Politik

Um die systematische Zerstörung der Ozeane zu verhindern, müssen wir uns gemeinsam dafür entscheiden.
Jeder für sich und alle zusammen als Teil von Politik und Wirtschaft.

Angriff auf Nature Restoration Law vorerst gescheitert

Ein kleiner Sätzling wird in die Erde gesetzt

© Noah Buscher / Unsplash

Pressemitteilung, 15.06.2023, NABU

Kreiser: EVP-Antrag, das Gesetz zurückzuweisen, wurde im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments abgelehnt

Berlin/Straßburg – Nach mehrstündigem Abstimmungsprozess im Umweltausschuss wurde die Positionierung des Europäischen Parlaments zum EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) unerwartet auf den 27. Juni vertagt. Der Versuch der konservativen Abgeordneten, das Gesetz ganz zu stoppen, scheiterte. Das Gesetz soll die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten, einen Teil ihrer geschädigten oder zerstörten Ökosysteme wiederherzustellen. Dazu kommentieren Konstantin Kreiser, NABU-Fachbereichsleiter für Naturschutzpolitik:

“Trotz Vertagung hat der Naturschutz einen ersten kleinen Zwischensieg erlangt: Der Antrag der Europäischen Volkspartei (EVP), dieses wichtige EU-Gesetz komplett zurückzuweisen, hat keine Mehrheit gefunden. Mehrheiten für den ohnehin bereits verwässerten Kompromisstext fanden sich jedoch ebenfalls kaum, auch, weil die EVP in den vergangenen Wochen mit Falschbehauptungen Stimmung gegen dieses wichtige Gesetz gemacht hat. Mehr als 800.000 Bürgerinnen und Bürger, tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zahlreiche Unternehmen und Verbände haben sich in den vergangenen Wochen für das Nature Restoration Law stark gemacht. Diesem Ruf müssen nun auch die Abgeordneten folgen, wenn die Abstimmung in zwei Wochen fortgesetzt wird. Das EU-Gesetz kann der Schlüssel dafür sein, die bevorstehenden Krisen zu bewältigen. Schon heute fegen Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände über Europa hinweg. Resiliente Ökosysteme helfen uns gegen genau solche Katastrophen.”

Am 20. Juni stimmen auch die Umweltminister*innen der Mitgliedstaaten über die Ratsposition zu diesem Gesetz ab, es wird eine Zustimmung der Bundesregierung erwartet.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Auch für den Meeresschutz wurde mit einem globalen Meeresschutzabkommen für die Hohe See ein historischer Durchbruch erzielt.

Unsere Meere brauchen Schutzgebiete, die schützen

Die Mittelplate bei Trischen in der Nordsee

© Dirk Ingo Franke / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0))

Pressemitteilung, 07.06.2023, NABU

Krüger: Bundeskanzler muss Meeresschutz zur Chefsache machen / Petition gestartet

Berlin – Drei von vier Menschen in Deutschland wollen, dass Nord- und Ostsee besser geschützt werden. Das ist das Ergebnis einer Civey-Umfrage, die der NABU zum Tag der Meere am 8. Juni in Auftrag gegeben hat. Insgesamt 73,8 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass mindestens die Hälfte der Meeresschutzgebiete vollständig von wirtschaftlichen Nutzungen freigehalten werden muss, damit sich Arten und Lebensräume erholen können. Mit dieser Forderung hat sich der NABU jetzt in einem offenen Brief an Bundeskanzler Scholz gewandt und gleichzeitig eine entsprechende Petition gestartet.

„Obwohl bereits jede dritte Art in Nord- und Ostsee auf der Roten Liste steht, finden weiterhin Rohstoffabbau, lärmender Schiffsverkehr, industrielle Nutzung und Fischerei in Meeresschutzgebieten statt. So geht der Artenschwund im Meer – trotz Schutzgebieten – ungebremst weiter“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Das können wir uns angesichts von Klima- und Artenkrise nicht mehr leisten. Die ewigen Blockaden notwendiger Naturschutzmaßnahmen aus den Ministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft und Verkehr müssen ein Ende haben. Wir fordern daher von Bundeskanzler Olaf Scholz, den Meeresschutz zur Chefsache zu machen. Wir brauchen endlich Meeresschutzgebiete, die diesen Namen auch verdienen.“

„Deutschland hat sich jüngst im Rahmen des Weltnaturabkommens in Montreal erneut verpflichtet, seine Meere besser zu schützen und 30 Prozent zerstörter mariner Lebensräume wiederherzustellen“, so Dr. Kim Detloff. „Doch noch immer agiert die Politik gegen die Natur. Das erleben wir gerade wieder in der Auseinandersetzung um die europäische Wiederherstellungsverordnung, wo die konservative Europäische Volkspartei (EVP) durch Desinformation eines der wichtigsten Naturschutzgesetze der letzten Jahrzehnte stoppen will. Das ist unverantwortlich gegenüber der Natur im Meer und an Land, und vor allem gegenüber zukünftigen Generationen.“

Der NABU fordert die Bundesregierung auf, das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 in seiner Gesamtheit wirksam zu schützen und mindestens 50 Prozent der deutschen Meeresschutzgebiete bis 2030 zu nutzungsfreien Zonen zu machen. Dazu hat der NABU heute die Petition „Kanzler-Appell: Meeresschutzgebiete müssen schützen!“ gestartet.

Welche marine Vielfalt es vor unserer Haustür zu schützen gilt, zeigt der NABU unter www.unseremeere.de – der ersten virtuellen Realität von Nord- und Ostsee in 360 Grad.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Hier findet ihr die Petition vom NABU.

Mit den „Kernforderungen für eine zukunftsfähige Meerespolitik“ wenden sich DEEPWAVE und 16 weitere umwelt- und entwicklungspolitische Organisationen an die Bundesregierung und zuständige Ministerien und Behörden mit der Aufforderung, im Rahmen ihrer aktuellen Legislatur politische Entscheidungen konsequent darauf auszurichten, die Meeresökosysteme zu schützen und ihre Funktionen zu erhalten.

Runder Tisch Meeresmüll seit sieben Jahren aktiv gegen die Plastikverschmutzung von Nord- und Ostsee

Verschiedener Meeresmüll liegt mit Algen angespült an einem Strand

© Kevin Krejci / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 02.06.2023, Umweltbundesamt

Seit sieben Jahren erarbeitet der Runde Tisch Meeresmüll Handlungsempfehlungen gegen die Plastikverschmutzung von Nord- und Ostsee. Heute kommen die Mitwirkenden in Berlin mit den Schirmherrschaften, Bundesumweltministerin Steffi Lemke, dem niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer und dem Präsidenten des Umweltbundesamtes Dirk Messner, zusammen, um besonders prägnante Arbeitsergebnisse zu präsentieren. Gemeinsam soll ein Resümee gezogen und die Ausrichtung sowie die Schwerpunkte der weiteren Zusammenarbeit festgelegt werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Die Vermüllung der Umwelt durch Plastik ist zu einem enormen Problem geworden, das insbesondere den Meereslebewesen und den Menschen schadet. Plastikmüll in den Meeren ist ein Teil der ökologischen Dreifachkrise, mit der wir weltweit konfrontiert sind. Von der gegenwärtigen ⁠UN⁠-Verhandlungsrunde in Paris muss daher das Signal für ein starkes und verbindliches internationales Abkommen gegen Plastikmüll und für mehr Meeresschutz ausgehen. Der heutige Runde Tisch dient dazu, unsere nationalen Erkenntnisse und Erfahrungen zu bündeln, um sie in die internationalen Verhandlungsprozesse einfließen zu lassen. Ich setze mich besonders dafür ein, schon den Beginn der Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen  und Plastikmüll, wo immer es geht,  zu vermeiden. Recycling kann einen wichtigen Beitrag leisten, aber der Nutzung von Stoffen am Ende eines Lebenzyklus sind Grenzen gesetzt. Deshalb ist es mir wichtig, schon beim Produktdesign anzusetzen.“

Christian Meyer, Umweltminister des Landes Niedersachsen: „Unsere Meere sind keine Müllkippe, insbesondere nicht für langhaltbares Plastik, sondern ein wertvolles ⁠Ökosystem⁠. Niedersachsen ist ein Küstenland, vom Meer abhängig und mit dem Schutz des Meeres eng verknüpft. Unser Weltnaturerbe Wattenmeer ist ein einzigartiger Lebensraum für Fische aber auch viele Zug- und Rastvögel. Fischerei, Tourismus, Nationalpark Wattenmeer, auch Schifffahrt und Offshore-Industrie – all diese Themen machen deutlich, wie sehr der Schutz der Meeresumwelt in unserem Alltag präsent ist. Auch und gerade beim Thema Müll im Meer. Die Müllbelastung muss schon bei der Entstehung wirksam reduziert werden, etwa durch Verbote von Einwegverpackungen und Plastikwegwerfartikeln. Es ist erschreckend, wie viel Plastikmüll wir im und am Meer finden. Aktivitäten gegen Einwegplastik sind daher genauso wichtig wie etwa die Umweltbildung in den Nationalparkhäusern. Aber auch Strandmüllsammlungen oder Fishing-for-Litter-Aktionen reduzieren die Müllbelastung und schaffen ein Bewusstsein für das Gesamtproblem.“

UBA⁠-Präsident Dirk Messner: „Der Runde Tisch Meeresmüll setzt auf die direkte Einbeziehung aller relevanter gesellschaftlicher Gruppen, um maßgeschneiderte Lösungen für die vielfältigen land- und seebasierten Eintragsquellen von Abfällen in die Meere zu entwickeln. Perspektivisch gilt es, dieses einzigartige Gremium noch besser in die Umsetzung politischer Vorgaben einzubinden, zu denen sich Deutschland national und international im Kampf gegen die Plastikvermüllung der Umwelt verpflichtet hat.“

Derzeit nehmen am Runden Tisch Meeresmüll rund 130 Expert*innen teil, darunter zum Beispiel Vertreter*innen aus der Fischerei, der Schifffahrt, der Industrie und dem Einzelhandel, der Wissenschaft, der Tourismusbranche aber auch Umweltverbände, Behörden, und Politiker*innen sowie Künstler*innen. Neben der Verfolgung von Maßnahmen spielt er eine wichtige Rolle als Informations- und Kooperationsplattform.

Entstanden sind in der bisherigen Zusammenarbeit vielfältige Ergebnisse. Dazu gehören unter anderem eine Bereitstellung von Handlungsleitfäden zu Best-Practice-Beispielen und rechtlichen Möglichkeiten für Kommunen zur Reduktion des Plastikmüllaufkommens. Es wurde ein Themenpapier zu Mikroplastikeinträgen in die marine Umwelt veröffentlicht, das den Stand des Wissens und prioritär erforderliche Maßnahmen darlegt. Zu den Produkten gehören aber auch Empfehlungen zur Vermeidung und sicheren Bergung von Geisternetzen, zur Entsorgung von Fanggeräten aus der Fischerei und aber auch Bildungskonzepte für verschiedene Altersgruppen sowie Hinweise zur Durchführung küstennaher umweltgerechter Müllsammelaktionen. Nicht zuletzt wurde ein Bildungskonzept für verschiedene Altersgruppen und Sektoren vorgelegt.

Nach Befassung der G7 sowie der G20-Staaten im Rahmen deutscher Vorsitze, zuletzt in 2022, hat die Staatengemeinschaft im vergangenen Jahr in Nairobi mit dem Mandat für ein rechtlich verbindliches UN-Abkommen gegen die Plastikvermüllung von Umwelt und Meeren eine wichtige Initiative auf den Weg gebracht.

Parallel zum Runden Tisch Meeresmüll laufen in Paris aktuell unter Ägide der Vereinten Nationen Verhandlungen für dieses Kunststoffabkommen, das im kommenden Jahr verabschiedet werden soll. Für die spätere Umsetzung sind nationale Präventionspläne vorgesehen. Der Runde Tisch Meeresmüll ist als bestehendes nationales Netzwerk prädestiniert, hier perspektivisch zu unterstützen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Runden Tisches Meeresmüll: www.muell-im-meer.de

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Umweltbundesamt.

Warum der Runde Tisch Meeresmüll so wichtig ist wird immer deutlicher, denn die globale „Plastikflut“ hat schon längst scheinbar unberührte Gebiete wie die Arktis und die Tiefsee erreicht.

Internationaler Tag des Ostseeschweinswals: Umweltverbände fordern Ende der Stellnetzfischerei in Verbreitungsgebiet

Ein Schweinswal schwimmt in der Flensburger Förde

© Soenke Rahn / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Pressemitteilung, 17.05.2023, BUND

BUND, DUH und Whale and Dolphin Conservation legen Bericht zum Schutz des Wals vor.

  • Schweinswal in zentraler Ostsee durch Stellnetze bedroht
  • Akustische Pinger dürfen wegen Marine nicht benutzt werden
  • Ende der Stellnetzfischerei im Verbreitungsgebiet letzte Option

Zum Internationalen Tag des Ostseeschweinswals am 21. Mai fordern der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Whale and Dolphin Conservation (WDC) in einem gemeinsamen Bericht die drastische Reduzierung oder Schließung der Stellnetzfischerei im Verbreitungsgebiet des Ostseeschweinswals. Nur so kann sich die vom Aussterben bedrohte Schweinswalpopulation in der zentralen Ostsee erholen. Die Verbände machen in ihrem Bericht konkrete länderspezifische Vorschläge für die Einschränkung der Stellnetzfischerei in Gewässern von Deutschland, Schweden, Finnland, Polen und den baltischen Staaten.

„Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und die anderen Ostsee-Anrainerstaaten endlich effektive Maßnahmen für den Schutz des Ostseeschweinwals ergreifen und den EU-Aktionsplan schnell in die Tat umsetzen. Jeder Schweinswal, der als Beifang im Stellnetz endet, ist ein Tier zu viel. Die Zukunft einer einzigartigen Spezies ist in Gefahr“, erklären die Verbände gemeinsam. „Die Reduzierung des Beifangs ist nur eine Möglichkeit, um den Schweinswal in der zentralen Ostsee zu retten. Die Auswirkungen durch Unterwasserlärm, Klimakrise und Verschmutzung machen ihnen das Leben schwer und müssen unbedingt mitgedacht werden.“ Die EU-Kommission hatte in ihrem “EU-Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung mariner Ökosysteme für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ im Februar 2023 ähnliche Maßnahmen vorgeschlagen. Jedoch hakt es an der Umsetzung.

Akustische „Pinger“-Geräte kommen als einzige technische Lösung aktuell nicht zum Einsatz 

Eine technische Lösung für den Schutz des Schweinswales sind sogenannte Pinger (akustische Warnmelder am Netz). Diese akustischen Warnmelder werden an den Stellnetzen angebracht und halten die Schweinswale von den Netzen fern. Für die Gewässer außerhalb von Schutzgebieten sind Pinger bisher die einzige technische Lösung, um das qualvolle Ertrinken der Wale in den Netzen zu verhindern. Auch der Internationale Rat für Meeresforschung empfiehlt diese Methode. In ihrem Bericht kritisieren die Umweltverbände, dass sich die Marine in einigen Ostsee-Anrainerstaaten gegen den Einsatz von Pingern wehrt. Ihrer Begründung nach, stören die akustischen Warnsignale militärische Aktivitäten. Auch die Deutsche Bundeswehr gehört zu den Kritikern von Pingern.

Reduzierung oder Schließung der Stellnetzfischerei letzte Option

Aufgrund der Pinger-Blockade steht der Prozess für einen besseren Schutz des Ostseeschweinswals bereits seit 2021 still. Einzige Chance für den Ostseeschweinswal: Die Stellnetzfischerei muss jetzt dort drastisch reduziert oder beendet werden, wo noch die letzten Schweinswale leben. In ihrem Bericht empfehlen die Verbände zum Beispiel die Schutzgebiete „Westliche Pommersche Bucht“ und „Rönnebank-Adlergrund“ für die Stellnetzfischerei zu schließen. Denn nur so lässt sich der Beifang ohne den Einsatz von Pingern in dem Maße reduzieren, dass die Population des Ostseeschweinswals eine Überlebenschance hat.

Hintergrund

Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass die Schweinswalpopulation der zentralen Ostsee nur noch etwa 450 Individuen umfasst und dem Verlust von nur einem Tier pro Jahr nicht dauerhaft standhalten wird. Derzeit sterben in dem Gebiet jedoch jedes Jahr geschätzt drei bis sieben Schweinswale als Beifang.

In dem EU-Aktionsplan geht die EU-Kommission auf die Bedrohung der Schweinswalpopulation in der zentralen Ostsee durch Beifang in der Stellnetzfischerei ein und fordert mehr Ambition von den Mitgliedstaaten, nationale Maßnahmen einzuführen, die den Beifang der Kleinwale so weit reduzieren, dass sich die Population vollständig erholen kann.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim BUND.

Was es mit den Pingern und der Kritik der Bundeswehr auf sich hat, könnt ihr in dieser gemeinsamen Pressemitteilung von DEEPWAVE und 14 weiteren Umweltschutzverbänden nachlesen.

Kernforderungen für eine zukunftsfähige Meerespolitik

Meeresoffensive - Seebrücke in der deutschen Ostsee

© David Paschke / Unsplash

Mit dem vorliegenden Papier wenden sich die unterzeichnenden umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen (Brot für die Welt, BUND, DEEPWAVE, Deutsche Umwelthilfe, DNR, Environmental Justice Foundation, fair oceans, Forum Umwelt & Entwicklung, Greenpeace, NABU, Misereor, Ozeanien Dialog, Pro Wildlife, Sharkproject, WDC, World Future Council, WWF) an die Bundesregierung und die zuständigen Ministerien sowie Behörden mit der Aufforderung, im Rahmen ihrer aktuellen Legislatur politische Entscheidungen konsequent darauf auszurichten, die Meeresökosysteme zu schützen und ihre Funktionen zu erhalten.

Bereits im Jahr 2020 haben wir gemeinsam ein Papier mit Kernforderungen zu einer Meeresoffensive adressiert, in dem es uns nicht nur darum ging, genauer zu formulieren, wo der Meeresschutz national und international im Argen liegt und was dringend getan werden muss, damit die Meere lebendig bleiben und die Funktionen, die wir uns von ihnen erhoffen, auch erfüllen können. Es ging uns darum zu zeigen, dass Meeresschutz kein Nischen- und Nebenschauplatz ist, sondern vor allem in Bezug auf den Klimaschutz die Bedingung für die nötigen Veränderungen zum Guten darstellt.

Unsere Forderungen fanden ihren Weg in die Wahlprogramme und in den Koalitionsvertrag, der in die Verkündung einer „Meeresoffensive“ durch die Bundesregierung mündete. Allerdings sind wir noch immer weit entfernt davon, den Zustand zu erreichen, in dem uns die Meere im Klimaschutz der entscheidende Verbündete sein können.

Wir hoffen mit dieser aktualisierten Zusammenstellung allen Entscheidungstragenden verständlich aufzuzeigen, wo und wie sie dazu beitragen können, dass uns die Meere weiterhin das Leben auf diesem Planeten ermöglichen. Denn genau das steht mit einem Weiter-so-wie-bisher auf dem Spiel.

Solange wir Klimaschutz nur vom Land aus statt vom Meer aus denken, werden wir die Klimakatastrophe nicht abwenden können. Auch wenn in der jungen Generation, um deren Zukunft es geht, dies so gesehen wird, ist den meisten Entscheidungstragenden noch nicht genügend deutlich, wie tiefgreifend und schonungslos wir in die Funktionen der Meere in den letzten Jahrzehnten eingegriffen haben, wie sehr dies unsere Zukunft beeinflussen wird und es schon tut, und wie sehr das Zeitfenster, etwas entscheidend zu verändern, jeden Tag kleiner wird.

Wir als reiches Deutschland haben nicht nur die Verantwortung, sondern auch die Ressourcen und Kapazitäten, diese Verantwortung zu übernehmen. Unser aktuelles Forderungspapier spannt daher den Bogen über relevante Problemfelder des deutschen und internationalen Meeresschutzes. Wir zeigen auf, dass die Klima- und die Biodiversitätskrise im Meer besonders eng verzahnt sind, wir beleuchten die drängenden Themen rund um Meeresschutzgebiete, den drohenden Tiefseebergbau und die Übernutzung der Meere z.B. durch die Fischerei und wir wenden unseren Blick in den Globalen Süden, wo der Zugang zu gesunden Meeren auch ein Faktor für Lebensunterhalt und Ernährungssicherheit ist.

Mit unserem gemeinsamen Kernforderungspapier möchten wir die Erarbeitung der deutschen Meeresstrategie flankieren und wünschen uns, dass alle Aspekte sich darin wiederfinden und mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden.

Noch können wir gemeinsam die Weichen für eine Zukunft mit den Meeren stellen.

Schutz des Wattenmeers ist nicht verhandelbar

Eine Luftaufnahme des nordfriesischen Wattenmeers

© Ralf Roletschek / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Pressemitteilung, 27.04.2023, NABU

Leerstellen der Befahrensverordnung gefährden Weltnaturerbe Wattenmeer

Berlin – Das Bundesverkehrsministerium hat heute neue Befahrensregeln für alle Schiffe und Sportler auf See für die drei Wattenmeer-Nationalparks bekanntgegeben. Die aktuell geltenden sind seit 1992 unverändert in Kraft. Daher begrüßt der NABU die Novellierung der Nordsee-Befahrensverordnung (NordSBefV) grundsätzlich, sieht in der Ausgestaltung allerdings noch zahlreiche Leerstellen.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Es ist gut, dass der Bundesverkehrsminister der Novellierung zugestimmt hat. Doch der Naturschutz ist dabei zum Beiwerk verkommen. Wirtschaftliche Interessen stehen – wie so oft – im Vordergrund, obwohl der Schutz unseres Weltnaturerbe Wattenmeer nicht verhandelbar sein darf.“

Die Novellierung der Befahrensregeln kommt mehr als 20 Jahre zu spät – aber führt jetzt zu mehr Rechtssicherheit. Außerdem werden die Schutzzonen der Nationalparks und auch das Walschutzgebiet vor Sylt – eine der Kinderstuben des Schweinswals – künftig in den amtlichen Seekarten dargestellt und sind so für jedermann sichtbar. Geschwindigkeiten werden ab jetzt über Grund gemessen, statt im Wasser. So lassen sich Verstöße leichter feststellen, doch die Umsetzung der komplizierten Regelungen wird eine Herausforderung bleiben.

Besonders schwerwiegend ist jedoch, dass zu viele Schnellfahrkorridore ausgewiesen wurden und Flächen für Kiter in ohnehin schon belasteten Gebieten weiter vergrößert wurden. Gleichzeitig gibt es künftig keine Einschränkungen mehr zum Befahren der besonders sensiblen Gebiete im Nationalpark bei Niedrigwasser. Die Folge: Wattenmeervögel verlieren an Lebensraum, der Unterwasserlärm und Störungen von Vögeln, Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen nehmen zu. Zudem sind besondere Ausnahmeregelungen für den dauerhaften Einsatz von Schnellfähren einzelner Reedereien nicht kompatibel mit dem hohen Schutzstatus des Wattenmeers.

Jeder soll den Nationalpark Wattenmeer erleben dürfen. Der NABU appelliert an alle Wattenmeer-Fans, Sportbootfahrer, Reeder und Kiter, wertschätzend und respektvoll mit diesem Juwel umzugehen.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Das Bild zeigt die Insel Neuwerk von oben, mitten im nordfriesische Wattenmeer.

Im November 2022 fand die 14. trilaterale Wattenmeer-Konferenz statt. Dänische, deutsche und niederländische NGOs forderten ehrgeizige Maßnahmen zum Schutz des Wattenmeers und warnten vor einer Industrialisierung der Nordsee.

„Kein LNG-Terminal vor oder auf Rügen“

Vor Rügen soll ein LNG-Terminal entstehen

© Peggychoucair / Pixabay

Pressemitteilung, 05.04.2023, WWF

Gemeinsamer Appell der Umweltverbände an Ministerpräsidentin Schwesig

Vor dem morgigen Besuch von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig in Sassnitz auf Rügen warnen die Umweltverbände BUND Mecklenburg-Vorpommern, Deutsche Umwelthilfe (DUH), NABU Mecklenburg-Vorpommern sowie der WWF Deutschland vor irreparablen Schäden eines LNG-Terminals direkt vor der Insel Rügen oder an anderen Standorten im Ostseeraum.

Die Verbände sprechen sich nicht nur gegen den inzwischen verworfenen Standort der LNG-Terminals vor dem Seebad Sellin aus, sondern auch gegen einen Standort im Hafen Mukran, sowie gegen andere offshore Standorte in der Ostsee. Denn auch für diese alternativen Standorte soll offenbar eine Offshore-Pipeline gebaut werden. Diese würde ein großes Meeresnaturschutzgebiet belasten und durch sensible und geschützte Lebensräume und Teile des Greifswalder Boddens führen, was unakzeptable negative Auswirkungen auf dortige Ökosysteme zur Folge hätte. Zudem wäre nach Informationen der Umweltverbände beim Standort Mukran aus Platzgründen der Bau eines großen Offshore-Anlegers vor dem Hafen notwendig, der den Tourismus auf der Insel, geschützte Meeresbiotope und die Strömungen und Küstenmorphodynamik beeinträchtigen würde. Die östlich vom Hafen Mukran liegenden, geschützten Riff-Biotope könnten durch ein Vorhaben dieser Größe sogar vollständig vernichtet werden.

Es ist somit klar: küstennahe und küstenferne LNG-Standorte bei Rügen würden die verschiedenen Ökosysteme der Ostsee in erheblichem Maße und unwiderruflich schädigen und damit auch die Lebensgrundlage für Insel-, sowie Meeresbewohner. Die Verbände appellieren deshalb an Ministerpräsidentin Schwesig, die LNG-Pläne vor Rügen vollends aufzugeben:

Corinna Cwielag, Geschäfgtsführerin BUND Mecklenburg-Vorpommern: „Die Energieversorgung kann nicht auf Kosten von Ökosystemen gelöst werden. Die Bundesregierung muss ihre Verantwortung wahrnehmen und dem Bau weiterer und erwiesenermaßen unnötiger LNG-Anlagen stoppen.“

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Egal ob Sellin, Mukran oder küstenfernere Standorte – vor Rügen darf kein LNG-Terminal entstehen. Die massiven Umwelt- und Klimaauswirkungen dieses Vorhabens sind zu gravierend. Ministerin Schwesig muss die Pläne verwerfen – der Schutz der Ostsee und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner muss an erster Stelle stehen.“

Rica Münchberger, Landesgeschäftsführerin NABU Mecklenburg-Vorpommern: „Sowohl der Bau als auch der langdauernde Betrieb werden zur Zerstörung empfindlicher und geschützter Lebensräume, zur Dauerbelastung bedrohter Meeressäugetiere, Rast- und Zugvögel sowie nicht zuletzt der Fischwanderrouten und des bedeutendsten Heringslaichgebietes der westlichen Ostsee führen. Für diesen Naturraum und seine Funktionsfähigkeit trägt Mecklenburg-Vorpommern die Verantwortung und steht in der Pflicht, ihn zu schützen.“

Finn Viehberg, Leiter WWF-Büro Ostsee: „Die Pläne für den geplanten LNG-Ausbau sind überdimensioniert, daran ändert eine Standortverschiebung nichts. Es besteht kein Bedarf an zusätzlichen LNG-Anlagen auf Rügen. Angesichts der Klimakrise können wir es uns nicht leisten, die Abkehr von fossilen Energieträgern Jahrzehnte in die Zukunft zu verschieben, während Natur und Umwelt den Preis dafür weiterhin zahlen. Wir müssen unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden und auf erneuerbare Energien umsteigen, bevor es zu spät ist“.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.

In Brunsbüttel wurde bereits Anfang 2023 ein LNG-Terminal eingeweiht. Zu diesem Anlass forderten der BUND und NABU die Überarbeitung gesetzlicher Grundlagen.

Um künftig Informationen für das Management der Meeresschutzgebiete in der Ostsee zu liefern, wurde vor Rügen die erste schwimmende Messstation in Betrieb genommen.

Lemke: Mit Natürlichem Klimaschutz Ökosysteme stärken und gegen Klimakrise angehen

Eine Salzwiese

© Trish Hartmann / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 29.03.2023, BMUV

Bundesregierung verabschiedet Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz zur Stärkung und Wiederherstellung von Ökosystemen

Das Bundeskabinett hat heute das von Bundesumweltministerin Steffi Lemke vorgelegte Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) verabschiedet. Mit dem ANK will die Bundesregierung dazu beitragen, den allgemeinen Zustand der Ökosysteme in Deutschland deutlich zu verbessern und so ihre Resilienz und ihre Klimaschutzleistung zu stärken. Natürliche Lebensräume wie Moore, Wälder, Wildnis, Auen, Meere und Küsten sollen besser geschützt und widerstandsfähiger werden, um dauerhaft zu den nationalen Klimaschutzzielen beizutragen. Hierzu verbindet das ANK Klimaschutz mit Naturschutz und hilft dabei, die Klimakrise zu bekämpfen, die biologische Vielfalt zu erhalten und gegen die Folgen der Klimakrise vorzusorgen. Das Aktionsprogramm enthält insgesamt 69 Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern. Für die Finanzierung stehen bis 2026 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land: Sie alle können Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern. Sie sind Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten und wirken als Puffer gegen Folgen der Klimakrise, indem sie zum Beispiel Wasser in der Landschaft halten und bei Hitze für Abkühlung sorgen. Tagtäglich erbringt die Natur so für uns viele lebenswichtige Dienstleistungen, allerdings nur solange Ökosysteme intakt sind. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz schaffen wir jetzt gezielt Anreize und Angebote, um Ökosysteme wiederherzustellen und widerstandsfähiger zu machen. Das ist ein echter Paradigmenwechsel hin zur Wiederherstellung von Natur und eine gute Nachricht für den Klimaschutz, für die Natur, für Tiere, Pflanzen und natürliche Lebensräume. Und es ist eine gute Nachricht für uns alle. Denn überall dort, wo wir die Natur schützen und stärken, arbeitet sie auch für uns.“

Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz soll mit insgesamt 69 Maßnahmen in dreifacher Hinsicht für die Verbesserung von Ökosystemen wirken: Erstens sind intakte Ökosysteme natürliche Klimaschützer. Wälder und Moore, Meere und Gewässer, Grünflächen in der Stadt und auf dem Land binden CO2 aus der Luft und speichern es langfristig. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz leistet daher einen wichtigen Beitrag, um die im Bundes-Klimaschutzgesetz verankerten Ziele für den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald (LULUCF) und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Zweitens ist eine intakte Natur Lebensraum für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Natürlicher Klimaschutz hilft deshalb dabei, die ehrgeizigen Verpflichtungen der Weltnaturkonferenz in Montreal umzusetzen. Und drittens hilft natürlicher Klimaschutz entscheidend dabei, Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise zu treffen. Denn gesunde Ökosysteme wie Flussauen, Moore und Wälder halten das Wasser in der Landschaft, können es für Dürrezeiten speichern und stehen bei Hochwasser als Überschwemmungsflächen zur Verfügung. Das ANK ist hier eng mit der Nationalen Wasserstrategie verknüpft, die das Kabinett vor zwei Wochen verabschiedet hat.

Hintergrundinformationen:

Das Programm enthält 69 Maßnahmen in insgesamt zehn Handlungsfeldern: zum Beispiel zu Mooren, Waldökosystemen, Meeren und Küsten, Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie zu Forschung und Kompetenzaufbau. Für die Umsetzung stehen bis 2026 vier Milliarden Euro bereit.

Für eine zügige Umsetzung sollen erste Maßnahmen rasch anlaufen. Bis zum Sommer soll das Kompetenzzentrum für Natürlichen Klimaschutz eingerichtet werden, damit sich Interessierte wie beispielsweise Landbesitzende über passende Fördermöglichkeiten informieren können. Eine erste Förderrichtlinie für Natürlichen Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum soll in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. In kommunalen Projekten sollen Flächen gezielt so genutzt werden, dass sie Klimaschutz und biologische Vielfalt fördern, ländliche Gebiete attraktiver machen und zur Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise beitragen. Und ein Maßnahmenpaket Stadtnatur soll noch in diesem Jahr starten, zum Beispiel um städtische Flächen zu entsiegeln, bestehende Grünflächen naturnah umzugestalten und Stadtbäume zu pflanzen.

Das ANK ist Ergebnis eines umfassenden Beteiligungsprozesses aus dem letzten Herbst. Rund 120 Stellungnahmen und über 1.000 Online-Kommentare wurden inhaltlich eingehend geprüft. Zur Umsetzung wurden die Grundlagen für eine breite Allianz mit Landbesitzenden, Naturschützerinnen und -schützern und Verantwortlichen vor Ort gelegt. Die Maßnahmen des ANK setzen insbesondere auf finanzielle Anreize, um eine freiwillige Umsetzung von Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes zu unterstützen. Flankiert werden diese Maßnahmen unter anderem durch eine Überprüfung des Rechtsrahmens, insbesondere um die Umsetzung der geförderten Projekte zu erleichtern, Beratungs- und Bildungsangebote, moderne Vorhaben aus Forschung und Innovation sowie ein umfassendes Monitoring.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.

Das ANK verbindet Klimaschutz mit Naturschutz – beides ist unumgänglich für einen erfolgreichen Schutz unserer Meere.

 

Handelsverbot für den internationalen Flossenhandel

Handelsverbot: Mehrere Haifischflossen liegen zum Trocknen aufgereiht

© Cloneofsnake / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Pressemitteilung, 23.03.2023, SHARKPROJECT Germany e.V.

Handelsverbot als einzig verbleibende Lösung gegen die weltweite Massenausbeutung der Haie für den internationalen Flossenhandel

1,1 Millionen Europäer und über 100 NGOs fordern ein Ende des Flossenhandels in der EU

(lifePR) (Frankfurt/Zürich, 23.03.2023) In einem offenen Brief wenden sich über 100 Meeres- und Tierschutzorganisationen, darunter auch viele deutsche und europäische Organisationen wie Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe, Sharkproject, Sea Shepherd, Pro Wildlife, Seas at Risk, die Environmental Justice Foundation und die Deutsche Meeresstiftung an das Europäische Parlament: sie fordern im Namen der 1,1 Millionen EU Bürger, die die Europäische Bürgerinitiative „Stop Finning – Stop the Trade“ unterzeichnet haben, ein neues Handelsgesetz, welches den Import und Export von abgetrennten Hai- und Rochenflossen in der Europäischen Union untersagt.

Keine Tierart sollte infolge des internationalen Handels vom Aussterben bedroht sein und schon gar nicht wegen des Wertes eines einzelnen Körperteiles. Da sind sich Artenschützer, Politiker und die Allgemeinheit zumindest bei den Landtieren und den Meeressäugern relativ einig. Wie sieht es aber mit den Meeresbewohnern aus, die wir landläufig als Fische betrachten und die daher sowohl in europäischen Gewässern als auch weltweit vor allem um ihrer Flossen willen gefangen werden – als Zielspezies oder als gern gesehener Beifang in der Fischerei?

Haie und Rochen (gemeinsam auch als Plattenkiemer oder Elasmobranchii bezeichnet) sind unverzichtbar für gesunde und widerstandsfähige Meere und diese wiederum sind unsere letzte Bastion gegen den immer schneller voranschreitenden Klimawandel. Haie haben eine unverzichtbare Rolle in den komplexen Nahrungsnetzen im Meer und werden aus gutem Grund oftmals auch als die Gesundheitspolizei der Meere bezeichnet. Nachweislich sind Riffe und Meeresgebiete, in denen es noch gesunde Haibestände gibt, ökologisch vielfältiger und auch fischreicher. Doch weltweit gehen die Artenvielfalt und die Fischbestände dramatisch zurück, was sich zum zunehmenden Problem für die Nahrungssicherheit v.a. im globalen Süden, aber auch für unser aller Klima entwickelt. Über 50% unseres Sauerstoffs stammen aus den Ozeanen und ein Großteil der vom Menschen stammenden Treibhausgase wurden bisher von den Meeren aufgenommen – allesamt unverzichtbare Ökosystemleistungen der Meere. Um diese Funktionen auch in Zukunft sicherzustellen, braucht es artenreiche Ozeane und genau dafür sind die in allen Meeresregionen und -tiefen vorkommenden artenreichen Plattenkiemer unverzichtbar: als Top Prädatoren in der Hochsee und an den Korallenriffen, als Bewohner der Küstenregionen und der Tiefsee.

Über ein Drittel aller Hai- und Rochenarten sind bereits vom Aussterben bedroht

Über 100 Millionen Haie werden jährlich durch die Fischerei getötet, vielfach nur um den Wert ihrer Flossen willen, die dann als Haifischflossensuppe auf asiatischen Tellern landen. Und nicht nur Haie, sondern auch viele Rochenarten sind begehrte Flossenlieferanten, die oftmals sogar Höchstpreise von 1000$ pro kg auf den asiatischen Märkten erzielen. Als Folge dieser massiven Ausbeutung sind mittlerweile weltweit über ein Drittel aller Hai- und Rochenarten vom Aussterben bedroht und die Populationen der Hochseehaie in den letzten 50 Jahren bereits um über 70 % zurückgegangen, als Folge der Überfischung, getrieben durch den internationalen Flossenhandel.

Nicht umsonst wurden letztes Jahr 60 weitere Hai- und 37 Rochenarten in den Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) aufgenommen, um den internationalen Handel mit diesen Arten strenger zu regulieren. Allerdings ist es bei mehreren Tausend Tonnen an Flossen, die allein in der EU jährlich gehandelt werden, nahezu unmöglich zu identifizieren, um welche Arten es sich dabei jeweils handelt und ob die für den Handel erforderlichen Erlaubnisse entsprechend vorliegen. „Welcher Zöllner kann in der Praxis bei einer Ladung von mehreren Tonnen an abgetrennten Flossen sicher unterscheiden, ob es sich dabei tatsächlich um die Arten handelt, für die die erforderlichen Ausfuhrpapiere vorliegen? Oder ob sich eben doch auch Flossen von bedrohten Arten darunter befinden, für die solche Unbedenklichkeitserklärungen (engl. Non Detriment Findings) nicht vorliegen? Oder ob es sich sogar um Flossen handelt, die durch Finning gewonnen wurden?“, erläutert Dr. Iris Ziegler von der Artenschutzorganisation Sharkproject die Forderung der Bürgerinitiative. Eine eindeutige Identifizierung der jeweiligen Art aus getrockneten oder gefroren transportierten Flossen ist nur anhand teuer und oftmals zeitaufwendiger DNA-Tests möglich. Nach dem Willen der EU-Bürger sollen zukünftig in der EU daher Haie und Rochen nur noch importiert oder exportiert werden dürfen, wenn sich alle Flossen noch am jeweiligen Tierkörper befinden, jedoch keine abgetrennten Flossen mehr.

Während seit 2013 in der EU die Flossen von Haien ausnahmslos erst nach der Anlandung von den Körpern der Tiere abgetrennt werden dürfen, ist es in vielen anderen Regionen der Welt noch immer erlaubte Praxis, die Flossen bereits auf See abzutrennen, solange die Haikörper ebenfalls an Bord verbleiben. „Experten sind sich aber einig, dass das Finning, d.h. das Abtrennen der Flossen und das Entsorgen der Tierkörper auf See nicht ausgeschlossen werden kann, solange das Abtrennen auf See noch erlaubt ist“ bestätigt Petra Schwerdtfeger von Sharkproject. „Zudem gibt es kaum Kontrollen, ob die geltenden Vorschriften tatsächlich eingehalten werden, weder auf See noch in den Häfen“ ergänzt sie.

Rochen sind auch in der EU von der Anforderung nach Anlandung der Tiere samt aller Flossen explizit ausgenommen.

Die Europäische Union gehört weltweit zu den 15 größten Haifischfangnationen und importiert selbst Flossen aus Drittländern. Die EU exportiert Flossen hauptsächlich nach Südostasien.

Zeit zu Handeln

Die Unterzeichnenden des Offenen Briefes begrüßen die Bemühungen der Europäischen Union zur EU-Biodiversitätsstrategie und dem Green Deal der EU, betonten jedoch auch, dass die EU ihren Verpflichtungen zum Schutz der Haie und Rochen nachkommen und die Erfüllung der Artenschutzbestimmungen sicherstellen müsse.

Durch ein Verbot des Handels mit abgetrennten Flossen werde sowohl eine nachhaltige „Blue Economy“ als auch die Ernährungssicherheit unterstützt. Daher fordern die unterzeichnenden Organisationen die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, den Worten endlich Taten folgen zu lassen und sich der wachsenden Zahl von Nationen (Kanada, USA, UK, Österreich, zahlreiche Pazifikstaaten) anzuschließen, die den Schutz der Meere und der Haie ernst nehmen, indem sie entsprechende Handelsbestimmungen bereits in die Tat umsetzen. Jetzt sei die Zeit zu handeln!

Anhörung im Parlament für eine mögliche neue Gesetzgebung

Am 11. Januar 2023 wurden die 1,1 Millionen Unterschriften der Europäischen Bürgerinitiative „Stop Finning – Stop the Trade“ in Unterstützung für ein Handelsverbot für abgetrennte Flossen bei der Europäischen Kommission eingereicht.

Am 27. März 2023 wird ab 15:00 Uhr eine Delegation der Bürgerinitiative, darunter die renommierte Wissenschaftlerin und Meeresschützerin Dr. Sylvia Earle, gemeinsam mit Artenschützern sowie weiteren Experten, die Hintergründe und Forderung der Initiative in einer öffentlichen Anhörung in Brüssel mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments diskutieren. Diese kann hier als Liveübertragung mitverfolgt werden: https://www.europarl.europa.eu/committees/en/pech/meetings/webstreaming

Die EU-Kommission ist verpflichtet, spätestens 6 Monate nach Einreichen der Initiative ihr weiteres Vorgehen hinsichtlich der vorgeschlagenen Gesetzesänderung bekannt zu geben und im Falle einer Ablehnung ihre Gründe schriftlich zu begründen. Fällt die Entscheidung positiv aus, wird die Initiative durch das einschlägige Gesetzgebungsverfahren laufen und idealerweise in einer entsprechenden Handelsregulierung enden.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei lifePR.

Hier findet ihr den offenen Brief an die Abgeordneten des Europaparlaments, der von DEEPWAVE und 110 weiteren Meeresschutz- und Tierschutzorganisationen unterzeichnet wurde.

Nach dem erfolgreichen Ausgang der CITES-Konferenz im November 2022, wonach in Zukunft etwa 90 Prozent aller international gehandelten Hai- und Rochenarten besser vor der Übernutzung durch den internationalen Handel geschützt werden, hofft DEEPWAVE auf eine positive Entscheidung der EU-Kommission, die letztendlich zu einem vollumfänglichen Handelsverbot führen könnte.

NABU zum Nein der Küstenbundesländer zum EU-Aktionsplan Nachhaltige Fischerei

Mehrere blaue und weiße Fischereinetze liegen übereinander

© SylvaineA / Pixabay

Pressemitteilung, 21.03.2023, NABU

Krüger: Notbremse der EU als Folge jahrelanger Tatenlosigkeit

Berlin – Die für die Fischerei zuständigen Landwirtschaftsministerien in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben sich jüngst gegen den im Februar veröffentlichten „Aktionsplan für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ der EU ausgesprochen. Dieser sieht vor, die Grundschleppnetzfischerei in NATURA-2000-Gebieten bis 2030 auszuschließen. Ein aus NABU-Sicht notwendiger und richtiger Schritt.

Dazu NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Uns ist bewusst, dass die notwendigen Maßnahmen große Einschnitte für die Fischerei bedeuten. Gleichzeitig bleibt der EU aber keine andere Wahl. Sämtliche Umweltziele für die Nord- und Ostsee wurden verfehlt, Fischbestände brechen zusammen. Jahrelang wurden die Empfehlungen von Wissenschaft und Naturschutz ignoriert. Jetzt rächen sich die Jahre der Tatenlosigkeit. Wie beim Klimaschutz braucht es nun drastische Maßnahmen, um die biologische Vielfalt der Meere vor den Auswirkungen der Grundschleppnetze zu schützen und ihre Resilienz zu stärken.“

Deutschland hat 45 Prozent seiner Meeresfläche in Nord- und Ostsee als Schutzgebiete ausgewiesen, in den Küstengewässern ist es mehr als die Hälfte. Erst vor wenigen Wochen traten erste einschränkende Fischereimaßnahmen in den Naturschutzgebieten der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der deutschen Nordsee in Kraft, 20 Jahre nach Ausweisung der Gebiete. Doch nur weniger als ein Prozent ist zukünftig komplett frei von Fischfang. Zu wenig, um etwa den Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie gerecht zu werden.

Der geplante Fischereiausschluss stößt in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen auf harten Widerstand. „Statt mit konstruktiven Vorschlägen aufzuwarten, verweigern die Fischereiministerien der Länder auf Druck der Krabbenfischer die Umsetzung des Aktionsplans. Trotz ihrer Sorgen um die Zukunft der handwerklichen Fischerei tragen sie auch Verantwortung für streng geschützte Riffe, für Seegraswiesen, Muschelbänke und klimarelevante Schlickgründe“, mahnt NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff. „Drei Monate nach Beschluss der Weltnaturkonferenz, 30 Prozent der Meere wirksam unter Schutz zu stellen und nur zwei Wochen nach Abschluss des Hochseeschutzabkommens transportieren die Küstenländer hier ein fatales Signal zu Lasten der Glaubwürdigkeit Deutschlands im internationalen Meeresschutz.“

Ingo Ludwichowski vom NABU Schleswig-Holstein ergänzt: „Das Verbot der grundberührenden Fischerei ist nicht nur ein Instrument des Schutzes bedrohter Meeres-Lebensräume. Es trägt als erster Schritt auch dazu bei, die verheerende Situation der Fischerei zu verbessern, indem für Fische wieder weniger gestörte Laich- und Aufzuchtgebiete zur Verfügung stehen.“

Der EU-Aktionsplan basiert auf Instrumenten wie der Gemeinsamen Fischereipolitik und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und fordert deren überfällige Umsetzung. Der Plan verweist aber auch auf die Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung durch den Europäischen Meeres-Aquakultur- und Fischereifonds (EMFAF), um sozio-ökonomische Folgen auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Küstenfischerei abzumildern.

Mit Blick auf die Agrarminister-Konferenz am 22. März in Büsum erwartet der NABU ein klares Bekenntnis der Bundesministerien für Fischerei und Umwelt zum EU-Aktionsplan wie es auch der aktuell gültige Koalitionsvertrag vorsieht. Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen fügt hinzu: „Dazu braucht es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die einen Fahrplan erarbeitet, um das deutsche Schutzgebietsnetzwerk frei von grundberührenden Fanggeräten zu halten. Zugleich braucht es eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Fanggeräte und eine Forschungsoffensive bei der Entwicklung umweltschonender Fangtechnik. Wir brauchen gemeinsame Lösungen von Fischerei und Naturschutz. Klar ist: ein Weiter so ist keine Option.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.

Mit der Frage, welche Auswirkungen die Grundschleppnetzfischerei auf die Nord- und Ostsee hat, beschäftigen sich zwei Pilotmissionen der Deutschen Allianz für Meeresforschung.

Warum Grundschleppnetzfischerei nicht nur die Meeresumwelt zerstört, sondern auch ein Klimakiller ist, könnt ihr in unserem Blogbeitrag „Grundschleppnetzfischerei setzt genauso viel CO2 frei wie Flugreisen“ nachlesen.

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