rohstoff- und energieintensiv, ihre Herstellung trägt stark zur Nährstoffbelastung von Gewässern bei. Für die Nass- und Reißfestigkeit werden persistente gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien eingesetzt, die sich in der Natur anreichern.

„Nachdem es die aktuelle Bundesregierung verpasst hat, dem Problem Müll im Meer entschieden entgegen zu treten, muss die neue Bundesregierung nach der Bundestagswahl Mehrweg als neuen Standard für die Gastronomie definieren. Damit können auch Ausweichmanöver auf andere Einwegmaterialien abgewendet werden“, fordert David Pfender, Referent für Meere ohne Plastik. „Eine bloße Umstellung auf Pappgeschirr ist genauso wenig zu wünschen wie auf Einwegteller aus Aluminium. Der NABU setzt sich seit zehn Jahren gegen die Plastikverschmutzung der Meere ein und zeigt mit Projekten wie Mehrweg fürs Meers, dass Mehrweg auch in der Strandgastronomie funktioniert.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Mehr zum Thema Plastikverschmutzung und Alternativen zu Einwegplastik findet ihr bei unserer Kampagne BLUE STRAW.

 

Trauerspiel Fischereikontrolle

Zwei Fischerei-Boote mit je zwei großen Netzen im Wasser fahren nebeneinander

© moritz320 / Pixabay

Pressemitteilung, 28.06.21, WWF

WWF: EU-Rat will effektive Kontrolle der europäischen Fangflotte verhindern

Europa kontrolliert seine Fischereiflotte nicht wirksam. Obwohl bereits jeder zweite kommerziell genutzte Fischbestand in EU-Gewässern als überfischt gilt und die Überfischung im Nordostatlantik wieder angestiegen ist, wird die Wirksamkeit des Systems nach Wunsch der Fischereiminister:innen in der laufenden Reform der sogenannten Fischereikontrollverordnung nicht im dringend erforderlichen Maß verbessert werden, kritisiert der WWF.

Die Fischereiminister:innen haben heute beschlossen, dass über 96 Prozent der EU-Flotte von Kamerakontrollen an Bord ausgeschlossen bleiben sollen. Die Pflicht, Fänge und Beifänge mit Kameras oder Sensoren zu erfassen, soll nur für weniger als vier Prozent der Fangschiffe gelten, solche, die über 24 Meter lang sind. Das bedeutet auf fast 80.000 kleineren Fangschiffen werden eventuelle Verstöße gegen die Anlandeverpflichtung weder erfasst noch sind sie rechtssicher nachweisbar. Einen transparenteren Umgang mit Fischereidaten soll es ebenso wenig geben. Die vollständige und digitale Rückverfolgbarkeit von Fisch und Meeresfrüchten bis zum Fangschiff wird nach Vorstellung des EU-Rates ebenso ausbleiben. An manchen Stellen fällt der Ratsvorschlag sogar hinter die geltende Verordnung zurück und droht neue Schlupflöcher zu schaffen.

„Das Ambitionsniveau des EU-Rates ist erschütternd niedrig. Das ist ein Trauerspiel, denn mit dieser Einschränkung bleibt ein großes Hindernis für nachhaltige Fischerei bestehen: Beifang und damit das erhöhte Risiko für illegale Rückwürfe von Fisch besteht gerade bei den Fischereien, die von zehntausenden kleineren Fangschiffen betrieben werden. Kameramonitoring ist das einzige wirksame und verfügbare Instrument das Fischereimanagement zu verbessern, dafür müssen aber auch die Risikofischereien erfasst werden. Das sieht der Ratsvorschlag nicht vor. Die EU muss dafür sorgen, dass die Meere nicht länger als rechtsfreier Raum wahrgenommen werden“, fordert Christoph Heinrich, Naturschutzvorstand des WWF Deutschland.  Das Argument die vorgeschlagene Regelung würde das Gros der Fänge abdecken, hält der WWF für irreführend. Der entscheidende Faktor sei nicht das Fangvolumen, sondern das Risiko von Fischbeifängen.

Zudem müsse die EU mehr tun, um den Beifang empfindlicher oder bedrohter Arten zu erfassen und zu stoppen. Tausende Delfine, Meeresschildkröten, verschiedene Hai- und Rochenarten sowie diverse Seevogelarten verenden Jahr für Jahr in Europas Fischernetzen. „Um gezielte Schutzmaßnahmen für bedrohte Arten vorzunehmen, braucht es wissenschaftliche Daten aus der elektronischen Fernüberwachung der Schiffe als Basis“, so Heinrich weiter. Der heute abgestimmte Ratsvorschlag sieht das nicht vor. „Hier muss im Rahmen der Triloge unbedingt nachgebessert werden. Wir erwarten von der Bundesregierung, sich in den kommenden Verhandlungen nachdrücklich dafür einzusetzen, dass auch der Beifang von Schweinswalen in der Stellnetzfischerei endlich belastbar erfasst wird. Die allgemeinen Pflichten zur Dokumentation in Fischereilogbüchern reichen dafür nicht aus.“

Der WWF vermisst außerdem einen starken Impuls für den Schutz der Verbraucher:innen vor Fischprodukten aus illegaler Fischerei. Die neue Kontrollverordnung wird auch die Transparenz von Lieferketten und Rückverfolgbarkeit sämtlicher Produkte aus Fisch und Meeresfrüchten, auf dem EU-Markt regeln – dies beeinhaltet Importe, Konserven, Wildfang, und Zuchtfisch. „Die Verbraucher:innen müssen sich auf das Kontrollsystem verlassen können. Als weltgrößter Markt für Fisch und Meeresfrüchte muss die EU auf ein zeitgemäßes digitales Rückverfolgbarkeitssystem setzen statt wie bisher weitgehend papierbasiert zu arbeiten“, fordert WWF Naturschutzvorstand Christoph Heinrich. Unverantwortlich ist aus Sicht des WWFs der Vorschlag der Fischereiminister:innen verarbeitete und konservierte Produkte wie. z.B. Thunfischdosen von der Kontrolle auszunehmen. „Damit würde ein riesiges Schlupfloch geschaffen und der Kampf gegen illegale Fischerei zurückgeworfen. Jeder sechste in die EU importierte Fisch würde gar nicht mehr erfasst. In den nun folgenden Verhandlungen müssen sich EU-Kommission und Europaparlament, aber auch Deutschland dafür stark machen, dass Meere und Ökosysteme endlich wirksam und transparent vor den Folgen unkontrollierter Fischerei geschützt werden“, kritisiert Heinrich.

Hintergrund:

  • Die sogenannte Fischerei-Kontrollverordnung entscheidet maßgeblich über das Gelingen der EU-Fischereipolitik. Sie legt die Instrumente fest, mit denen Fischereiaktivitäten der EU-Flotte und Fisch vom Netz bis zum Teller überwacht werden können, um Legalität zu gewährleisten. Das Gesetzespaket gilt für 10 Jahre und soll dazu dienen, illegale Fischerei zu unterbinden und so erschöpfte Fischbestände wiederaufzubauen.
  • Elektronische Fernüberwachung wurde weltweit erfolgreich getestet und wird von der Europäischen Fischereikontrollbehörde (EFCA) als bestes Mittel zur Kontrolle auf See empfohlen. Die flächendeckend mangelhafte Umsetzung der sogenannten Anlandeverpflichtung führt zu einer steigenden Überfischung und gefährdet so die Fischbestände, bedrohte Arten und Meeresökosysteme der EU.
  • Der WWF fordert elektronische Fernüberwachung auf allen Fangschiffen über 12 m Länge mit einem hohen oder sehr hohen Risiko für illegale Rückwürfe, sowie auf kleineren Schiffen, bei denen die Gefahr für ungewollten Beifang empfindlicher Arten besteht. Die erfassten Daten sollten von der Fischereiwissenschaft zur Ermittlung von Bestandsgrößen und Höchstfangmengen, sowie zum Monitoring empfindlicher Arten ausgewertet werden dürfen.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.

Nicht nur die Tiere und Ökosysteme, sondern auch das Klima leidet zunehmend unter der voranschreitenden Überfischung. Wie viel CO2 Grundschleppnetze freisetzen, könnt ihr in unserem Klimablog nachlesen.

Umweltverbände warnen vor Industrialisierung der Nord- und Ostsee

Auf dem Wasser liegt ein Industrieschiff neben mehreren Kränen

© Thanasis Papazacharias / Pixabay

Gemeinsame Pressemitteilung, 25.06.2021

Mehr Nachhaltigkeit bei der Marinen Raumordnung gefordert

Hamburg/Berlin – Umweltverbände fordern in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf der Marinen Raumordnung eine nachhaltige Nutzung der deutschen Meere ohne Gefährdung von Schutzgebieten. Schon heute gehören die deutsche Nord- und Ostsee zu den am stärksten industrialisierten Meeresgebieten weltweit und ihr ökologischer Zustand ist schlecht. Der neue Marine Raumordnungsplan für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) soll hier für Ausgleich sorgen – doch der finale Entwurf sieht das Gegenteil vor. „Die jetzt geplante deutliche Zunahme der Nutzung von Nord- und Ostsee darf nicht auf Kosten von Arten und Lebensräumen gehen. Der Ausbau der Offshore-Windenergie und Meeresnaturschutz müssen Hand-in-Hand gehen, um sowohl der Klima- als auch der Biodiversitätskrise zu begegnen. Um einen naturverträglichen Ausbau der Offshore Windenenergie zu ermöglichen, muss auch die Belastung anderer Nutzungen drastisch reduziert werden. Bereits heute finden in Schutzgebieten Rohstoffabbau, Leitungsbau, militärische Übungen, unbegrenzte Schifffahrt und Fischerei statt. Auch der Ausbau der Offshore Windenergie in Schutzgebieten wird im aktuellen Plan nicht mehr ausgeschlossen. Dies ist ein massiver Rückschritt zum aktuell gültigen Plan von 2009. Die Gesamtbelastung unserer Meere und Küsten ist viel zu hoch und der rechtlich verbindliche gute Umweltzustand kann so nicht erreicht werden“, kritisieren die Umweltverbände BUND, DEEPWAVE, DNR, Fair Oceans, Greenpeace, NABU, Schutzstation Wattenmeer, Whale & Dolphin Conservation und WWF.

Die Bundesregierung fordert, dass Biodiversitäts- und Klimaschutz international eng miteinander verknüpft werden. Doch vor der eigenen Haustür droht dies zu misslingen. Allein im Naturschutzgebiet Doggerbank, der größten Sandbank der Nordsee und wichtiger Lebensraum für Seevögel, Haie und Wale, soll laut Planungsentwurf der Ausbau von bis zu sechs Gigawatt Windenergie geprüft werden. Dadurch wird mindestens ein Drittel der Schutzgebietsfläche  verbaut.  „Hier wird eine rote Linie überschritten“, kritisieren die Umweltverbände. „Die Europäische Kommission hat aufgrund der mangelhaften Umsetzung des Natura-2000-Schutzgebietsnetzwerks bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Wie schrill müssen die Alarmglocken noch läuten bis die zuständigen Behörden endlich umsteuern?“, warnen die Verbände. Wenn der Klimaschutz im Meer priorisiert wird, geht das nur mit gesunden Meeren, denn diese sind die größten Kohlenstoffsenken der Welt. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt, dass Meeresschutzgebiete frei von Nutzung hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Noch vor der Bundestagswahl möchte das Bundesinnenministerium den Raumordnungsplan unter fachlicher Ausarbeitung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie per Rechtsverordnung verabschieden – im Einvernehmen mit den anderen beteiligten Ministerien. Ob dies gelingen wird, bleibt aufgrund der vielen ungelösten Konflikte im finalen Entwurf unklar. Für die Umweltverbände steht fest, dass das Ziel der Raumordnung – die nachhaltige Nutzung und der gute Umweltzustand – mit dem vorgelegten Entwurf klar verfehlt wird.

Weitere Informationen findet ihr in der Stellungname der Umweltverbände.

Hintergrund

Der finale Entwurf des Raumordnungsplans vom 2. Juni 2021 legt die Nutzung der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee für die nächsten Jahrzehnte fest. Damit hat der Prozess auch eine Schlüsselfunktion für den Schutz von Nord- und Ostsee. Seit Ende 2019 wird über die neue marine Raumordnung verhandelt, die dritte öffentliche Beteiligungsphase läuft bis zum 25.6.2021. Nach einer finalen Ressortabstimmung soll der neue Raumordnungsplan als Verordnung durch das Bundesinnenministerium noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden. Eine parlamentarische Beteiligung ist nicht vorgesehen.

Die EU-Richtlinie zur maritimen Raumordnung (2014/89) sieht vor, dass in den nationalen Raumordnungspläne für die AWZs der Mitgliedsstaaten zum Erreichen des guten Umweltzustands beitragen, wie es die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56) vorsieht. Dies bestätigt die Europäische Kommission in ihrem Bericht zur Umsetzung der MSRL von 2020 und die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0259&from=EN  

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/226/1922698.pdf

Informationen zum laufenden Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland zur mangelnden Umsetzung des Natura-2000-Schutzgebietsnetzwerks: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_21_412

 

Update vom 05.08.2021: Die Marine Raumordnung wurde am 04.08.2021 ohne Aussprache und ohne parlamentarische Beteiligung vom Bundeskabinett verabschiedet. Der NABU kritisiert das Festhalten an der Übernutzung der Meere und den Fokus auf rein wirtschaftlichen Interessen.

 

NABU-Studie zu Schiffstreibstoff: Klimaschutz mit Ammoniak

Ein großes, vollgeladenes Containerschiff liegt in einem Hafen an

© Marc Ryckaert / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Pressemitteilung, 23.06.2021, NABU

Miller: Ammoniak, ein Schiffstreibstoff mit Potenzial – und Risiken

Berlin – Seit einiger Zeit wird grüner Ammoniak neben grünem Wasserstoff und Methanol als emissionsfreier Treibstoff für die Schifffahrt diskutiert. Der NABU hat dazu beim Ökoinstitut eine Studie in Auftrag gegeben, mit der untersucht wurde, unter welchem Maßgaben Ammoniak als Treibstoff der Zukunft eine Rolle spielen kann.

Die Ergebnisse zeigen: Der Energieträger hat hohes Potential zum Klimaschutz. Aus Sicht der Luftreinhaltung ist Ammoniak empfehlenswert – unter der Voraussetzung, dass sowohl das klimaschädliche Lachgas als auch gesundheitsschädliche Stickoxidemissionen durch SCR-Katalysator eliminiert werden. Außerdem bedarf es hoher Sicherheitsvorschriften, um eine Leckage zu verhindern, denn Ammoniak ist hochgiftig.

Leif Miller, NABU Bundesgeschäftsführer: „Ammoniak als Schiffstreibstoff kann sein Klimaschutzpotenzial dann voll entfalten, wenn klimaschädliche Lachgasemissionen, die in Produktion, Transport und Verbrennung entstehen, nahezu vollständig eliminiert werden. Um dies sicherzustellen, müssen alle Treibhausgase in nationale und internationale Regulierungen und Bepreisungen aufgenommen werden. Zusätzliche muss es strenge Sicherheitsvorschriften für die Nutzung von Ammoniak als Schiffstreibstoff geben. Zwar sind Kurzzeit- und Langzeitfolgen einer Havarie durch Ammoniak weniger weitreichend, als die einer Schweröl- oder Dieselhavarie. Die Folgen für die marine Umwelt wären dennoch immens.“

Die Studie stellt weiterhin fest: Auch wenn Ammoniak nicht großflächig Anwendung als Treibstoff in der Schifffahrt finden sollte, sind Investitionen in Ammoniak-Infrastruktur keine verlorenen Investitionen. Ammoniak wird im Rahmen der Wasserstoffwirtschaft für die Dekarbonisierung anderer Sektoren eine wichtige Rolle spielen. Die zeitnahe finanzielle und gesetzliche Förderung der grünen Ammoniak-Produktion unter den notwendigen Umwelt- und Sicherheitsauflagen würde demnach in der Zukunft nicht als Fehlentscheidung für den Klimaschutz gewertet werden anders als Investitionen in LNG-Infrastruktur.

Beate Klünder, NABU-Schifffahrtsexpertin: „Auf der Suche nach dem klimaneutralen Kraftstoff der Zukunft dürfen andere Emissionen nicht aus dem Blick geraten. Wir brauchen eine strenge globale Abgasregulierung, um gesundheitsschädliche Stickoxidemissionen, die bei der Verbrennung von Ammoniak aber auch von den heute genutzten fossilen Kraftstoffen entstehen, zu reduzieren.“
Die Bundesregierung müsse sich bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) neben der Regulierung der Klimagase dafür einsetzen, dass auf allen Weltmeeren unverzüglich ein Stickoxidkontrollgebiet eingerichtet werde; fordert Klünder, um den Weg hin zur komplett emissionsfreien Schifffahrt zu ebenen. Eine solche Regulierung könne bei der IMO unverzüglich angestoßen werden, da dies eine bewährte Maßnahme sei, die bereits in Nord- und Ostsee und den amerikanische Küstengewässern greife.

Die vorliegende Studie ist ein erster Beitrag zur Diskussion über die Wirkung von Ammoniak als Schiffstreibstoff. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen sind dringend erforderlich. Insbesondere belastbare Ergebnisse zu der Höhe der Lachgasemissionen sind notwendig, um Aussagen zu Emissionen über den gesamten Lebenszyklus treffen zu können, woraus sich dann konkrete Regulierungen zum Beispiel über einen Grenzwert ableiten ließen.

Hintergrund:
Die Schifffahrt ist für ungefähr drei Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation hat 2018 ihre Treibhausgasminderungsstrategie für den Schifffahrtssektor verabschiedet. Diese sieht eine Halbierung der CO2-Emissionen der Seeschifffahrt bis 2050 im Vergleich zum Jahr 2008 vor. Um mit dem 1,5-Grad-Ziel konform zu sein, müsste die internationale Seeschifffahrt eigentlich das Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 anstreben. Die Branche ist aktuell auf der Suche nach dem Treibstoff der Zukunft, Ammoniak wird als aussichtsreicher Kandidat geführt, da er komplett CO2-frei verbrennt, voraussichtlich am günstigsten zu produzieren ist im Vergleich zu anderen strombasierten Kraftstoffen und er bereits weltweit per Schiff in großen Mengen transportiert wird.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Inwieweit die Schifffahrt mit der Klimakrise zusammenhängt und welche Klimaschutzvorgaben der NABU von der Schifffahrt fordert, könnt ihr in unserem Klima– und Politikblog nachlesen.

 

Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität und soziale Gerechtigkeit – diese Aufgaben lassen sich nur im Dreiklang lösen

Eine Person in schmutzigen Klamotten und Turban sitzt auf dem Boden vor einem Weizenfeld

© Aamir Mohd Khan / Pixabay

Pressemitteilung, 10.06.2021, Alfred-Wegener-Institut

Neuer Workshop-Bericht zu Klima und Artenvielfalt nennt Leitplanken für zukunftsweisende Politik

Der Kampf gegen die Erderwärmung und für eine nachhaltige Entwicklung kann nur gelingen, wenn die Menschheit die Themen Klimaschutz, Biodiversität und soziale Gerechtigkeit fortan gemeinsam denkt und bei allen politischen Entscheidungen – global, national und regional – in ihren Wechselwirkungen gleichrangig berücksichtigt. Diese Aussage ist nach Ansicht deutscher Ko-Autoren die wichtigste Kernbotschaft eines neuen wissenschaftlichen Workshop-Berichtes zu „Artenvielfalt, Ökosystemen und Klimawandel“, den Expertinnen und Experten des Weltbiodiversitätsrates IPBES und des Weltklimarates IPCC erstmals gemeinsam erarbeitet haben. Er wird heute der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Die Wissenschaftler:innen zeigen darin, warum vor allem der Verzicht auf fossile Brennstoffe für Klima- und Naturschutz wichtig ist. Außerdem belegen sie, wie gesunde Ökosysteme langfristig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Die Autor:innen legen aber auch offen, in welchem Ausmaß einseitig gedachte Klimaschutzkonzepte wie der großflächige Anbau von Energiepflanzen der Natur kurz- und langfristig schaden und ihre Fähigkeit mindern, das Klima zu regulieren und die Menschen mit ausreichend Nahrung, Trinkwasser und anderen überlebenswichtigen Dienstleistungen zu versorgen.

„Unsere Synthese verdeutlicht, auf welch vielfältige Weise sich das Klima und die Naturräume der Erde gegenseitig beeinflussen. Wir können sie deshalb nicht isoliert voneinander betrachten, denn für eine nachhaltige, sozial gerechte Entwicklung menschlicher Gemeinschaften ist beides essenziell: eine möglichst geringe globale Erwärmung und eine artenreiche, produktive und widerstandsfähige Natur“, sagt Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner, Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), der die Arbeiten an dem Workshop-Bericht gemeinsam mit dem südafrikanischen Naturschutzexperten Prof. Dr. Robert J. Scholes geleitet hat.

Diese engen Wechselwirkungen stellen die Politik vor enorme Herausforderungen. „Wenn die internationale Gemeinschaft ihre Klima-, Naturschutz- und Entwicklungsziele erreichen möchte, wird sie nicht umhinkommen, die Belange des Klimas, der Natur und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung im Dreiklang zu denken. Das heißt, Aufgabenstellungen werden komplexer, weil zum Beispiel Klimaschutzideen, die für sich betrachtet vielversprechend sind, im Hinblick auf die Natur und die lokale Bevölkerung weitreichende Nachteile mit sich bringen können“, sagt Ko-Autor und Biodiversitätsexperte Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).

Die Herausforderung: Klimaschutzpotenziale der Natur konsequent nutzen und gleichzeitig die Grenzen der Ökosysteme im Blick behalten

Plakative Beispiele dafür sind die Abholzung tropischer Regenwälder für den Anbau von Energiepflanzen wie Soja und Ölpalmen. Aber auch in Mitteleuropa stellt sich angesichts zunehmender Flächenkonkurrenz die Frage, wie Land- und Forstwirtschaft oder Küstennutzung betrieben werden müssen, um einen nachhaltigen Interessenausgleich zwischen Klima, Natur und Mensch zu erzielen – das heißt: die Artenvielfalt zu sichern, ausreichend Nahrungsmittel zu produzieren, den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren und gleichzeitig die Kohlenstoffspeicher der Wälder und Böden, auch des Meeresbodens, im maximalen Umfang zu erhalten. „Eine klimaschonende Landnutzung ist machbar, wenn wir bei unseren Entscheidungen beachten, wie viel der jeweilige Naturraum zu leisten vermag und durch welche Nutzungsformen möglichst viele Menschen von der Natur profitieren“, sagt Josef Settele.

Beim Thema Wald stehe die Politik zum Beispiel vor der Wahl, große Monokulturen für die Rohstoff- und Energiegewinnung anzubauen oder aber den Aufbau artenreicher Ökosysteme voranzutreiben. „Angesichts des rasant voranschreitenden Klimawandels dürfen wir jedoch nicht davon ausgehen, dass unsere einheimischen Baumarten für ein künftiges Klima geeignet sind“, sagt Hans-Otto Pörtner. Die Anzeichen mehren sich, dass die angestammten Arten nicht widerstandsfähig genug sind. Das gilt sowohl für Baumarten in den mittleren Breiten als auch für jene in den tropischen Regenwäldern.

Der falsche Ansatz: Emissionen dürfen nicht mit Biodiversitätsschutz verrechnet werden

Angesichts der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse erscheinen auch neue Strategien der Politik, Treibhausgasemissionen energieintensiver Branchen mit Renaturierungs- und Naturschutz-Maßnahmen zu verrechnen, als irreführend und kontraproduktiv. „Klimapolitisch macht es überhaupt keinen Sinn, den weiteren Ausstoß von Treibhausgasen dadurch zu legitimieren, dass ein existierender Wald nicht abgeholzt wird“, sagt Hans-Otto Pörtner. „Die Welt braucht kurzfristig drastische Emissionseinsparungen, um den Temperaturanstieg zu stoppen und gleichzeitig den Erhalt und Wiederaufbau großer, gesunder Ökosysteme, die uns langfristig in die Lage versetzen, der Atmosphäre mehr Kohlenstoff zu entziehen als durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wird. Die Leistungen der Natur sollten wir als zusätzliches Gut betrachten, welches es langfristig zu stärken gilt.“

Besondere Erfolgsaussichten hätte eine solche Klima- und Naturschutzpolitik, wenn sie mit der Verbesserung sozialer Gerechtigkeit einhergingen: „Es gilt, die Armut weltweit zu bekämpfen und die Verteilungsgerechtigkeit zu erhöhen. Vielen Menschen bleibt aufgrund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Not gar nichts anderes übrig, als ihren Lebensunterhalt durch Jagd, illegale Fischerei, Goldsuche oder aber durch andere Aktivitäten zu bestreiten, die zum flächendeckenden Raubbau an der Natur beitragen. Sie aus dieser Notlage zu befreien, wäre ein erster wichtiger Schritt für nachhaltigen Klima- und Naturschutz“, so Hans-Otto Pörtner.

Natur- und Klimaschutz als gemeinsames Leitbild allen politischen Handelns

Aus Sicht der Wissenschaftler liefert der neue Workshop-Bericht wichtige Grundlagen für künftige politische Entscheidungen: „Er bringt die Klimakrise, die Biodiversitätskrise und die soziale Krise zusammen und zeigt auf, dass sich diese drei Krisen nur durch gleichgerichtete, aufeinander abgestimmte Transformationsprozesse lösen lassen“, fasst Josef Settele zusammen. Denkbar wäre zum Beispiel, ein Biodiversitätsgesetz im Stil des Klimaschutzgesetzes einzuführen. Auf diese Weise könne man das Thema „Naturschutz“ aus seiner bisherigen politischen Nische befreien und einen zukunftsweisenden Biodiversitätsschutz über Ministeriumsgrenzen hinweg etablieren. Künftig, so lautet ein Fazit der Wissenschaftler, müssten sich alle politischen Entscheidungen daran messen lassen, inwiefern sie bestmögliche Resultate für das Klima, die Biodiversität und die Menschen vor Ort erzielen.

Download des Berichts

Der IPBES-IPCC Workshop-Bericht zu Artenvielfalt, Ökosystemen und Klimawandel kann im englischen Original unter folgendem Link heruntergeladen werden: www.ipbes.net/BiodiversityClimateScience

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Mehr zu den Herausforderungen der Politik findet ihr in unserem Politik– und Klimablog.

 

 

How to shape a future without mining

Mehrere farbige Tiefseekorallen wachsen auf steinigem Untergrund

© NOAA Office of Ocean Exploration and Research / Wikimedia Commons (PD)

Pressemitteilung, 10.06.2021, Seas At Risk

A new paper published today by Seas At Risk warns about the disastrous environmental consequences of a new mining boom while showing how it can be prevented. Opening more mines on land and pushing mining into fragile ecosystems like the deep sea to fuel economic growth is not a realistic way forward. Concrete alternatives to this model already exist and can make mining unnecessary.

Breaking Free From Mining – A 2050 blueprint for a world without mining on land and in the deep sea’ shows the steps needed to move away from patterns that aggravate the environment and climate crises, and shift towards a more sustainable society equipped to tackle them and break free from its dependence on finite resources.

Mining is one of the world’s most polluting industries and a main contributor to climate change. The production of seven metals (iron, aluminium, copper, zinc, lead, nickel and manganese) is responsible for 7% of all greenhouse gas emissions and a major cause of biodiversity loss, human rights violations, political instability and forced displacements in the Global South.

As the environment and climate crises intensify, the much-needed transition to a carbon-neutral economy has focused mostly on technology and innovation fixes such as the large-scale deployment of renewable energy infrastructure, electric vehicles and digitalisation, all of which are metal-intensive. However, relying only on the ‘green economy’ transition without moving away from overconsumption and the paradigm of infinite economic growth requires vast amounts of metals and minerals for batteries, electronic devices or energy infrastructure. “Technology and innovation are an important part of the solution to the ongoing climate and biodiversity breakdown. But we also need much deeper social and economic change”, says Ann Dom, Senior Policy Advisor at Seas At Risk, “and this involves shaping a different narrative for a sustainable future”.

Without it, the expected growth in demand for metals would lead to more mines being opened on land and resource extraction being pushed into new frontiers such as the deep sea, the ecosystem that sustains all life on earth. Hundreds of new mines are being planned across Europe, while several European countries currently hold deep-sea mining exploration licences in international waters and could start mining operations as early as 2023 [1]. “Unless we bring about change”, explains Monica Verbeek, Executive Director at Seas At Risk, “metals are on course to becoming the fossil fuels of the 21st century”.

The paper sets out alternative pathways to a different society and economy, projecting the reader to 2050 and a world in which we have moved away from over-exploitation of natural resources, where primary metal extraction has become a thing of the past, and the deep sea has been safeguarded from ecosystem destruction.

Using a science- and fact-based approach, the paper identifies 2020 as a tipping point for mining and the beginning of the transition to a post-growth society. It discusses existing and emerging alternatives – including the end of planned obsolescence and the rise of repair, reuse and remanufacturing of goods; the shift to distributed energy generation; and mobility systems less reliant on private cars, among many others – and how they are to become instrumental in a fundamental transformation towards a society based on needs rather than growth, on wellbeing, and on the use of resources within the limits of our planet.

Sacrificing entire ecosystems on land and in the deep sea to fuel a new mining boom would not only exacerbate the planetary crisis, but is also unnecessary, as the fact-based alternative narrative presented in the paper showcases. As we work towards a world without fossil fuels, we can also imagine one without mining.

NOTES

[1] For more information on European countries’ involvement in deep-sea mining see Seas At Risk’s report ‘At a crossroads: Europe’s role in deep-sea mining’.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei Seas At Risk.

Deutschland hat im Winter 2022 bei den Verhandlungen im Rahmen des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde eine „precautionary pause“ beim Tiefseebergbau gefordert. Mehr darüber erfahrt ihr auf unserem Politik– und Tiefseeblog.

NABU: Meeresschutz ist Klimaschutz

Zwei Frachter liegen auf dem Wasser, im Hintergrund sieht man einen Industriehafen

© Paul Brennan / Pixabay

Pressemitteilung, 07.06.2021, NABU

Internationaler Tag der Meere / Krüger: Meere sind nicht nur Wirtschaftsraum sondern unverzichtbar für Klima- und Artenschutz

Berlin – Mit ambitionierter Meeresschutzpolitik gegen die Klima- und Artenkrise: Zum Internationalen Tag der Meere am 8. Juni appelliert der NABU an die Politik, unsere Meere besser zu schützen. Nord- und Ostsee sind aufgrund der vielfältigen Belastungen in keinem guten Zustand, haben aber große Bedeutung für natürliche Klimaschutzmaßnahmen, den „Nature Based Solutions“.

Die Meere sind die stabilisierende Kraft des Klimasystems und als Sauerstoffproduzenten und Kohlenstoffsenken unverzichtbar. Durch den historischen Raubbau und die zunehmende Industrialisierung der Nord- und Ostsee drohen diese wichtigen Funktionen verloren zu gehen. „Meerespolitik ist längst kein Nischenthema mehr. Während Weltbiodiversitäts- und Weltklimarat in den Schutz der Ozeane die größte Hoffnung setzen, sieht Deutschland in den Meeren vor der Haustür vorrangig Raum für wirtschaftliche Nutzungen wie Fischerei, Schifffahrt und Offshore Windenergie“, moniert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger, „Wir ignorieren die Verpflichtungen des Natur- und Artenschutzes wie auch die Funktionen und Leistungen von Seegraswiesen, Salzwiesen, Riffen und der mariner Vielfalt für den Klima- und Küstenschutz.“

Je höher die Artenvielfalt und Biomasse im Meer und je gesünder das System, desto effektiver ist seine Klimafunktion als Kohlenstoffsenke. Nur 0,2 Prozent der Meeresfläche binden 50 Prozent des globalen Kohlendioxids in Sedimenten. Salzwiesen sind die effektivsten Klimaschützer. Sie entziehen der Atmosphäre langfristig CO2, mit bis zu 245 Gramm pro Quadratmeter und Jahr mehr als Moore. Sie wachsen mit dem steigenden Meeresspiegel mit und sind so gleichzeitig eine natürliche Klimaschutzmaßnahme. Ebenso Seegraswiesen, die als Kinderstuben der Meere gelten. In Deutschland aber ist deren Fläche in den letzten Jahrzehnten um mehr als 1000 Quadratkilometer zurückgegangen.

„2020 hat Deutschland das Ziel der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie verfehlt, einen guten Umweltzustand von Nord- und Ostsee zu erreichen. Gleichzeitig treibt die Bundesregierung über die neue marine Raumordnung die Industrialisierung der Nord- und Ostsee weiter voran. Damit muss Schluss sein. Der Schutz mariner Arten und Lebensräume sowie ihrer Funktionen ist eine zentrale Zukunftsaufgabe der künftigen Bundesregierung. Deutschland hat für die Meerespolitik weder einen nachhaltigen Plan, noch eine eigene Strategie“, kritisiert NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff.

Die EU-Biodiversitätsstrategie fordert, mindestens 15 Prozent der geschädigten Meeresflächen wiederherzustellen, zehn Prozent sollen streng geschützt werden. Auch davon ist Deutschland weit entfernt. Selbst in den Meeresschutzgebieten wird gefischt, werden Rohstoffe abgebaut. Die Europäische Kommission hat kürzlich ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung des Natura-2000-Schutzgebietsnetzwerks an Land und im Meer gegen Deutschland eröffnet – ein notwendiger Warnschuss.

„Das Nichtstun von heute kann später sehr teuer werden – nicht nur aufgrund drohender Strafzahlungen aus Brüssel. Investitionen in den Schutz der Meere und in die Renaturierung klimarelevanter Ökosysteme sind eine notwendige Investition in unsere Zukunft. Und das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts hat uns gezeigt, dass diese Zukunftsgerechtigkeit im Zweifelsfall auch einklagbar ist. Das muss die Politik erkennen“, so Krüger.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

DEEPWAVE und weitere Umweltverbände fordern in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf der Marinen Raumordnung eine nachhaltige Nutzung der deutschen Meere ohne Gefährdung von Schutzgebieten. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Politikblog.

NABU zum Tag des Ostseeschweinswals: Jeder tote Wal ist einer zu viel

Eine große Welle bricht über der Meer

© Dimitris Vetsikas / Pixabay

Pressemitteilung, 14.05.2021, NABU

Krüger: Sofortprogramm zur Räumung von Munition im Meer überfällig

Berlin – Zum Internationalen Tag des Ostseeschweinswals am 16. Mai fordert der NABU mehr politische Verantwortung und effektive Maßnahmen zum Schutz von Deutschlands einzigem heimischen Wal. Aktuell sorgt sich der NABU insbesondere um Unterwassersprengungen von Munitionsaltlasten. Sie sind am Montag, den 17. Mai Thema im Umweltaussschuss des Deutschen Bundestages. Der NABU ist als Sachverständiger dazu geladen.

In der zentralen Ostsee leben nur noch 500 Schweinswale. Der kleine Meeressäuger gilt als vom Aussterben bedroht. Seit Jahren wird um Maßnahmen zum Schutz des Schweinswals in der Fischerei oder beim Bau von Windenergieanlagen gerungen. Trotzdem nimmt der Bestand ab. „Deutschland versagt bislang beim Schweinswalschutz. Ob ertrunken im Stellnetz oder getötet bei der Sprengung von versenkter Weltkriegsmunition: Jeder tote Schweinswal ist einer zu viel. Die Politik muss entschlossen handeln,“ sagte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

2019 waren nach Minensprengungen eines NATO-Flottenverbandes unter deutscher Beteiligung im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt vermutlich mehr als zehn Schweinswale getötet worden. Vor wenigen Wochen konnte nach Intervention des NABU und des Bundesumweltministeriums eine Sprengung für den geplanten Fehmarnbelttunnel in letzter Minute verschoben werden bis ein Blasenschleier verfügbar ist. „Munition unter Wasser ohne technischen Schallschutz zu sprengen muss aufhören. Dieses Vorgehen verstößt gegen geltendes Naturschutzrecht. Das eigentliche Problem liegt aber viel tiefer. Seit Jahrzehnten versäumt es die Politik, eine Strategie zum Umgang mit Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee zu entwickeln. Das Zögern der Bundesregierung rächt sich jetzt,“ erläutert NABU-Meeresexperte Kim Detloff.

Mehr als 1,6 Millionen Tonnen Weltkriegsmunition verrotten am Grund der deutschen Nord- und Ostsee. Giftige Schadstoffe wie TNT oder Schwermetalle werden frei und finden sich in Fischen und Muscheln. Immer wieder werden Wasserbomben oder Minen beim Pipeline- oder Windparkbau gefunden und gesprengt. Nachdem im April die Umweltministerkonferenz auf die zunehmende Gefahr aufmerksam gemacht hatte, wurden zwei Anträge zum Thema in den Bundestag eingebracht – der Antrag von CDU/CSU und SPD ist bereits beschlossen. Ein weiterer von FDP und Bündnis90/DIE GRÜNEN wird noch im Umweltausschuss diskutiert.

„Der fraktionsübergreifende Konsens ist da. Jetzt muss gehandelt werden. Neben dem Aufbau eines Kompetenzzentrums von Bund und Ländern fordert der NABU ein 100 Millionen Euro Sofortprogramm zum Start einer Pilotkampagne zur umweltverträglichen Räumung von Munitionsaltlasten in der Ostsee und den Aufbau mobiler Entsorgungskapazitäten. Das hilft nicht nur dem Schweinswal, sondern auch dem Forschungs- und Industriestandort Deutschland“, so Krüger.

Das Sofortprogramm Munitionsräumung und andere Forderungen richtet der NABU im Wahljahr 2021 an die Parteien. Weitere Informationen dazu hier: Microsoft Word – 210217_NABU_Kernforderungen_Bundestagswahl

Mehr Informationen zu Munitionsaltlasten: Munition im Meer – NABU

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Welche Auswirkungen Lärm auf die Meeresbewohner hat, könnt ihr hier nachlesen. Die Forderungen vom NABU zum Tag des Ostseeschweinswals 2020 findet ihr in unserem Politikblog.

 

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