Politik

Um die systematische Zerstörung der Ozeane zu verhindern, müssen wir uns gemeinsam dafür entscheiden.
Jeder für sich und alle zusammen als Teil von Politik und Wirtschaft.

Landes-Pilotprojekt zu Geisternetzen startet in Schleswig-Holstein

Ein riesiges Geisternetz am Grund

© Wolf Wichmann

Pressemitteilung, 02.10.2023, WWF

WWF koordiniert Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen in der Ostsee

Im September startete in Schleswig-Holstein das bundesweit zweite Pilotprojekt zur Bergung von Geisternetzen, das mit von einem Küstenbundesland verwalteten Fischereigeldern finanziert wird. Der WWF wird die Suche, Bergung und Entsorgung von Geisternetzen in der Ostsee federführend durchführen und dabei mit der Fischerei und den Behörden eng zusammenarbeiten.

Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büros Ostsee, lobt den Einsatz der Landesregierung. „Die Bergung von Geisternetzen ist eine staatliche Aufgabe. Schleswig-Holstein kommt nun dieser Verantwortung nach und hat dabei auch die Entwicklung einer langfristigen Lösung im Blick. Der WWF freut sich, diesen Weg gemeinsam mit dem Land zu gehen.“

Mit der vom WWF entwickelten Sonarsuche werden die Netze in Küstenfischereigebieten ausfindig gemacht, um sie anschließend zu bergen und zu entsorgen. Die Fischereibetriebe unterstützen dabei mit ihren Kuttern. „Es ist wichtig, die Fischerei einzubinden. Die Fischer kennen ihr Revier und sind eine wertvolle Unterstützung für das Projekt“, erklärt Finn Viehberg.

Die Empfehlungen aus dem Pilotprojekt sollen am Ende zu einer langfristigen Lösung für das Problem verlorener Fischernetze führen. Klare Regelungen können die Fischereibetriebe auch dazu motivieren, Netzverluste durch Unfälle auf See zu melden, damit eine zeitnahe Bergung möglich ist. Ziel des WWF ist es, dass Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer die Such- und Bergungseinsätze in Zusammenarbeit mit den Fischereien in Zukunft selbst durchführen.

Das Projekt „Verlorene Fischernetze Schleswig-Holstein“ läuft für zwei Jahre und wird vom Land Schleswig-Holstein mit 260.000 Euro aus Eigenmitteln und aus dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfond (EMFAF) gefördert. Es findet in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Fischerei des Landwirtschaftsministeriums und der Abteilung Meeresschutz des Umweltministeriums des Landes Schleswig-Holstein statt.

Seit 2013 entwickelt und erprobt der WWF verschiedene Methoden zur Suche und Bergung von Geisternetzen. Mehr als 26 Tonnen Schlepp- und Stellnetze konnte die Umweltschutzorganisation seit 2015 aus der Ostsee bergen. Dafür hat der WWF bisher über 1,5 Millionen Euro aus eigenen Mitteln in die Entwicklung und Erprobung investiert.

Hintergrund

Als Geisternetze bezeichnet man herrenlose Fischernetze, die teils jahrzehntelang im Wasser treiben können oder am Meeresboden liegen. Sie bestehen aus Kunststoff und können etwa 30 – 50 Prozent des Plastikmülls in den Meeren ausmachen. Oft werden die herrenlosen Netze zur tödlichen Falle für Seevögel, Fische oder Meeressäuger. Nur indem Geisternetze aus dem Wasser entfernt werden, lässt sich verhindern, dass sie mit der Zeit zu Mikroplastik zerfasern, und sich so Kunststoffe in der Nahrungskette anreichern.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.

Geisternetze verursachen einen großen Teil der Plastikverschmutzung im Meer. 2018 schätzte die FAO (Food and Agriculture Organization), dass jährlich etwa 640 000 Tonnen Fischereinetze weltweit in den Ozeanen landen. Das UN-Plastikabkommen, das diesen November verhandelt wird, ist auch deshalb ein besonderer Erfolg, weil es auch auf Geisternetze verweist.

Bundestag legt Abgaben für To-Go-Becher und Zigarettenkippen aus Einwegplastik fest

Ein alter Coffee to go Becher liegt am Straßenrand

© Jasmin Sessler / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 29.09.2023, BMUV

Der Bundestag hat gestern Abend die Einwegkunststofffondsverordnung beschlossen. Die Verordnung legt die Höhe der Abgabesätze und das Auszahlungssystem für den Einwegkunststofffonds fest. In den Fonds zahlen die Hersteller von bestimmten Einwegkunststoffprodukten eine Abgabe ein, um die öffentliche Hand bei der Bekämpfung der Vermüllung der Umwelt zu unterstützen. Die Verordnungsermächtigung ist in dem im Mai 2023 verabschiedeten Einwegkunststofffondsgesetz verankert. Das Gesetz schafft die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung und Verwaltung des Einwegkunststofffonds durch das Umweltbundesamt.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Zigarettenkippen, To-Go-Becher und Einmal-Essensbehälter landen viel zu oft an Straßenrändern, in unseren Parks und Wäldern und sind Ausdruck der Verschmutzungskrise. Die Kosten für Reinigung und Entsorgung des achtlos weggeworfenen Wegwerfplastiks trägt bislang die Allgemeinheit. Das wird sich ab 2024 ändern. Wer sein Geschäft darauf stützt, Wegwerfprodukte aus Plastik auf den Markt zu bringen, wird sich dann an den Sammlungs- und Reinigungskosten der Kommunen beteiligen. Mit der Verordnung schaffen wir nun auch die nötige Rechtssicherheit für alle betroffenen Akteure.“

Die in der Verordnung vorgesehenen Abgabesätze sind im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie des Umweltbundesamtes ermittelt worden. Dazu wurden unter anderem die tatsächlich anfallenden Kosten für die Reinigung von Abfällen aus Einwegkunststoffprodukten im öffentlichen Raum ermittelt. So werden für je Kilogramm in Verkehr gebrachte Produkte folgende Abgaben fällig:

  • Tabakfilter: 8,972 Euro je Kilogramm
  • To-Go-Getränkebecher: 1,236 Euro je Kilogramm
  • To-Go-Lebensmittelbehälter: 0,177 Euro je Kilogramm
  • Tüten und Folienverpackungen: 0,876 Euro je Kilogramm
  • Getränkebehälter ohne Pfand: 0,181 Euro je Kilogramm
  • Getränkebehälter mit Pfand: 0,001 Euro je Kilogramm
  • leichte Plastiktüten: 3,801 Euro je Kilogramm
  • Feuchttücher: 0,061 Euro je Kilogramm und
  • Luftballons: 4,340 Euro je Kilogramm.

Auf der Basis der angegebenen Abgabesätze kann jedes Unternehmen anhand der in Verkehr gebrachten Menge nun ganz konkret berechnen, in welcher Höhe die Abgabe künftig zu leisten ist. Die Abgabe haben die Hersteller erstmals ab dem Frühjahr 2025 zu leisten und zwar auf der Basis der im Kalenderjahr 2024 in Verkehr gebrachten Produktmenge. Zur Abwicklung des Einwegkunststofffonds entwickelt das UBA derzeit die erforderlichen Datenbanken. Die Registrierung der Hersteller und Anspruchsberechtigen soll pünktlich zum 1. Januar 2024 starten.

Auch das Punktesystem für die Auszahlung der Fondsmittel an die anspruchsberechtigten Kommunen wird durch die Einwegkunststofffondsverordnung festgelegt. Es sieht für die Reinigungs-, Sammlungs-, Entsorgungs- und Sensibilisierungsleistungen im Innerorts- wie im Außerortsbereich die Vergabe von Punkten vor. Dabei wurde darauf geachtet, dass die von den Anspruchsberechtigten anzugebenden Kennzahlen so genau wie nötig, aber so unbürokratisch wie möglich festgelegt wurden. Anzugeben von den Kommunen sind zum Beispiel das Papierkorbvolumen, die gefahrenen Reinigungskilometer und die entsorgte Abfallmenge.

Die Abgabesätze und das Punktesystem werden nach den gesetzlichen Vorgaben alle drei Jahre durch die Bundesregierung überprüft. Das Umweltbundesamt (UBA) wird dazu wieder eine Studie zur Ermittlung der notwendigen Daten in Auftrag geben. Bei der Konzeptionierung dieser Studie und der anschließenden Änderung der Verordnung wird die neue Einwegkunststoffkommission beteiligt. Diese Kommission ist ebenfalls im Einwegkunststofffondsgesetz verankert, sie hat sich am 28. September 2023 erstmals konstituiert.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.

Seit Anfang September diesen Jahres liegt der erste Entwurf für ein globales Plastikabkommen vor. Das finale UN-Plastikabkommen wird Ende 2024 erwartet und soll die globale Plastikflut damit endlich wirksam bekämpfen.

Weiterer Erfolg gegen Gasbohrungen vor Borkum: Deutsche Umwelthilfe erreicht vor Gericht Aufrechterhaltung des Baustopps

Demonstration auf Rügen gegen ein LNG-Terminal

© Leonhard Lenz / Wikimedia Commons (CC0 1.0)

Pressemitteilung, 29.09.2023, Deutsche Umwelthilfe (DUH)

  • Rechtbank Den Haag stellt in achtstündiger Verhandlung klar, dass weiterhin keine Bohrplattform vor Borkum errichtet werden darf
  • Auch Meeresschutz, Klimaschutz und die drohende Zerstörung von Riffen wurden ausführlich verhandelt
  • Weitere Verhandlung für Januar 2024 angekündigt, bis dahin sind neue Gasbohrungen ausgeschlossen

Berlin, 29.9.2023: In ihrer Klage gegen neue Gasbohrungen in der Nordsee vor der Küste Borkums hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen weiteren Erfolg errungen. Das niederländische Gericht Rechtbank Den Haag hat gestern in der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens klargestellt, dass bis auf Weiteres keine Bohrplattform vom niederländischen Konzern One-Dyas errichtet werden darf. Die DUH klagt gemeinsam mit ihren Partnern von der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, der Insel Borkum und der niederländischen Umweltorganisation Mobilisation for the Environment gegen die geplanten Gasbohrungen. Das fossile Bohrprojekt direkt vor dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer steht im gravierenden Gegensatz zu sowohl dem Klimaschutz wie auch dem Meeresschutz und darf nicht genehmigt werden.

Bereits im April 2023 konnte sich das Bündnis mit einem Eilantrag vor dem Gericht durchsetzen und ein Verbot der Errichtung einer Bohrplattform erreichen. Hintergrund für die gestrige Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Bauverbots sind fehlende behördliche Genehmigungen für die Stickstoffemissionen aus dem Projekt auf niederländischer Seite. Verhandelt wurde aber auch über Klimaschutz, die Beeinträchtigung von Schutzgebieten und die drohende Zerstörung von Riffen am geplanten Bauplatz. Für Anfang Januar 2024 wurde eine weitere Verhandlung vom Gericht angekündigt. Bis dahin sind Gasbohrungen ausgeschlossen.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir einen weiteren Erfolg für Klima- und Meeresschutz errungen. Die Zeit für neue fossile Projekte in der Nordsee, die noch dazu Riffe und Schutzgebiete bedrohen, ist endgültig vorbei. Diese Botschaft ist nun hoffentlich beim niederländischen Konzern One-Dyas angekommen. Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, neue CO2-Quellen anzuzapfen. Schon gar nicht darf es eine weitere Industrialisierung der Nordsee geben. Wir brauchen ein radikales Umdenken, das den Meeren mehr Schutz zugesteht und eine Regeneration dieses belasteten Naturraums zulässt. Wir fordern den Konzern One-Dyas auf, die rückwärtsgewandten Pläne endgültig abzublasen.“

Die DUH und ihre Partner blicken optimistisch auf das weitere Verfahren. Nach den ausführlichen Fragen des Gerichts zu Klima- und Meeresschutz sowie zu den bedrohten Riffen sehen sich die Organisationen in ihren Argumenten gegen das Projekt nach der gestrigen mehr als achtstündigen Gerichtsverhandlung bestätigt.

Auch auf deutscher Seite gibt es noch kein grünes Licht für das Projekt: Weiterhin steht die Entscheidung des zuständigen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen aus. Auch in diesem Verfahren hatten die DUH und ihre Partner Einwendung erhoben und bereiten weitere rechtliche Schritte vor.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie des DIW Berlin im Auftrag der DUH wurde festgestellt, dass das LNG-Projekt in Mukran für die Vermeidung von Kapazitätsengpässen nach Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig ist und somit kontraproduktiv für den Klimaschutz.

Progress in Marine Conservation 2023

Zwei große Röhrenwürmer sind aufgefächert

© Victor Micallef / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Auf der vom Bundesamt für Naturschutz in Kooperation mit dem Deutschen Meeresmuseum/OZEANEUM in Stralsund ausgerichteten internationalen Tagung „Progress in Marine Conservation 2023: How to stop biodiversity loss – from knowledge to action“ haben sich rund 200 Expert:innen eine Woche lang getroffen, um sich zum Ist-Zustand der Meere auszutauschen und in Workshops Action Points zu erarbeiten, die als Handlungsempfehlungen für die Meeresstrategie der Bundesregierung am Ende der Tagung  einer Vertreterin des BMUVs übergeben wurden.

Für DEEPWAVE war Anna Groß eine Woche vor Ort und hat in den Workshops zu Impact mitigation and management of bottom trawl fisheries, focus North Sea und Ecological Effectiveness of MPAs an den Action Points mitgearbeitet.

Wir gehen trotz all der detaillierten Hiobsbotschaften zum Zustand unserer Meere zuversichtlich an die Aufgaben, die vor uns liegen, weil wir in Stralsund deutlich sichtbar und spürbar erlebt haben, wie viele Menschen sich mit ganz neuen Perspektiven, Mut und ansteckendem Gemeinschaftssinn den sehr herausfordernden Themen widmen, die unsere Zukunft als Teil der Natur dieses Blauen Planeten betreffen.

Beim BfN findet ihr die Note of the Chairs 6th International Conference on Progress in Marine Conservation, das Programm und die Abstracts der Vorträge.

CO2-Speicherung darf Ausstieg aus fossilen Energien nicht behindern

Ein Plakat, dass CCS kritisiert.

© Matt Hrkac / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 25.09.2023, Umweltbundesamt

Neues UBA-Papier: CCS-Technik bei Abfallverbrennung erproben – Moore, Wälder und andere natürliche Senken haben Vorrang

Das Umweltbundesamt (UBA) rät in einem neuen Positions-Papier dazu, das Abscheiden und Speichern von CO2 (kurz CCS, für Englisch „Carbon Capture and Storage“) in der Abfallwirtschaft zu erproben. UBA-Präsident Dirk Messner sagte: „Wir brauchen CCS vor allem im globalen Maßstab. CCS ist aber kein Allheilmittel für den Klimaschutz. Wenn wir es nicht schaffen, von den fossilen Energieträgern wegzukommen, wird uns CCS nichts nützen. Wir haben in Deutschland viel zu wenig Speicher, um das Kohlendioxid sicher für Mensch und Klima zu speichern. Nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen sollten wir CCS nutzen.“ Das UBA schlägt daher vor, die Technik zunächst in Müllverbrennungsanlagen zu testen, in denen aus nicht recycelbarem Abfall Wärme und Strom erzeugt wird, aber auch CO2 anfällt. So könnten erste Erfahrungen mit der Technik gesammelt und Umweltrisiken beurteilt werden.

Für die Abscheidung von CO2 (Carbon Capture) gibt es verschiedene Techniken. Einmal abgeschieden, wird das CO2 unter Druck verflüssigt und unterirdisch eingelagert (Storage). Eine Speicherung ist unter anderem in leeren Gas- oder Erdöllagerstätten, in salzwasserführenden Gesteinsschichten oder im Meeresuntergrund möglich. Sowohl Transport als auch Lagerung müssen dauerhaft sicher und dicht sein, um ein Entweichen des für Mensch und Umwelt in hohen Konzentrationen schädlichen CO2 zu verhindern. Wird CO2 etwa in den Meeresuntergrund verpresst, muss die marine Umwelt vor ⁠Versauerung⁠ geschützt werden. Diesen Nachweis muss die Technik noch erbringen.

Bei allen ungeklärten Fragen hält es das ⁠UBA⁠ für wichtig, die ⁠CCS⁠-Technik CCS-Technik zu erproben. Für einen Testbetrieb schlägt das UBA Müllverbrennungsanlagen vor. Das dort freigesetzte CO2 entsteht am Ende einer langen Wertschöpfungskette und könnte dann abgeschieden und gespeichert werden. Dieses so genannte Waste-CCS (WACCS) hat für die Umwelt zudem den Vorteil, dass für den dort verbrannten Müll kaum zusätzliche fossile Energieträger zum Einsatz kommen und die Abwärme genutzt wird.

Dem Einsatz von CCS-Anlagen in anderen Industriezweigen wie der Zementindustrie oder gar in der Energiewirtschaft steht das UBA kritisch gegenüber. In der Energiewirtschaft würde der Einsatz von CCS fossile Techniken verfestigen und den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern. Auch in anderen Branchen würde CCS klimafreundlichere Alternativen erschweren – etwa mehr Holzbau, alternative Bindemittel oder Baustoffe. Um keine negativen Effekte bei der Transformation der Energiewirtschaft, der Industrie und der Bauwirtschaft hervorzurufen, sollte die Technik dort nicht priorisiert werden.

Die EU hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral zu werden. Deutschland will das Ziel schon 2045 erreichen. Da jedoch selbst bei ambitionierter Klimapolitik unvermeidbare fossile Restemissionen von 40 bis 60 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr bleiben, sind natürliche CO2-Speicher wie Wälder, Moore, aber auch die verstärkte Holznutzung als Baustoff wichtig, um diese Emissionen aufzunehmen. „Der Ausbau und der Schutz von Mooren, Wäldern und anderen natürlichen Senken sollte unsere erste Priorität sein. CCS und andere technische Senken könnten die natürlichen Senken dann ergänzen“, so Messner. Für CCS bei der Abfallverbrennung hält das UBA eine Kompensation von bis zu 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr für möglich.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim UBA.

Hier findet ihr das UBA-Positionspapier „Carbon Capture and Storage (CCS)“.

Dass es sich bei CCS und den damit verbundenen Technologien um ein zu Recht umstrittenes Thema handelt, macht auch diese Pressemitteilung vom UBA deutlich. In unserem Gastbeitrag von Nico Czaja wird die Problematik noch einmal besonders ausführlich aufgeschlüsselt.

NABU zur Agrarministerkonferenz: Fischerei braucht keine Reform, sondern einen Neuanfang

Ein traditioneller Krabbenkutter für die Fischerei von Krabben in der Nordsee

© Joachim Müllerchen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Pressemitteilung, 22.09.2023, NABU

Krüger: Gegeneinander von Politik schadet Fischerei und Meer

Berlin – Anlässlich der heute endenden Agrarministerkonferenz in Kiel fordert der NABU ein entschlossenes Signal für einen Neuanfang in der Fischereipolitik in Deutschland. Als wichtiger erster Schritt gilt es den EU-Aktionsplan für eine nachhaltige Fischerei mit wirksamen Maßnahmen und einem ambitionierten Zeitplan zu unterstützen.

„Nach Jahren verfehlter Fischereipolitik, dem politischen Geschachere um Fangquoten, der Blockade notwendiger Meeresschutzmaßnahmen und einem immer schlechteren Umweltzustand unserer Meere brauchen wir einen Neuanfang. Bund und Länder müssen Position beziehen. Fischereien und die Lebensgemeinschaften in Nord- und Ostsee stehen mit dem Rücken zur Wand. Populationen von Hering und Dorsch in der Ostsee sind eingebrochen. Die Klimakrise und zu hohe Nährstofffrachten aus der Landwirtschaft verhindern eine Erholung. Es ist keine Zeit zur Symptombehandlung, die Politik muss an die Ursachen“, fordert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Das hat auch die EU-Kommission erkannt und fordert die Mitgliedsstaaten in dem „Aktionsplan zum Schutz und Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ auf, einen Fahrplan zu erarbeiten, um eben diese Ziele zu erreichen. Dazu gehört auch die grundberührende Fischerei in Meeresschutzgebieten zu beenden. Mit diesen und weiteren Maßnahmen sollen Fischbestände aufgebaut, aber auch wichtige Lebensräume wie artenreiche Riffe, Meeressäugetiere und Seevögel gegen menschliche Einflüsse und die Folgen der Klimakrise besser geschützt werden.

„Es fehlt Politik und Fischerei immer noch an der Bereitschaft für Veränderungen. Die pauschale Ablehnung des EU-Aktionsplans durch die deutschen Agrarministerien der Küstenländer aber auch des Bundeslandwirtschaftsministers ist nur ein Beispiel. Auf der Agrarministerkonferenz muss die Zukunft des Fischereisektors mit den Zielen des Meeresschutzes, der Wiederherstellung wichtiger Lebensräume, mit der Lenkungswirkung von Landwirtschafts- und Subventionspolitik zusammengebracht werden. Genau dort müssen Ursache und Wirkung verknüpft und der Weg in eine verantwortungsvolle und kohärente Politik beschritten werden“, ergänzt NABU-Meeresschutzexperte Dr. Kim Detloff.

Konkret wünscht sich der NABU von der Agrarministerkonferenz ein Bekenntnis zum EU-Aktionsplan, zur EU-Wiederherstellungsverordnung und damit einem ökosystembasierten Fischereimanagement. Die Landwirtschaftspolitik, allen voran der Düngemitteleinsatz an der Küste braucht einen verbindlichen Auftrag zum Erreichen des guten Umweltzustands in Nord- und Ostsee beizutragen. Die Förderung klimaneutraler Fangfahrzeuge sowie Zahlungen an die Fischerei in Härtefällen oder bei starken Fangeinschränkungen müssen an klare Nachhaltigkeitskriterien gebunden sein. Alles Elemente, mit denen ein Neuanfang der Fischerei gelingen kann, für die Fischerei und für eine gesunde Nord- und Ostsee.

Hintergrund:

Nach der EU-Biodiversitätsstrategie ist Deutschland verpflichtet, zehn Prozent der deutschen Nord- und Ostsee wirksam zu schützen. Das sagt auch der Koalitionsvertrag. Und das fordert der NABU mit seiner aktuellen Kampagne für Meeresschutzgebiete, die schützen („Meeresschutzgebiete müssen schützen!“). Dazu gehört auch die Regulierung der Grundschleppnetzfischerei wie es der EU-Aktionsplan fordert.

Der NABU beteiligt sich aktuell an Forschungsprojekten zur Entwicklung naturverträglicher Fanggeräte in Zusammenarbeit mit der Fischerei, der Fischereiforschung und dem Naturschutz und ist darüber hinaus Mitglied der Leitbildkommission Ostseefischerei. Hier werden Perspektiven für die Fischerei von morgen erarbeitet.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Durch die Grundschleppnetzfischerei wird nicht nur der Meeresboden nachhaltig zerstört, sie ist auch extrem klimaschädlich. Warum sich die für Fischerei zuständigen Landwirtschaftsministerien in Norddeutschland trotzdem zunächst gegen den EU-Aktionsplan ausgesprochen haben, könnt ihr in der Pressemitteilung des NABU vom März diesen Jahres nachlesen.

Deutsche Umwelthilfe deckt auf: LNG-Terminal vor Rügen für sichere Energieversorgung von Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig

Mehrere ungenutzte Gasröhren auf Rügen

© Josef Streichholz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 22.09.2023, Deutsche Umwelthilfe (DUH)

  • Studie des DIW Berlin im Auftrag der DUH zeigt: LNG-Projekt vor Rügen steht nachhaltiger Regionalentwicklung im Wege, ist klimapolitisch kontraproduktiv und behindert die Energiewende
  • Flüssigerdgas-Terminal vor Rügen ist nicht zur Vermeidung von Kapazitätsengpässen nach Ostdeutschland und Osteuropa notwendig, Engpässe können durch Flussumkehr auf bestehenden Pipelines beseitigt werden
  • DUH fordert Bundesregierung auf, Finanzmittel stattdessen für energiewendekompatible Projekte zu nutzen

Berlin, 22.9.2023: Eine von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Auftrag gegebene Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) deckt auf, dass ein Flüssigerdgas-Terminal vor Rügen angesichts der stabilen Ausgangslage zum Winter 2023/24 auch für die Versorgung von Ostdeutschland und Osteuropa nicht notwendig ist. Die derzeit hohen Speicherfüllstände sowie bestehende Importkapazitäten gewährleisten eine ausreichende Versorgung, selbst in kalten Wintermonaten. Die Studie berücksichtigt die Versorgungssituation in ganz Europa, dies gilt auch für osteuropäische Nachbarstaaten. Außerdem bestehen laut Gutachten keine strukturellen Netzengpässe, die die Versorgung Ostdeutschlands gefährden. Mögliche Netzengpässe innerhalb Deutschlands können schnell und deutlich günstiger durch Flussumkehr auf ehemals in Ost-West-Richtung betriebenen Verbindungsleitungen beseitigt werden. Zusätzlich gibt es genügend Flexibilität bei der Nutzung bereits bestehender Flüssigerdgas-Importkapazitäten.

Die im Auftrag der DUH erstellte Studie zeigt somit auf, dass es weder eine energiewirtschaftliche noch industriepolitische Notwendigkeit für das LNG-Projekt in Mukran gibt. Die DUH fordert die Bundesregierung auf, Finanzmittel stattdessen für energiewendekompatible Projekte zu nutzen und die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in der Region zu fördern.

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Das LNG-Projekt auf Rügen bekämpft ein Gespenst, das es nicht gibt. Unsere gemeinsame Studie belegt erneut, dass die Versorgung Ostdeutschlands und Osteuropas gesichert ist. Die Bundesregierung muss sich mit diesen Resultaten auseinandersetzen. Die Errichtung von LNG-Terminals vor Rügen hat mit faktenbasierter und verantwortungsbewusster Politik nichts zu tun.“

Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie-Verkehr-Umwelt am DIW: „Das fossile LNG-Projekt Mukran ist energiewirtschaftlich nicht notwendig und wird weiterhin nicht dringend zur Vermeidung einer Gasmangellage im Winter 2023/24 benötigt. Es ist klimapolitisch kontraproduktiv, da es den Lebensraum der Ostsee gefährdet, zusätzliche klimaschädliche Emissionen verursacht und eine nachhaltige regionale Wirtschaftsentwicklung auf Rügen behindert.“

Christian von Hirschhausen
, Forschungsdirektor am DIW: „Die Bundesregierung sollte den Ausbau der LNG-Infrastruktur stoppen und die verfügbaren Finanzmittel stattdessen für energiewende-kompatible Projekte verwenden.“

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der DUH.

Hier findet ihr den Link zur Studie des DIW Berlin.

Durch die regelmäßige Missachtung von Umweltauswirkungen, welche durch das Beschleunigungsgesetz der Bundesregierung weiter gefördert wird, haben bereits einige Umweltverbände vor den irreparablen Schäden für die Meeresumwelt gewarnt.

Bedeutender Erfolg für den Schutz der Meere

Dunkelblaue Wellen brechen

© Thomas Fuhrmann / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 21.09.2023, BMUV

Deutschland unterzeichnet als einer der ersten Staaten das UN-Hochseeschutzabkommen in New York

Deutschland hat gestern Abend das UN-Hochseeschutzabkommen BBNJ (Biodiversity Beyond National Jurisdiction) unterzeichnet. Außenministerin Annalena Baerbock und Bundesumweltministerin Steffi Lemke haben gemeinsam an der Unterzeichnung in New York teilgenommen. Zuvor hatte die internationale Staatengemeinschaft das Abkommen im Juni im Konsens angenommen. Deutschland hatte sich jahrelang für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen eingesetzt. Sobald 60 Staaten das Abkommen ratifiziert haben, tritt es 120 Tage später in Kraft. Ziel ist, dass dies bis zur nächsten UN-Ozeankonferenz 2025 in Frankreich geschieht. Die zügige Ratifizierung hat für Deutschland hohe Priorität. Durch das Abkommen können erstmals weltweit anerkannte Schutzgebiete auf Hoher See ausgewiesen werden, um Ruheräume für die Meeresnatur zu schaffen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Das UN-Hochseeschutzabkommen ist ein wegweisender Schritt für den internationalen Meeresschutz – und ein bedeutender Erfolg für den Multilateralismus. Deutschland hat heute das Abkommen als einer der ersten Staaten unterzeichnet und wird es auch finanziell unterstützen. Das sind wichtige Signale, damit wir jetzt ins Handeln kommen. Erstmals gibt es nun Regeln zum Schutz der Biodiversität in den Weltmeeren. Wir sind auf gesunde Meere bei der Bekämpfung der Klimakrise, der Verschmutzungskrise und der Krise des Artenaussterbens angewiesen. Nun gilt es zügig Schutzgebiete auf der Hohen See auszuweisen, um 30 Prozent der Weltmeere unter strengen Schutz zu stellen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieses Abkommen Realität wird. Es geht beim Schutz der Meere um nicht weniger als um den Schutz der Lebensgrundlagen der gesamten Menschheit.“

Außenministerin Annalena Baerbock: „Das Abkommen zum Schutz der Hochsee ist ein Hoffnungsschimmer für die ganze Welt. Bisher war es so, dass die Hohe See im Umweltbereich de facto ein rechtsfreier Raum war, auch wenn 2/3 der Ozeane die Hohe See umfassen. Gerade mit Blick auf den Schutz von Biodiversität konnten wir aufgrund dieser Regelungslücke nicht gemeinsam unsere Hohe See schützen. Das ändert sich jetzt mit diesem Abkommen. Und zugleich ist dieses Abkommen auch ein Hoffnungsschimmer für die Vereinten Nationen. Ja, dieser Prozess war lang. 15 Jahre hat es gedauert. Dieser Prozess hat aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam in den Vereinten Nationen gerade bei schwierigen Themen um Lösungen ringen und bereit sind, dicke Bretter zu bohren. Am Ende können dann Abkommen im Sinne der gesamten Welt zustande kommen.“

Das UN-Hochseeschutzabkommen gilt für ein Gebiet, das circa 40 Prozent der Erdoberfläche ausmacht. Es ermöglich, dass Schutzgebiete auf der Hohen See und im sogenannten „Gebiet“ (hoheitsfreier Tiefseeboden) ausgewiesen werden können. In diesen Gebieten wird die menschliche Nutzung eingeschränkt. Dies kann zum Beispiel die Fischerei, die Schifffahrt, oder auch den Tiefseebergbau betreffen. Die Vertragsstaatenkonferenz wird hierfür unter anderem mit Organisationen wie der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), der internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) oder regionalen Fischereiorganisationen zusammenarbeiten. Die marine Biodiversität leidet unter dem fortschreitenden Nutzungsdruck auf die Meere, sowie den Auswirkungen des Klimawandels. Die Temperatur der Weltmeere ist dieses Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen. Durch Ruhe- und Rückzugsräume können Schutzgebiete als Klimaschutzinstrumente eingesetzt werden, um unter anderem die Resilienz der Ozeane zu stärken. Das Hochseeschutzabkommen ist somit ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der VN-Nachhaltigkeitsziele (SDG 13 [Klimaschutz] und SDG 14 [Leben unter Wasser]).

Daneben verpflichtet das UN-Hochseeschutzabkommen Staaten zu Umweltverträglichkeitsprüfungen für relevante menschliche Aktivitäten auf der gesamten Hohen See, um die Auswirkungen auf die Meeresumwelt möglichst gering zu halten. Weiterhin regelt es den Vorteilsausgleich für die Nutzung maringenetischer Ressourcen der Hochsee sowie den Kapazitätsaufbau und Transfer von Meerestechnologie für Entwicklungsländer.
Besonders erfreulich ist, dass das Abkommen es ermöglicht, Meeresschutzgebiete ggf. auch mit Dreiviertelmehrheit auszuweisen, wenn ein Konsens nicht erreichbar ist, und dass es unmittelbare rechtliche Pflichten der Staaten enthält, die gegebenenfalls auch mithilfe der bewährten Streitbeilegungsmechanismen des UN-Seerechtsübereinkommens geklärt werden können (zum Beispiel vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg, dem IGH oder Schiedsgerichten).

Hintergrund

Die Hohe See umfasst 2/3 der gesamten Meeresgebiete und liegt außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse einzelner Staaten. Mit dem UN-Hochseeschutzabkommen werden detaillierte Regelungen zum Schutz der Biodiversität getroffen und eine Governance-Lücke geschlossen.

Das UN-Hochseeschutzabkommen tritt nach 120 Tagen in Kraft, sobald 60 Staaten das Abkommen ratifiziert haben. Der Ratifizierungsprozess schließt sich an die Unterzeichnung an. Nach Angaben der UN werden rund 20 Staaten das Abkommen bereits in den ersten Tagen unterzeichnen. Für DEU ist ein Umsetzungsgesetz erforderlich, was die Beteiligung des Bundestags voraussetzt.

Nachdem das Abkommen in Kraft getreten ist, wird eine Vertragsstaatenkonferenz (englisch COP – Conference of Parties) eingerichtet werden. Die Vertragsstaatenkonferenz kann unter anderem Beschlüsse zur Ausweisung von Schutzgebieten auf der Hohen See treffen und Empfehlungen an andere internationale Organisationen, wie zum Beispiel die Internationale Seeschifffahrtsorganisation zum Schutz der Biodiversität abgeben. Daneben entscheidet die Vertragsstaatenkonferenz zum Beispiel auch über die Einrichtung eines ständigen Sekretariats für das UN-Hochseeschutzabkommen und über dessen Sitz. Deutschland wird die Umsetzung des UN-Hochseeschutzabkommens durch die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) fördern. Daneben hat Deutschland eine Meeresoffensive gestartet, die sich sowohl international als auch national gegen die Umweltverschmutzung der Meere und für den besseren Umgang mit der Artenvielfalt einsetzt.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.

Neben den vielen überwältigenden Hiobsbotschaften über die Klima- und Biodiversitätskrise freuen wir uns, euch zur Abwechslung  ein paar „Good News“ präsentieren zu können. Auch gegen die Plastikflut liegt seit Anfang September ein Entwurf für ein globales Plastikabkommen vor und im Juli hat das Europäische Parlament für das Nature Restauration Law gestimmt.

Naturschutzverbände fordern Einlösung der Verdopplung der internationalen Naturschutzfinanzierung Deutschlands

Ein Naturschutz-Infoschild steht an einem Wanderweg

© Rosa-Maria Rinkl / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 20.09.2023, Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, CfN, DNR, DUH, FUE, Greenpeace, NABU, Pro Wildlife, WWF, ZGF

Berlin – Genau auf den Tag vor einem Jahr, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der UN-Vollversammlung an, dass die Bundesregierung bis spätestens 2025 1,5 Milliarden Euro jährlich in den weltweiten Erhalt der Natur und der Ökosysteme investieren wird. Die versprochene Erhöhung der finanziellen Mittel war ein politisch wichtiges Signal für die Weltnaturkonferenz in Montreal. Ohne das Vertrauen der Länder des globalen Südens, dass für die Umsetzung ausreichende finanzielle Ressourcen verfügbar sein werden, wäre das Abkommen vermutlich gescheitert. Im aktuellen Haushaltsentwurf scheint die Mittelerhöhung jedoch nicht eingeplant zu sein, was den deutschen Naturschutzverbänden große Sorge bereitet.

„Sollte Bundeskanzler Scholz sein Wort brechen, ginge das mit einem massiven Vertrauensverlust der Länder im globalen Süden einher, in denen der Großteil der noch verbleibenden Artenvielfalt liegt und die fest mit den zugesagten Finanzmitteln rechnen, um die historischen Ziele der Weltnaturkonferenz umzusetzen. Es wäre ein fatales Signal an die Welt. Ohne globale Solidarität lassen sich die größten Bedrohungen für die Menschheit, wie dem Verlust unserer natürlichen Lebensgrundlagen nicht lösen. Der Bundeskanzler würde damit nicht nur ein Scheitern des Abkommen von Montreal in Kauf nehmen, er riskiert damit auch die Zukunft der Menschen in Europa und überall in der Welt.

Rund 800 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich wären bis 2025 nötig, um den versprochenen Betrag einzuhalten. Ohne eine entsprechende schrittweise Erhöhung, die bereits in diesem Bundeshaushalt enthalten sein müsste, ist das nicht realistisch umzusetzen. Die Befürchtung: Eine schlagartige Verdopplung der Mittel könnte 2025 der Ressortabstimmung zum Opfer fallen. Doch sowohl der reduzierte Haushaltentwurf 2024 als auch die deutlichen Kürzungen in der Finanzplanung für das Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bis 2027, lassen befürchten, dass der rigide Sparkurs von Bundesfinanzminister Lindner ausgerechnet die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen vernachlässigt – mit fatalen Folgen. Das rasant fortschreitende Artensterben und die Zerstörung der Ökosysteme bedrohen alle Aspekte unserer Gesellschaft, darunter Wohlstand, Gesundheit, Wohlbefinden, Wirtschaft und Sicherheit aller Menschen.

Deutschland, die EU und andere Industrieländer haben bei der Finanzierung eine besondere Verantwortung, auch weil ihre Wirtschafts- und Handelsaktivitäten weltweit massiv zur Zerstörung der Natur beitragen. Insgesamt sind mindestens 30 Prozent des Verlustes von Arten direkt verbunden mit der Herstellung und dem Handel von Produkten, die in den Industriestaaten konsumiert werden.

„Wenn wir jetzt nicht alles für die Erhaltung der Biodiversität geben, wird das Anthropozän – das Zeitalter des Menschen – zur kürzesten Epoche der Erdgeschichte! Wie von mehr als 1700 Wissenschaftlern*innen in der „Berliner Erklärung“ 2021 gefordert, muss Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft seiner besonderen Verantwortung für den Verlust Biologischer Vielfalt gegenüber dem globalen Süden gerecht werden und die Finanzmittel kurzfristig mindestens verdoppeln und mittelfristig auf acht Milliarden Euro pro Jahr erhöhen“, so Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Die Biodiversitätskrise gehört laut World Economic Forum (WEF) neben der Klimakrise zu den größten Risiken für die Zukunft der Menschheit. Sie hat zudem weitreichende Konsequenzen für die Weltwirtschaft und Unternehmen. Daher fordern auch führende Ökonomen sofortige Investitionen und Maßnahmen in den Schutz der Biodiversität, denn die Kosten der Untätigkeit beim Verlust der biologischen Vielfalt sind hoch. Zwischen 1997 und 2011 verlor die Welt laut OECD schätzungsweise 4 bis 20 Billionen US-Dollar pro Jahr an Ökosystemleistungen.

Wir fordern den Bundeskanzler auf, in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am 22. September auf die Dringlichkeit der ausreichenden Finanzierung des Weltnaturabkommens hinzuweisen. Dafür muss die Verdopplung des deutschen Beitrags bestätigt und im diesjährigen Bundeshaushalt realisiert werden. Kanzler Scholz muss gleichzeitig an alle Industrieländer appellieren, ihre finanziellen Beiträge gegenüber den Ländern des globalen Südens ebenfalls zu erhöhen, um den auf der Weltnaturkonferenz in Montreal vereinbarten Betrag von insgesamt 20 Milliarden pro Jahr bis 2025 sicherzustellen.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Das Weltnaturabkommen hat das Ziel, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen – dazu hat sich auch Deutschland verpflichtet. Dies ist insbesondere für die Zukunft der stark übernutzten Nord- und Ostsee entscheidend.

Rechtsstreit um LNG-Vorhaben vor Rügen: Natur steht als Verlierer da

Kormorane fliegen über den Greifswalder Bodden

© Archiv Frank Liebig / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Pressemitteilung, 19.09.2023, NABU

Bundesverwaltungsgericht lehnt Eilantrag ab/ Beschleunigungsgesetzgebung führt zu bitterer Entscheidung für Greifswalder Bodden

Berlin/Schwerin – Enttäuscht hat der NABU die ablehnende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig im Eilverfahren zur LNG-Pipeline vor Lubmin im Greifswalder Bodden zur Kenntnis genommen. Diese ist am gestrigen Abend zugestellt worden. Der NABU-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern hatte unter anderem einen Baustopp beantragt, um insbesondere Baggerarbeiten an gesetzlich geschützten Riffen zu verhindern. „Die Argumentation des Gerichts ist für uns an vielen Stellen nicht nachvollziehbar“, so NABU-Landesgeschäftsführerin Dr. Rica Münchberger. „Zumal die Entscheidung bereits vor Ablauf unserer Begründungsfrist ergangen ist und wir bislang keine Einsicht in verfahrensrelevante Akten nehmen konnten. Unter diesen Bedingungen und mit den sehr kurzen Fristen, wird es für Umweltverbände nahezu unmöglich erfolgreiche Entscheidungen im Eilverfahren zu erstreiten.”

Es werde der gesetzliche Biotopschutz vom Tisch gewischt und der Habitatschutz vernachlässigt. „Das Gericht argumentiert, wir hätten eine erhebliche Beeinträchtigung der Riffe nicht substantiiert dargelegt“, so Dr. Rica Münchberger. „Die Leipziger Richter*innen ignorieren dabei die fehlende Akteneinsicht und stellen die Beweisführungspflicht auf den Kopf: Eigentlich darf eine Behörde ein Vorhaben nämlich nur dann zulassen, wenn sie zuvor Gewissheit darüber erlangt hat, dass dieses sich nicht nachteilig auf das Gebiet auswirkt.”

Diese erforderliche Gewissheit liegt nach der Rechtsprechung aber nur dann vor, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel an der Annahme besteht, dass solche Auswirkungen nicht auftreten werden. Nach Überzeugung des NABU sind diese Zweifel aber vorhanden, weil wertvolle Riffe dauerhaft zerstört werden und beispielsweise Laichhabitate und Rückzugsräume inmitten eines Meeresschutzgebietes verloren gehen. Auch die ausführlichen Kapazitätsberechnungen zur Versorgungslage werden in der Entscheidung vollständig ausgeblendet. Die alternative Nutzungsmöglichkeit der vorhandenen Nord-Stream-2-Rohre ebenso.

„Insgesamt führt die Entscheidung zu einer Niederlage für die Natur. Der Beschleunigungsrausch der Bundesregierung wirkt sich in Verfahren wie dem vorliegenden in gravierender Weise auf den Rechtsschutz aus”, stellt Dr. Rica Münchberger fest. Der NABU als größter deutscher Umweltverband sieht sich in der Verantwortung, das Verfahren als Anlass zu nehmen, um sich weiterhin vertieft mit den Auswirkungen der Beschleunigungsgesetzgebung zu befassen und auf daraus resultierende Missstände aufmerksam zu machen.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Bereits mehrfach in diesem Jahr hat der NABU MV gemeinsam mit anderen Umweltverbänden vor den irreparablen Umweltschäden der LNG-Pipeline durch den Greifswalder Bodden sowie weiterer geplanter küstennaher und küstenferner LNG-Standorte bei Rügen gewarnt. Neben den Auswirkungen für Flora und Fauna trägt das Gas außerdem nicht zum Klimaschutz bei – der CO2-Austoß der Schiffe, die LNG verwenden, verringert sich kaum, der Methanausstoß erhöht sich sogar.

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