Tiefsee

Das unerforschteste und unereichbarste Ökosystem der Erde birgt Wunder und Überraschungen.
Doch sind wir dabei, es irreversibel zu zerstören.

Eine Assel namens Brandt

Die neu entdeckte Assel Austroniscus brandtae

© Terue Kihara / Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Pressemitteilung, 6.7.2023, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Senckenberg-Meeresforscherin wird Namenspatin für Tiefsee-Art

Senckenberg-Forschende haben mit Kolleg*innen aus den USA und Deutschland eine neue Tiefsee-Assel im Fachjournal „Zootaxa“ beschrieben. Das Tier wurde 2015 im Rahmen der Jungfernfahrt des Forschungsschiffes SONNE gesammelt und stammt aus dem Puerto-Rico-Tiefseegraben im nordwestlichen Atlantik. Anders als erwartet besiedelt die neu entdeckte Asselart einen enormen Tiefenbereich zwischen 4.552 und 8.338 Metern – die größte je nachgewiesene Tiefenverbreitung einer Assel. Benannt wurde die neue Art – Austroniscus brandtae – nach der Senckenberg-Meeresforscherin Prof. Dr. Angelika Brandt in Anerkennung ihrer außergewöhnlichen Forschungsleistungen und ihres Engagements zum Schutz der Tiefsee.

Entlang der Plattengrenzen, wo sich ozeanische unter Kontinentalplatten schieben, bildet sich die tiefste Umgebung der Erde: die Hadalzone mit Tiefen von über sechs bis fast elf Kilometern. „Die Gemeinschaften in diesen Zonen der Meere sind – aufgrund der großen logistischen und technischen Beschränkungen bei der Probenahme – die wohl am wenigsten bekannte Fauna der Erde“, erklärt Dr. Stefanie Kaiser vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Wir konnten nun eine neue Meeresassel-Art aus den hadalen und abyssalen Tiefen des Puerto-Rico-Grabens im Atlantik beschreiben: Austroniscus brandtae.“

Das 2,7 Zentimeter große Krebstier wurde von dem Forschungsteam zu Ehren von Senckenbergerin Prof. Dr. Angelika Brandt benannt. Brandt leitet seit 2017 die Abteilung Marine Zoologie am Senckenberg-Standort Frankfurt und lehrt an der Goethe-Universität Frankfurt. Ihr Forschungsinteresse gilt den Verbreitungsmustern und treibenden Faktoren für die Evolution von mariner Makrofauna. Dabei forscht sie mit ihrer Arbeitsgruppe hauptsächlich an Krebsen – insbesondere an Meeresasseln (Isopoden). Brandt und ihr Team analysieren die stammesgeschichtliche Herkunft und Besiedlungsgeschichte von Isopoden in der Tiefsee und versuchen zu verstehen welche treibenden Faktoren es in der Tiefsee für hohe Diversität gibt. „Unsere Artbenennung soll Angelika Brandts Engagement und ihre Leistungen in der Tiefsee-Isopodenforschung ehren. Es gibt zudem auch einen ganz persönlichen Grund für die Namenswahl: Angelika Brandt war Doktormutter dreier Autor*innen der Studie und damit entscheidend für unseren Weg in die Tiefseeforschung“, fügt Kaiser hinzu.

Aufgrund der großen Tiefenunterschiede zwischen den Probenahmeorten im Puerto-Rico-Graben – zwischen 4.552 und 8.338 Metern – erwartete das Forschungsteam, dass sie unterschiedliche Arten innerhalb der Gattung finden würden, welche die abyssalen und hadalen Standorte bewohnen. „Mittels morphologischer Untersuchung mit traditioneller Mikroskopie und einer anschließenden molekularen Analyse konnten wir aber zeigen, dass tatsächlich nur die von uns neu beschriebenen Art, Austroniscus brandtae, den Meeresboden des Puerto-Rico-Grabens besiedelt“, erläutert Kaiser. Die neu entdeckte Meeresassel ist die erste Art der Gattung Austroniscus aus dem Atlantik und der weltweit tiefste Nachweis der Gattung.
Austroniscus brandtae scheint sich in den Tiefen des Puerto-Rico-Grabens sehr gut zu behaupten – dies deutet darauf hin, dass die Vielfalt in den Tiefseegräben abnimmt und nur wenige Arten den dortigen extremen Bedingungen gewachsen sind“, schließt Kaiser.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Die Originalpublikation „Combining morphological and mitochondrial DNA data to describe a new species of Austroniscus Vanhöffen, 1914 (Isopoda, Janiroidea, Nannoniscidae) linking abyssal and hadal depths of the Puerto Rico Trench“ findet ihr bei Zootaxa.

Wenn ein Go für den Tiefseebergbau beschlossen wird, werden viele Lebensgemeinschaften in der Tiefsee zerstört und bisher unbekannte Arten, wie diese Tiefsee-Assel, vielleicht nie entdeckt.

Gefährdete Artenvielfalt in zukünftigem Bergbau-Hotspot

Eine Seegurke bewegt sich am Meeresgrund der CCZ über Manganknollen fort

© ROV KIEL 6000, GEOMAR / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) erstreckt sich über sechs Millionen Quadratkilometer im Pazifischen Ozean und gilt als eine der letzten unberührten Regionen der Weltmeere. Eine neue Studie zeigt, dass über 5.000 Arten in den Tiefen der CCZ vorkommen, von denen bisher über 90 Prozent nicht wissenschaftlich beschrieben und bisher nur in dieser Region entdeckt wurden. Doch genau diese Artenvielfalt in der CCZ ist gefährdet, denn der Meeresgrund ist reich an Manganknollen und bereits 2021 fanden erste Abbau-Pilotversuche statt. Wenn bis zum Sommer keine Regelungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) beschlossen werden, könnte der kommerzielle Tiefseebergbau bereits dieses Jahr ohne Regelungen starten. Um die künftigen Auswirkungen des Abbaus besser einschätzen zu können, hat das Forschungsteam des Natural History Museums in London eine CCZ-Checkliste erstellt, welche die Artenvielfalt am Tiefseeboden detailliert aufschlüsselt. Sobald neue Daten zur Verfügung stehen, können damit Umweltauswirkungen wie das Artenaussterberisiko erfasst werden und das Ausmaß der menschlichen Einflüsse verdeutlichen.

Den Artikel „Gefährdete Artenvielfalt in zukünftigem Bergbau-Hotspot“ von Elena Bernard vom 25.05.2023 findet ihr bei wissenschaft.de.

Das Foto wurde während einer Expedition innerhalb des Projekts JPIO MiningImpact in der CCZ erstellt, und zeigt eine Seegurke auf Manganknollen.

Diesen Sommer soll eine Entscheidung über die größte Tiefseebergbauaktion in der Geschichte fallen. Anlässlich der Dringlichkeit des Themas hat das DEEPWAVE Filmfestival zum Schutz der Hoch- und Tiefsee dieses Jahr den Film „Deep Rising“ von Matthieu Rytz gezeigt, der die Akteure hinter der Bergbauindustrie zeigt und ihre Verstrickungen und Intentionen thematisiert.

AWI-Forschende weisen hohe natürliche Radioaktivität in Manganknollen nach

Eine Manganknolle wird von einem Roboter aufgehoben

© ROV-Team/GEOMAR / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 17.05.2023, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Neue Studie zeigt: Der Umgang mit Manganknollen birgt Gesundheitsrisiken

[17. Mai 2023] Manganknollen am Grund der Tiefsee enthalten wertvolle Metalle, die etwa für die Elektro- und Stahlindustrie von zentraler Bedeutung sind. Um die steigende Nachfrage nach Rohstoffen wie Kobalt und Seltenen Erden zu decken, setzen Industrie und einige Staaten deshalb große Hoffnungen in den Tiefseebergbau. Dass der nicht nur ökologische Folgen hat, sondern auch zu einer Gesundheitsgefährdung bei der industriellen Gewinnung und Verarbeitung der Knollen führen kann, zeigen Forschende des Alfred-Wegener-Instituts in einer nun im Fachmagazin Scientific Reports erschienenen Studie. Demnach überschreitet etwa die Aktivität von Radium-226 in den Knollen einen in der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwert teilweise um das Hundert- bis Tausendfache.

Weite Teile des Tiefseebodens sind mit metallhaltigen Knollen und Krusten bedeckt. Die kartoffelgroßen Manganknollen finden sich in allen Ozeanen, vor allem aber im Pazifik in 4.000 bis 6.000 Meter Wassertiefe. Sie bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre hinweg und enthalten wertvolle Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt oder Seltene Erden – Elemente also, die auch bei der Herstellung elektronischer Produkte wie Computer, Mobiltelefone, Batterien, Magnete, Motoren und andere High-Tech-Komponenten benötigt werden. In den letzten Jahren rückten daher verstärkt Manganknollen und Tiefseebergbau in den Fokus von Wirtschaft und Politik.

Besonders große Mengen von Manganknollen finden sich in den Tiefen der Clarion-Clipperton-Zone im Nordpazifik zwischen Mexiko und Hawaii. Eine Reihe von Staaten – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – hat dort Explorationslizenzen erworben, um zunächst Referenzdaten in den Lizenzgebieten zu erheben und darauf aufbauend die möglichen ökologischen Auswirkungen eines kommerziellen Abbaus von Manganknollen auf die Tiefsee zu ermitteln. Im Juli 2023 will die zuständige Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) konkrete Regeln für die industrielle Förderung festlegen.

„Seit 2015 untersuchen wir im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekte der Joint Programming Initiative Ozeane ,MiningImpact‘ und ,MiningImpact2‘ in einem internationalen Konsortium von über 30 Partnerinstitutionen, welche Auswirkungen der Tiefseebergbau auf die Lebensräume und Ökosysteme der Sedimente und der Wassersäule im Pazifik haben würde“, erklärt Prof. Dr. Sabine Kasten, Projektleiterin der MiningImpact-Vorhaben am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Unsere neue Studie zur Radioaktivität von Manganknollen zeigt nun, dass sich neben den Folgen für die Meeresökosysteme auch potenzielle Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der Förderung und Verarbeitung von Manganknollen sowie der Nutzung der daraus gewonnenen Produkte ergeben können. Diese müssen bei den weiteren Planungen dringend berücksichtigt werden.“

Für die nun im Fachmagazin „Scientific Reports“ erschienene Studie haben die AWI-Forschenden Manganknollen untersucht, die im Zuge von zwei Expeditionen (2015 und 2019) des Forschungsschiffs SONNE in der Clarion-Clipperton-Zone gewonnen wurden. „Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass die äußere Schicht der Manganknollen auch natürliche radioaktive Stoffe wie Thorium-230 und Radium-226 enthält, die sie über lange Zeiträume aus dem Meerwasser anreichern. Allerdings wurden diese Werte bisher noch nicht im Kontext der Strahlenschutzgesetzgebung betrachtet“, sagt Studienerstautorin und Biogeochemikerin Dr. Jessica Volz. „Unsere Studie zeigt nun, dass die äußere Schicht der extrem langsam wachsenden Knollen für bestimmte Alphastrahler Werte des Hundert- bis Tausendfachen einiger Grenzwerte erreichen kann, die im Rahmen von Strahlenschutzregelungen gesetzt sind“. Für Radium-226 etwa konnte das AWI-Team Aktivitäten von oftmals über 5 Becquerel pro Gramm auf der Außenseite der Manganknollen nachweisen. Zum Vergleich: Die deutsche Strahlenschutzverordnung sieht für eine uneingeschränkte Freigabe Höchstwerte von lediglich 0,01 Becquerel pro Gramm vor. Und selbst beim Umgang mit Altlasten aus dem Uranerzbergbau muss je nach Situation bereits oberhalb von gemessenen Höchstwerten von 0,2 beziehungsweise 1 Becquerel pro Gramm eine genaue Gefährdungsprüfung erfolgen.

„Obwohl wir aus früheren Studien wussten, dass wir in den Knollen mit einer beträchtlichen Radioaktivität rechnen müssen, hat uns die tatsächlich gemessene Höhe doch überrascht“, erklärt AWI-Forscher und Studien-Coautor Dr. Walter Geibert. „Besonders die hohe Bildungsrate des radioaktiven Edelgases Radon war ein neuer Befund. Damit kann der ungeschützte Umgang mit Manganknollen ein Gesundheitsrisiko darstellen. Und das nicht nur beim Einatmen der bei ihrer Verarbeitung entstehenden Stäube, sondern auch durch die hohen Radon-Konzentrationen, die sich beim Lagern in schlecht belüfteten Räumen bilden. Auch in den angestrebten Produkten aus Manganknollen dürften sich einige radioaktive Stoffe anreichern, so zum Beispiel Actinium-227 in den Seltenen Erden.“

Ob alle Manganknollen verschiedener Tiefseeregionen solche Werte erreichen und wie auf Basis dieser neuen Erkenntnisse die ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken von Tiefseebergbau und der Verwertung von Manganknollen einzuschätzen sind, wollen die Forschenden in Folgestudien herausfinden.

Die Studie wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF Grant 535 03F0812F) im Rahmen des JPI-Oceans-Projekts „MiningImpact2 – Environmental impacts and risks of deep-sea mining”.

Die Vorhaben MiningImpact und MiningImact2 wurden vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert. Die oben beschriebene Studie ist im Rahmen des Projektteils am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven entstanden.

Weitere Informationen zum Projekt MiningImpact2 finden Sie hier: https://jpi-oceans.eu/en/miningimpact-2

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Die Originalpublikation „Alpha radiation from polymetallic nodules and potential health risks from deep-sea mining“ findet ihr bei scientific reports.

Obwohl für einen Wandel hin zu E-Mobilität und grünen Technologien keine Metalle aus der Tiefsee notwenig, und auch die Folgen von Tiefseebergbau noch nicht abzusehen sind, treibt die Lobby kommerzielle Abbauprojekte weiter voran. Deutschland hat Ende 2022 erstmals eine „precautionary pause“ beim Tiefseebergbau gefordert.

Le­ben im Rauch der Unterwasservulkane

In der Umgebung von Hydrothermalquellen leben viele Bakterien

© NOAA Okeanos Explorer Program, Galapagos Rift Expedition 2011 / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Pressemitteilung, 09.03.2023, MARUM

Die ark­ti­sche Tief­see liegt fern­ab der le­bens­spen­den­den En­er­gie der Son­ne, und nur win­zi­ge Men­gen an or­ga­ni­schem Ma­te­ri­al, wel­ches Le­ben speist, kom­men dort an. Ei­ni­ge Bak­te­ri­en nut­zen statt­des­sen die En­er­gie, die von un­ter­see­ischen Vul­ka­nen frei­ge­setzt wird. Auf Ex­pe­di­tio­nen mit dem For­schungs­schiff Po­lar­stern ha­ben For­schen­de aus Deutsch­land nun Bakterien ent­deckt, die auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se an die­se Geo­en­er­gie an­ge­passt sind. Sie be­schrei­ben die Rol­le die­ser Bak­te­ri­en für die bio­geo­che­mi­schen Kreis­läu­fe im Meer.

Tief im Oze­an, an den Gren­zen tek­to­ni­scher Plat­ten, bil­den Un­ter­was­ser­vul­ka­ne so­ge­nann­te hydro­ther­ma­le Quel­len. An die­sen Quel­len tritt hei­ße, sau­er­stoff­freie Flüs­sig­keit aus, die gro­ße Men­gen an Me­tal­len wie Ei­sen, Man­gan oder Kup­fer ent­hält. Wenn sich das hei­ße Was­ser mit dem um­ge­ben­den kal­ten und sau­er­stoff­hal­ti­gen See­was­ser mischt, ent­ste­hen hydro­ther­ma­le Schwa­den mit rauch­ähn­li­chen Par­ti­keln aus Me­tall­sul­fid. Die­se Schwa­den stei­gen Hun­der­te von Me­tern über dem Mee­res­bo­den auf und ver­tei­len sich Tau­sen­de von Ki­lo­me­tern. Hydro­ther­ma­le Schwa­den schei­nen ein ris­kan­ter Ort zu sein, um dort hei­misch zu wer­den. Das hin­dert be­stimm­te Bakterien aber nicht dar­an, ge­nau dort zu wach­sen und zu ge­dei­hen, wie eine jetzt in Nature Microbiology ver­öf­fent­lich­te Stu­die zeigt.

Mehr als nur vorübergehende Besucher?

„Wir ha­ben die Bakterien der Gat­tung Sulfurimonas ge­nau un­ter die Lupe ge­nom­men,” sagt Er­st­au­tor Mas­si­mi­lia­no Mo­la­ri vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men. Von die­sen Bakterien war bis­her nur be­kannt, dass sie in sau­er­stoff­ar­men Le­bens­räu­men wach­sen. Gen­se­quen­zen von ih­nen wur­den ver­ein­zelt aber auch in hydro­ther­ma­len Schwa­den nach­ge­wie­sen. „Man ging da­von aus, dass sie aus den Le­bens­räu­men rund um die hei­ßen Quel­len am Mee­res­bo­den dort­hin ge­spült wur­den. Wir frag­ten uns aber, ob nicht die Schwa­den selbst ein ge­eig­ne­ter Wohn­ort für man­che Mit­glie­der der Sulfurimonas-Grup­pe sein könn­ten.“

Harte Bedingungen für die Probenahme

Ge­mein­sam mit Kol­le­gen des Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tuts, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung (AWI) in Bre­mer­ha­ven und des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men mach­te sich Mo­la­ri da­her auf eine schwie­ri­ge For­schungs­rei­se zu hydro­ther­ma­len Quel­len in der zen­tra­len Ark­tis und im Süd­at­lan­tik, um ihre Hy­po­the­se zu über­prü­fen. „Wir sam­mel­ten un­se­re Pro­ben in ex­trem ab­ge­le­ge­nen Re­gio­nen von be­son­ders lang­sa­men Sprei­zungs­rü­cken, die noch nie un­ter­sucht wor­den wa­ren. Es ist sehr kom­pli­ziert, Pro­ben aus hydro­ther­ma­len Ab­la­ge­run­gen zu ge­win­nen, da sie schwer zu lo­ka­li­sie­ren sind. Noch schwie­ri­ger wird es, wenn sich die Schwa­den in Tie­fen von mehr als 2500 Me­tern und un­ter dem ark­ti­schen Meer­eis oder in den stür­mi­schen Zo­nen des Süd­po­lar­mee­res be­fin­den,“ er­klärt Ant­je Boe­ti­us, Grup­pen­lei­te­rin am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und Di­rek­to­rin des AWI, die die Ark­tis-Mis­sio­nen lei­te­te. An Bord des For­schungs­schiffs Po­lar­stern ge­lang es den For­schen­den den­noch, Pro­ben zu sam­meln und an­hand die­ser die Zu­sam­men­set­zung und den Stoff­wech­sel der Bakterien zu un­ter­su­chen.

Gut ausgerüstet und weit verbreitet

Mo­la­ri and sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen iden­ti­fi­zier­ten eine neue Sulfurimonas-Art na­mens USulfurimonas pluma (das hoch­ge­stell­te „U“ steht für un­kul­ti­viert, also nicht im La­bor kul­ti­viert), die in den kal­ten, sau­er­stoff­ge­sät­tig­ten Hydro­ther­mal­fah­nen lebt. Die­ses Bak­te­ri­um nutzt Was­ser­stoff aus der Schwa­de als En­er­gie­quel­le. Die For­schen­den un­ter­such­ten auch das Ge­nom der Mi­kro­or­ga­nis­men und stell­ten fest, dass es stark re­du­ziert ist. Es feh­len Gene, die für an­de­re Ar­ten ty­pisch sind. Mit an­de­ren Ge­nen sind sie aber gut aus­ge­stat­tet, um in die­ser dy­na­mi­schen Um­ge­bung wach­sen zu kön­nen.

„Wir ver­mu­ten, dass die Hydro­ther­mal­schwa­de nicht nur Mi­kro­or­ga­nis­men aus hydro­ther­ma­len Schlo­ten ver­brei­tet, son­dern auch eine öko­lo­gi­sche Ver­bin­dung zwi­schen dem of­fe­nen Oze­an und den Le­bens­räu­men auf dem Mee­res­bo­den her­stel­len kann. Un­se­re phy­lo­ge­ne­ti­sche Ana­ly­se deu­tet dar­auf hin, dass USulfurimonas pluma von ei­nem Vor­fah­ren ab­stam­men könn­te, der mit hydro­ther­ma­len Schlo­ten as­so­zi­iert war, aber eine hö­he­re Sau­er­stoff­to­le­ranz ent­wi­ckel­te und sich dann über die Ozea­ne ver­brei­te­te. Dies muss je­doch noch wei­ter un­ter­sucht wer­den,“ so Mo­la­ri.

Ein Blick auf die Ge­nom­da­ten aus an­de­ren Schwa­den zeig­te, dass USulfurimonas pluma in sol­chen Le­bens­räu­men über­all auf der Welt wächst. „Of­fen­sicht­lich ha­ben sie eine öko­lo­gi­sche Ni­sche in kal­ten, sau­er­stoff­ge­sät­tig­ten und was­ser­stoff­rei­chen Hydro­ther­mal­schwa­den ge­fun­den“, sagt Mo­la­ri. „Wir müs­sen wohl un­se­re Vor­stel­lun­gen über die öko­lo­gi­sche Rol­le von Sulfurimonas in der Tief­see über­den­ken. Sie könn­te viel wich­ti­ger sein, als wir bis­her dach­ten.“

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Die Originalpublikation „A hy­dro­ge­notro­phic Sulfurimonas is glo­bal­ly ab­un­dant in deep-sea oxy­gen-sa­tu­ra­ted hydro­ther­mal plu­mes“ findet ihr bei Nature Microbiology.

Bei einer Expedition im Jahr 2022 zwischen Grönland und Spitzbergen wurde in 3.000 Meter Wassertiefe ein neues Hydrothermalfeld entdeckt.

E-Mobilität benötigt keine Metalle aus der Tiefsee

Mehrere Manganknollen, die Metalle beinhalten, in verschiedenen Größen

© Philweb / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 20.02.2023, Greenpeace

Neue Greenpeace Studie zum Beginn der UN-Konferenz zum Hochseeschutz

Hamburg, 20. 02. 2023 – Metalle aus der Tiefsee werden nicht für einen Wandel hin zu E-Mobilität und grünen Technologien benötigt. Das zeigt eine neue Studie, die Greenpeace heute zum Beginn der UN-Konferenz in New York zum internationalen Meeresschutzabkommen (BBNJ) veröffentlicht. Damit entkräftet die Studie das Hauptargument der Tiefseebergbau-Industrie, die auf eine Lizenz für den Beginn des Tiefseebergbaus noch in diesem Jahr drängt. Die Studie zeigt: Zentrale Batterie-Rohstoffe wie Lithium und Graphit können aus den Manganknollen in der Tiefsee nicht gewonnen werden. Relevante Mengen wären nur für Mangan, Kobalt und Nickel möglich – aber erst nach 2030.  Der Trend für Batterien entwickelt sich jedoch weg von Kobalt und Nickel. Für die Batterieherstellung ist im Bezug auf Mangan keine Knappheit zu erwarten.

„Die Tiefseebergbau-Lobby missbraucht die Energiewende, um ihre klima- und umweltschädlichen Pläne zu rechtfertigen. Das ist eine Täuschung, der Bedarf für Elektroautos und eine grüne Verkehrs- und Energiewende lässt sich auch ohne Ausbeutung der Tiefsee decken.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte

Tiefseebergbau zerstört ein nahezu unberührtes Ökosystem

Die Tiefsee ist nach wie vor wenig erforscht, viele Wissenschafler:innen warnen vor den Folgen ihrer Ausbeutung. Um die Metalle zu gewinnen, saugen Tiefsee-Planierraupen die obersten 10 Zentimeter des Meeresbodens auf, um Manganknollen zu sammeln, aus denen die Rohstoffe an Land gelöst werden. Damit zerstören die Maschinen die oberste Schicht, in oder auf der nahezu alle Bodenlebewesen leben, unter anderem die Krake “Casper”, die ihre Eier ausschließlich auf Manganknollen ausbrütet.
Wissenschaftler:innen vermuten, dass es Hunderte bis Tausende Jahre dauert, bis sich das Ökosystem von den Eingriffen erholt. Auch Wale werden durch Lärm und Abnahme von Beutetieren gefährdet.
„Der Bedarf an Rohstoffen, etwa für Batterien, ist anders zu decken, um nachhaltig zu sein: Durch echtes Recycling und weniger Konsum.“
– Till Seidensticker, Greenpeace-Meeresexperte
Deutschland hat erstmals eine „precautionary pause“, eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau gefordert und unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau, bis das komplette Ausmaß der Auswirkungen auf das sensible Ökosystem erforscht ist. Ein guter Einstieg in das Thema Tiefseebergbau bieten unsere Reflexionen über Tiefseebergbau für Einsteiger:innen, die ihr auf unserem Instagramkanal finden könnt.

Umweltauswirkungen von Ressourcenabbau in der Tiefsee erforschen

Mehrere Schlangensterne und Manganknollen liegen auf dem Meeresboden

© ROV-Team Kiel 6000/GEOMAR

Pressemitteilung, 11.11.22, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Das Projekt MiningImpact untersucht auf der Expedition SO295 die Umweltschäden durch Manganknollenabbau am Meeresgrund

Wie stark zerstört der Manganknollenabbau den Lebensraum in der Tiefsee? Das untersucht in den nächsten zwei Monaten die MiningImpact-Expedition SO295 mit dem Forschungsschiff SONNE in den Explorationslizenzgebieten der Clarion-Clipperton Zone im Nordpazifik. Beim Einsammeln von Manganknollen wird die belebte Zone des Meeresbodens abgetragen; zusätzlich bedecken die beim Abbau aufgewirbelten Sedimente große Flächen in der Umgebung. Ziel der Fahrt ist es, das komplette Ausmaß der Umweltauswirkungen anderthalb Jahre nach einem industriellen Gerätetest zu erfassen.

– Gemeinsame Pressemitteilung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie –

Der Meeresboden unseres Planeten beherbergt große Vorkommen an Erzen. Diese enthalten gleich mehrere begehrte Metalle, wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän, Seltene Erden, die unsere Gesellschaft für High-Tech Produkte und Technologien im Rahmen der Energiewende zur Verringerung unserer CO2-Emissionen benötigen. Wirtschaftsanalysen prognostizieren daher bis 2050 einen stark steigenden Bedarf an diesen Metallen, der durch herkömmlichen Bergbau an Land oder aufgrund geopolitischer Krisen unter Umständen nicht ausreichend gedeckt werden kann.

Weltweit wurden bisher 31 Lizenzgebiete zur Erkundung dieser Art mineralischer Ressourcen – Manganknollen, Massivsulfide und kobaltreiche Krusten – am Meeresboden vergeben. Mit dieser Aufgabe ist die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) betraut, die die Ressourcen am Meeresboden im „Gebiet“ verwaltet. So wird der Ozeanboden außerhalb der 200-Seemeilenzone von Staaten bezeichnet. Gleichzeitig soll die ISA auch die Meeresumwelt vor schwerwiegenden Schäden durch die Nutzung der Ressourcen bewahren. Hierfür entwickelt sie seit einigen Jahren die internationale Gesetzgebung, den Mining Code. Dieses Regelwerk will die ISA bis Juli 2023 erstellt haben.

Die Expedition SO295 des Projekts MiningImpact mit dem Forschungsschiff SONNE geht aktuell im Manganknollengebiet der Clarion-Clipperton Zone zwischen Mexiko und Hawaii der Frage auf den Grund, wie stark und dauerhaft das Ökosystem des Ozeanbodens durch den Manganknollenabbau geschädigt wird. Die Wissenschaftler:innen aus insgesamt zwölf verschiedenen Instituten erfassen dabei die Auswirkungen eines industriellen Abbautests im Frühjahr 2021, bei dem mit dem Prototypen eines Manganknollen-Kollektors in den Explorationslizenzgebieten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und des belgischen Unternehmens Global Sea Mineral Resources NV auf mehreren Zehntausend Quadratmetern die obere Schicht des Meeresbodens mit den Manganknollen abgetragen wurde. Dabei kommen die GEOMAR Tauchroboter ROV Kiel 6000 für gezielte in-situ-Untersuchungen und AUV Abyss zur hochauflösenden Photo-Kartierung des Meeresbodens zum Einsatz.

„Unsere wissenschaftlich unabhängigen Untersuchungen während dieses Kollektortests haben gezeigt, dass hierbei mit den Knollen die belebte Zone des Meeresbodens, die oberen vier bis acht Zentimeter, komplett entfernt wurden“, erläutert Dr. Matthias Haeckel, mariner Biogeochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinator des Projektes MiningImpact. In der Wassertiefe, in der Manganknollen vorkommen, baut sich diese Schicht durch das Absinken von abgestorbenem Plankton über 10.000 bis 20.000 Jahre wieder auf. Zudem wird der beim Abbau abgetragene Meeresboden in Form einer Sedimentwolke in das bodennahe Wasser eingeleitet, die sich auf dem Meeresboden auch außerhalb der Abbauflächen ablagert. „Dadurch wird eine deutlich größere Fläche als das Abbau-Areal geschädigt werden. Die Auswirkungen sind zudem langfristig – es wird Jahrhunderte dauern, bis sich die Ökosystemfunktionen in diesen Gebieten wieder erholt haben. Das spezielle Manganknollenhabitat ist jedoch dauerhaft zerstört“, ergänzt Dr. Felix Janßen, Co-Fahrtleiter der Expedition und Tiefseeforscher in der HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und ‑Technologie, ein Zusammenschluss der Gruppe Mikrobieller Lebensraum des Max-Planck-Instituts und der Tiefsee-Forschungsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Damit die Nutzung dieser marinen Ressource ökonomisch wird, müsste eine einzelne industrielle Operation 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche pro Jahr abbauen.

Manganknollen kommen auf dem Meeresboden in 4.000 bis 6.000 Meter Wassertiefe in allen Ozeanen vor und bilden sich sehr langsam über mehrere Millionen Jahre. Die etwa kartoffelgroßen Knollen aus Mangan- und Eisenoxiden sind von spezifischen Arten von Tiefseeorganismen besiedelt, wie z.B. gestielten Schwämmen, Weichkorallen, Seeanemonen und Seepocken, die auf dem weichen Tiefseeboden nicht vorkommen. „Aber auch im weichen Tiefseesediment leben Hunderte von Arten, wie Ruderfußkrebse, Schlangensterne, Würmer und Muscheln, die durch den Manganknollenabbau beinträchtigt werden. Die Artenvielfalt im Manganknollengebiet ist enorm. Die meisten Arten sind noch nicht beschrieben und über ihre Lebensweise ist noch gar nichts bekannt.“, betont Professor Dr. Pedro Martínez Arbizu, Fahrtleiter der Expedition und Leiter des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung bei Senckenberg.

Die Forschenden aus acht Europäischen Staaten arbeiten seit dem Jahr 2015 erfolgreich zu einem umfassenden Verständnis des Tiefseeökosystems in Manganknollengebieten sowie der Bewertung der Umweltrisiken durch Tiefseebergbau. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen entwickeln die MiningImpact Wissenschaftler:innen konkrete Handlungsvorschläge für den Mining Code der Internationalen Meeresbodenbehörde und tauschen sich mit verschiedensten Entscheidungsträgern zu Umweltstandards und den Möglichkeiten zur Minimierung von weitreichenden Umweltschäden aus. MiningImpact leistet damit seinen Beitrag zu der von der Bundesregierung diese Woche geforderten Umweltfolgenforschung von Tiefseebergbau.

Die jetzt stattfindende Expedition SO295 ist die fünfte Forschungsfahrt im Rahmen des MiningImpact-Projektes. Auf den vorangegangenen Expeditionen SO239 und SO242 wurden jahrzehntealte Störungsspuren in Manganknollengebieten untersucht, während die Expedition SO268 und die von der BGR geleitete Fahrt MANGAN 2021 der Erfassung des Ist-Zustands der Tiefsee-Ökosysteme und dem wissenschaftlich unabhängigen Monitoring des ersten industriellen Kollektortests dienten. SO295 wird den wichtigen ersten Datensatz zu den mittelfristigen Folgen auf die Tiefsee-Umwelt anderthalb Jahre nach dem Test erheben.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim Alfred-Wegener-Institut.

Die Bundesregierung hat eine „precautionary pause“ bei den Verhandlungen im Rahmen des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA gefordert. Deutschland unterstützt damit bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau. Weitere gute Neuigkeiten findet ihr auf unserem Good News Blog.

Schutz der Meere: Deutschland unterstützt bis auf Weiteres keinen Tiefseebergbau

Viele schwarze Manganknollen liegen auf dem Meeresboden, zwei Quallen schwimmen über sie hinweg

© ROV KIEL 6000, GEOMAR / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 01.11.22, BMUV

In Jamaika laufen derzeit Verhandlungen im Rahmen des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde. Dort hat die Bundesregierung erstmals eine „precautionary pause“, eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau gefordert. Dabei erklärte die Bundesregierung, dass sie bis auf Weiteres keine Anträge auf kommerziellen Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee unterstützt. Das vorhandene Wissen und der Stand der Forschung reichen nicht aus, um ernsthafte Umweltschäden durch Tiefseebergbau auszuschließen. Zudem wirbt Deutschland im Kreis der Mitgliedstaaten dafür, ebenfalls keine Anträge zu unterstützen. Eine formale Unterstützung von Abbauanträgen durch einen Mitgliedstaat des UN-Seerechtsübereinkommens ist zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen eine Genehmigung der Internationale Meeresbodenbehörde erhält.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Tiefseebergbau würde die Meere weiter belasten und Ökosysteme unwiederbringlich zerstören. Deshalb werben wir als ersten Schritt für ein Innehalten und keine vorschnellen Entscheidungen auf Kosten der Meeresumwelt. Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern haben wir jetzt die Chance, eine weitere drohende Umweltkrise abzuwenden und dem Erhalt der Natur und ihrer Erforschung Vorrang zu geben. Nur ein intakter Ozean hilft uns im Kampf gegen Biodiversitäts- und Klimakrise.“

Parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner: „Deutschland will die weitere Erforschung der Tiefsee. Aber wir wollen den Vorsorgeansatz im Tiefseebergbau stärken. Deshalb sollten bis auf Weiteres keine Anträge auf kommerziellen Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee unterstützt werden.“

Mit der Erklärung, bis auf Weiteres auf die Unterstützung von Tiefseebergbau zu verzichten, kann jeder Staat zur Einhaltung einer „precautionary pause“ beitragen, bis die Tiefseeökosysteme und möglichen Risiken des Tiefseebergbaus ausreichend erforscht sind und strenge Abbauregularien vorliegen, die ernsthafte Umweltschäden ausschließen. Mit dem Verzicht auf die Unterstützung von Abbauanträgen („Sponsoring“), der vorbehaltlich der Prüfung einer Notwendigkeit rechtlicher Anpassungen erklärt wird, zeigt die Bundesregierung einen Weg zur Umsetzung der „precautionary pause“ im Rahmen des geltenden UN-Seerechtsübereinkommens auf und wirbt dafür im Kontakt mit anderen Staaten.

Die Entscheidung der Bundesregierung, für eine „precautionary pause“ im Tiefseebergbau zu werben, erfolgt als Reaktion auf den im vergangenen Jahr angekündigten Abbauantrag des Pazifikstaats Nauru. Damit wurde die sogenannte „Zweijahresklausel“ des Seerechtsübereinkommens ausgelöst, nach der innerhalb von zwei Jahren die Abbauregularien entwickelt werden müssen. Die Frist hierfür endet im Juli 2023.

In der Erklärung der Bundesregierung auf der 27. Sitzung des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde heißt es im Wortlaut: „Subject to national legal review, Germany will therefore not sponsor any plans of work for exploitation until the deep-sea ecosystems and the impacts of deep-sea mining have been sufficiently researched and until there are exploitation regulations with strict environmental standards in place, ensuring that the marine environment is not seriously harmed. Germany insists on the strict application of the precautionary approach and sees the need for a precautionary pause in deep-sea mining, facilitating further marine scientific research.“

Deutschland wird sich auch in Zukunft aktiv in die Arbeit der Internationalen Meeresbodenbehörde, insbesondere die Entwicklung effektiver Abbauregularien mit strengen Umweltstandards einbringen, um sicherzustellen, dass die Meeresumwelt auch bei einem möglichen Beginn von Genehmigungsverfahren nicht ernsthaft geschädigt wird. Gleichzeitig muss die Meeresforschung intensiviert werden, um mehr Wissen über die Tiefsee sowie die möglichen Auswirkungen von Tiefseebergbau zu erlangen.

Die Tiefsee gehört zu den am wenigsten erforschten Gebieten unseres Planeten.

Deutschland unterstützt bereits seit längerem die Erforschung von Tiefseeressourcen und hält über die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zwei sogenannte Explorationsverträge mit der Internationalen Meeresbodenbehörde im Pazifik und im Indischen Ozean.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim BMUV.

Schon 2018 haben viele NGOs zum Umdenken in Bezug auf den Tiefseebergbau aufgerufen. Weitere spannende Infos und Fakten findet ihr auf unserem Tiefseeblog, sowie auf unserer Tiefsee-Seite.

European Commission takes bold steps to protect vulnerable marine ecosystems

Zwei kommerzielle Fischerboote stehen im Wasser, Berge im Hintergrund

© Gillfoto / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 15.09.2022, Seas At Risk

Today, the European Commission has announced that it will protect 87 vulnerable marine ecosystems from deep-sea bottom fishing near the Atlantic coasts of France, Ireland, Portugal and Spain.

Deep-sea vulnerable marine ecosystems are scientifically recognised as storing a large part of the CO2 produced by human activities. Protecting deep-sea vulnerable ecosystems thus represents a crucial step towards preventing marine ecological breakdown and mitigating climate change.

The protection of vulnerable marine ecosystems was a vital part of the 2016 Deep Sea Fisheries Regulation. In addition to prohibiting bottom-trawling below 800 metres, the Regulation required an end to bottom-fishing in cold water coral reefs, aggregations of deep-sea sponges, sea pens and other deepwater habitats by 2018. These diverse deep-sea ecosystems are highly vulnerable to degradation. The delay in implementing this obligation of the Regulation was partly the result of the lengthy and extensive consultation and evaluation undertaken by the European Commission with scientists, Member States, the fishing industry and non-governmental organisations (NGOs).

“Despite being four years late as a result of a lengthy consultation process with stakeholders, we applaud the European Commission for finally and firmly adopting the preservation of vulnerable deep sea ecosystems. The protection of these ecosystems is a key step towards reversing biodiversity loss in our ocean, while also contributing to mitigating climate change,” said Andrea Ripol, Marine Policy Officer of Seas At Risk. 

BACKGROUND

Life in the deep sea grows at a much slower pace and is very vulnerable to human pressures. Bottom-trawling can crush deep-sea coral in a matter of seconds, which can live for as long as 4,000 years if unharmed. Some deep-sea fish species live for more than a century, and while they can spawn many eggs, it can take several years for juveniles to reach maturity.

Deep-sea ecosystems are so significant for ecology and climate that some scientists have been calling for years for a general ban on fishing activities in the deep sea. This type of fishing is only profitable because of the high level of subsidies it receives. Scientists call for end to deep-sea fishing – The Washington Post

The relevance of the deep sea for climate comes from the fact that some of the organic carbon captured by vegetated coastal ecosystems is exported to the deep sea, where it stays stored for thousands of years. See here for more info.

Diese Pressemitteilung findet ihr bei Seas At Risk.

Neben Tiefseefischerei stellt auch Tiefseebergbau eine große Gefahr für dieses Ökosystem dar. Einen IUCN Bericht über die Zukunft des Tiefseebergbaus, sowie unsere Reflexionen „Tiefseebergbau für Einsteiger:innen“ findet ihr auf unserem Tiefseeblog.

Replacing bottom trawling with less destructive fishing in the EU is feasible and would help protect marine ecosystems, says report

Mehrere Fischereinetze liegen aufeinandergestabelt an einem Hafen

© Friedrich Haag / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Pressemitteilung, 08.09.2022, Seas At Risk

European Commission must seize momentous opportunity to phase out destructive fishing and set the course for ocean recovery 

new report (1) published today by Seas At Risk and Oceana shows that bottom trawling – one of the most destructive fishing techniques  – can be largely replaced in the European Union (EU) by far less aggressive fishing gears. Switching to readily available alternatives to bottom trawling offers multiple benefits, such as dramatically improving fisheries resources, protecting the seabed and marine habitats and increasing resilience of the ocean to the climate breakdown.

These findings come as the European Commission is about to publish its Action Plan to conserve fisheries resources and protect marine ecosystems, setting a path to tackle the impacts of fishing to meet the EU’s biodiversity objectives in the ocean.

Andrea Ripol, marine policy officer at Seas At Risk said: “Alternative, less aggressive fishing gears could partly, and reliably, replace bottom trawling in European watersMore importantly, replacing this harmful fishing gear would make a considerable difference for the health of our ocean and our future. The European Commission must seize this opportunity in their upcoming ocean Action Plan.” 

Bottom trawling is the main fishing method used in Europe, accounting for 32% of total EU landings (7.3 million tonnes) whilst also responsible for 93% of all reported discards – catches of species which are not kept, but returned to the sea, dead or dying – in the EU (1 million tonnes) over the period 2015-2019. But alternatives exist. More than 25 other types of gear are used in the EU, some of which are used to catch the same species as bottom trawling, like purse seines, set gillnets or pots and traps that altogether represent 66% of total EU landings, but with generally less damaging effects on the environment. Alternative gears can however have their own associated environmental problems, especially in terms of bycatch of sensitive species. Where such environmental impacts on sensitive species cannot be avoided with technical measures, Oceana and Seas At Risk recommend, instead of a switch to these gears, an overall reduction in the amount of fishing in the areas concerned.

The destructive nature of bottom trawling is no longer seriously disputed. The question is rather: when are we going to act on it?” said Nicolas Fournier, campaign director for marine protection at Oceana in Europe. “Phasing out this destructive fishing method is essential to meet Europe’s biodiversity and climate targets, given its high fuel intensity, as well as the scale of its impact on marine life and on the carbon stored in the ocean floor. The European Commission must embrace this opportunity to shape a new vision of future low-impact, low carbon EU fisheries and prepare for this necessary transition now.”

Many of the main species landed by bottom trawlers – namely sandeels, sprat and blue whiting – are keystone species that are essential links in the food chain of other marine fish, seabirds and mammals. They are not directly consumed by humans, but are rather used to produce fish oil and feed for aquaculture, and could be replaced by alternative feed sources, like insects or plants. In addition, several other species landed in large quantities by bottom trawlers, such as Atlantic cod, are severely overfished in Europe and must be less fished. A reduction of bottom trawling targeting these species would therefore be attainable, and would greatly benefit the marine environment and fish populations, while helping transition EU fisheries towards sustainability and achieve the European Green Deal’s objectives of making Europe climate-neutral.

Ripol added: Phasing out bottom trawling that targets overfished populations and seafood for non-human consumption would be a good starting point to pave the way for a just transition to low-impact fisheries. While doing so, it is fundamental to safeguard the wellbeing of workers and communities currently dependent on bottom trawling, by providing income security or promoting the creation of alternative employment and retraining opportunities”.

To avoid scaling up the associated environmental impacts of the alternative gears – especially in terms of bycatch of sensitive species like dolphins and turtles – Seas At Risk and Oceana recommend implementing the transition with careful spatial and temporal planning.

EU policy-makers, and in particular the European Commission with its imminent Action Plan, are at a turning point: they need to embrace an ambitious vision for European seas by 2030, when the climate and biodiversity agendas will converge. The report offers a starting point to identify and explore alternative fishing gears and their role in a transition scenario by 2030. Its authors  also call for an immediate ban on bottom trawling in sensitive ocean areas, such as all EU marine protected areas and coastal zones.

BACKGROUND: 

Bottom trawling in the EU is wide-spread, and amounts to several million hours in protected areas per year, according to Oceana (2). It seriously affects the seabed, its associated ecosystems and carbon-storing capacity, and worsens the overexploitation of fish stocks.

In the North-east Atlantic, about 79% of Europe’s coastal seabed and 43% of the shelf/slope area is physically disturbed, mainly by bottom trawling (3). If ecosystems are degraded or lost, they may release part of their carbon back into the atmosphere (4). After the single pass of a beam trawl, it has been estimated to take seabed communities between 7.5 and 15 years to recover (5).

To add to this, bottom trawlers emit three times more CO2 than non-trawl boats, resulting in bottom-trawled seafood having one of the highest carbon footprints of any protein source – and thereby contributing directly to climate change (6).

In December 2021, a petition was handed over to Commissioner Sinkevičius by e-NGOs on behalf of over 170 000 Europeans. The petition called on the EU to phase out destructive fishing practices to protect the ocean and climate, starting with an immediate ban of bottom trawling in all marine protected areas to be adopted in the upcoming EU Action Plan.

LEARN MORE:

Infographic on the impacts of bottom trawling in Europe (Oceana)

A fact sheet supported by infographics explaining the links between bottom trawling and climate change (Seas At Risk). Bottom Trawling, Climate Change and the Ocean’s Carbon Storage

NOTES TO EDITORS: 

1) Report: Exploring Alternatives to Europe’s bottom trawl fishing gears 

2) Oceana’s Press release: https://europe.oceana.org/en/press-center/press-releases/over-25-million-hours-bottom-trawling-ploughed-europes-protected-areas

3) European Commission: https://ec.europa.eu/environment/marine/eu-coast-and-marine-policy/marine-strategy-framework-directive/index_en.htm

4) (Hilmi et al. 2021, Epstein et al. 2022, Sala et al. 2021)

5) (Pedersen et al. 2009: “Mapping fisheries in the German exclusive economic zone with special reference to offshore Natura 2000 sites”. https://www.academia.edu/12152084/Mapping_fisheries_ in_the_German_exclusive_economic_zone_with_special_reference_to_offshore_ Natura_2000_sites)

6) (Clark and Tilman 2017: Environ. Res. Lett. 12 064016)

Diese Pressemitteilung findet ihr bei Seas At Risk.

Am 15.09.2022 hat die Europäische Kommission verkündet, dass sie 87 „vulnerable marine ecosystems“ vor Grundschleppnetzfischerei in der Tiefsee schützen will. Mehr darüber erfahrt ihr auf unserem Tiefsee– und Politikblog.

Neues Hydrothermalfeld durch MARUM-Expedition entdeckt

Ein Schwarzer Raucher als Teil von einem  Hydrothermalfeld bläst schwarzen Rauch in das dunkle Wasser

© MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen / Wikimedia Commons (CC BY 4.0)

Pressemitteilung, 19.08.2022, MARUM

Überraschung im Europäischen Nordmeer in 3.000 Meter Wassertiefe / Expeditionsteam tauft Neuentdeckung „Jøtul Hydrothermalfeld“

Heiße Quellen treten weltweit an Spreizungsrücken der Erdplatten auf. Am 500 Kilometer langen Knipovich-Rücken, gelegen zwischen Grönland und Spitzbergen, waren Hydrothermalquellen bisher unbekannt. Während der 109. Expedition mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN haben Forschende aus Bremen und Norwegen nun erstmals am Knipovich-Rücken ein Feld mit zahlreichen Hydrothermalquellen entdeckt.

„Nach Hinweisen in der Wassersäule auf hydrothermale Aktivität haben wir mit dem Tauchroboter MARUM-QUEST den Ozeanboden abgesucht. Die Freude war riesig, als wir einen aktiven Schwarzen Raucher entdeckten. Wie aus einem Ofenrohr schoss die über 300 Grad Celsius heiße, metallhaltige Flüssigkeit heraus und wandelte sich in eine schwarze Wolke um, deren Ausbreitung wir mit dem Tauchroboter nicht mehr überblicken konnten“, sagt Prof. Gerhard Bohrmann vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Fahrtleiter der Expedition MSM 109.

Der Schwarze Raucher ist Teil eines größeren Hydrothermalfeldes von mindestens einem Kilometer Länge und etwa 200 Meter Breite in einer Wassertiefe von etwa 3.000 Metern. Die zahlreichen Quellaustritte sind sehr unterschiedlich. So wurden warme, im Scheinwerferlicht des Roboters schimmernde Fluidaustritte gefunden, die mit weißen Ausfällungen, Mikrobenflocken und -filamenten und vielen kleinen Organismen assoziiert sind. Andere Quellaustritte haben zu massiven chemischen Ausfällungen geführt und bilden zum Teil mehrere meterhohe Hügel am Meeresboden. Einen besonders diversen Quellaustritt mit zahlreichen Kaminen und überstehenden Flanschen haben die Forschenden in Absprache mit den norwegischen Kollegen „Yggdrasil“ benannt, der Bezeichnung für den Lebensbaum in der nordischen Mythologie. „Bei einem solchen Neufund, so weit im Norden bei 77°20‘ Nord, wollten wir bei der Benennung Namen aus dem nordischen Kulturkreis nutzen. Das gesamte Feld haben wir auf Anregung unserer norwegischen Kollegen „Jøtul Hydrothermalfeld“ genannt“, erklärt Gerhard Bohrmann. Jøtul bezeichnet in der nordischen Mythologie einen Riesen, der im Gebirge lebt.

Ziel der Fahrt war es, hydrothermale Aktivitäten am Knipovich-Rücken zu finden, ein Spreizungsrücken, der im Europäischen Nordmeer die Nahstelle zwischen Nordamerikanischer und Eurasischer Erdplatte bildet. „Solche hydrothermalen Quellen des Meeresbodens waren am Knipovich-Rücken bisher völlig unbekannt, obwohl schon mehrfach danach gesucht wurde. Das Besondere sind die extrem geringen Spreizungsraten von nur 1,4 Zentimetern pro Jahr. Neuer Meeresboden entsteht hier also nur sehr langsam. Eine hydrothermale Zirkulation könnte daher anders verlaufen als an normal oder schnell spreizenden Plattengrenzen“, erläutert Gerhard Bohrmann.

Hydrothermale Quellen gelten als Oasen des Lebens in der Tiefsee, die das Ökosystem in der Tiefsee stark prägen und deren Bedeutung auf Prozesse am und im Ozeanboden noch nicht komplett verstanden sind.

In etwa zwei Jahren werden Forschende des MARUM zum Knipovich-Rücken zurückkehren, um während einer Expedition das neu entdeckte Jøtul-Hydrothermalfeld genauer zu untersuchen. Bis dahin werden die Fahrtteilnehmenden der MSM 109 die neuen Daten auswerten und publizieren.

Die aktuelle Fahrt ist Teil des Forschungsprogramms im Bremer Exzellenzcluster „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“. Eingesetzt wurden der Tauchroboter MARUM-QUEST und, zur Vermessung und Kartierung im Untersuchungsgebiet, das autonome Unterwasserfahrzeug MARUM-SEAL.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Am Meeresgrund vor Island wurde in 3000 bis 4000 Metern Tiefe ein Hydrothermalfeld mit „weißen“ oder „klaren Rauchern“ entdeckt. Mehr darüber erfahrt ihr auf unserem Forschungs- und Tiefseeblog.

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