Lärm
„Die Stille Welt“
Jacques Cousteau nannte die Meere einst „Die stille Welt“. Dass er sich damit geirrt hat, wissen wir heute: die meisten Meereslebewesen sind alles andere als stumm.
Überall wird unter Wasser mithilfe von Schall kommuniziert, gejagt, gesucht und gefunden. Cousteaus Welt allerdings waren im Vergleich zu unserer still, denn in den Meeren ist es erheblich lauter geworden – und zwar durch uns Menschen.
Ob Schiffsverkehr, seismische Untersuchungen der Öl- und Gas-Industrie, der Bau von Windparks oder die Sprengung von Munitionsaltlasten, unter Wasser herrscht inzwischen vielerorts ein Heidenlärm, der den Meeresbewohnern zunehmend das Leben schwer oder unmöglich macht. Schaut man sich eine Nutzungs-Karte der Nordsee an, so gleicht das flache Meer vor unserer Haustür eher einem Industriegebiet als der beschaulichen, unberührten Weite, für die wir die Meere immer noch halten. Der Ausbauplan der Offshore- Windkraftbranche sieht beispielsweise vor, große Flächen mit Windrädern zu bebauen. Für die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel mag das gut gemeint sein, dass beim Bau dieser Anlagen jedoch Lärm entsteht, der so laut ist, dass er töten kann, wissen die wenigsten. Hauptleidtragende sind dabei diejenigen Tiere, die ein besonders empfindliches Gehör haben, allen voran der bei uns heimische Schweinswal.
Studien haben gezeigt, dass Schweinswale bis zu 20 Kilometer weit fliehen, sobald der Bau einer Windturbine beginnt. Deren Fundament wird mit einem gigantischen Hammer tief in den Meeresgrund gerammt. Dass man als Tier, das essentiell auf sein Gehör angewiesen ist, sofort die Flucht ergreift, ist verständlich. Wie es Fischen, Fischlarven, Krebs- oder Weichtieren ergeht, die nicht davonschwimmen können, ist bisher allerdings wenig erforscht. Sicher ist, dass massiver Schall wichtige biologische Prozesse bei einer Vielzahl von Organismen beeinträchtigen kann. Dabei gibt es längst technische Alternativen, die weniger Lärm verursachen, wie zum Beispiel Schwerkraftfundamente oder Verfahren, die riesigen Rohre in den Meeresboden zu rütteln anstatt zu hämmern. Nur weil diese Verfahren und ihre weitere Entwicklung mit höheren Kosten verbunden sind, stellt die Branche bisher nicht auf sie um.
Schifffahrt
Ähnliches gilt auch für die Schifffahrt. Die großen Transportschiffe sorgen weltweit unter Wasser für Dauerschall, den man mit dem Lärm an einer gut frequentierten Autobahn vergleichen kann. Dauerlärm erzeugt Stress, nicht nur bei uns Menschen.
Die Meerestiere, die ihm ausgesetzt sind, leiden immer stärker unter diesem Lärm, dem sie nicht in ruhige Rückzugszonen entfliehen können, nicht einmal in den eigentlich dafür vorgesehenen Schutzgebieten, da diese Schutzgebiete selbst nicht vor Übergriffen durch Industrie, Tourismus und militärische Manöver geschützt sind.
Zusätzlich zur Belastung durch Dauerstress wird durch den Lärm auch noch eine überlebenswichtige biologische Funktion gestört: Für Schweinswale und andere Meeressäuger sind ein intaktes Gehör und eine natürlich geräuschvolle Umgebung lebensnotwendig, um sich per Echoortung zu orientieren.
Ihre Jagd und Kommunikation beruhen vollständig auf der Nutzung von Schall. Wo es durch uns Menschen zu laut wird, wird es nicht nur ungemütlich. Ein Schweinswal, der nichts hören kann, weil es um ihn herum schlicht zu laut ist, oder der gar taub wird, ist nicht überlebensfähig. Er verhungert, weil er nichts mehr fangen kann.
Sprengung von Munitionsaltlasten
Technologien für leisere Schiffe gibt es längst, nur deren Einsatz erweist sich als schleppend und kaum politisch gefördert, weil das Bewusstsein für diese Art der Gefährdung fehlt. So wie bei den Munitionsaltlasten aus dem Zweiten Weltkrieg. In Nord- und Ostsee liegen noch etwa eine Million Tonnen alte Bomben auf und im Meeresgrund. Damals wurden sie einfach zur „Entsorgung“ ins Meer geworfen, heute sind sie eine tickende Zeitbombe. Wenn solche Altlasten gefunden werden, müssen sie aufwendig beseitigt werden – indem man sie zur Detonation bringt. Erst kürzlich geschah dies vor Fehmarn. Dort sprengte die deutsche Bundesmarine gemeinsam mit NATO-Partnern Seeminen in die Luft – und zwar auch innerhalb von Schutzgebieten und zur sensibelsten Geburtenzeit der Schweinswale. Ohne Einsatz von technischen Schallschutzmaßnahmen und ohne Einbindung der zuständigen Naturschutzbehörden. Hier ist also politischer Wille gefragt und unser aller Einsatz, dass diese Form der Zerstörung der Meere ernst genommen wird, bevor es zu spät ist für die Lebewesen, deren Zuhause die Meere sind.
Schallkanonen
Die lautesten Aktivitäten des Menschen sind allerdings bisher noch gar nicht erwähnt: Bei der Suche nach Erdöl und -gas werden sogenannte Schallkanonen eingesetzt. Ihre Detonationen dienen dazu, den Meeresboden auf der Suche nach Lagerstätten abzusuchen. Der dadurch entstehende Lärm kann jedoch einen Schweinswal – oder einen Menschen – unmittelbar töten.
So tragen also auch unser Lebensstil und unsere Gier nach fossilen Brennstoffen unmittelbar dazu bei, dass die Meere verlärmen. Das einzig Gute am Lärm ist, dass man ihn – anders als die anderen Bedrohungen der Meere – einfach loswerden kann: Schaltet man die Schallquelle ab, ist es still.
Gastbeitrag von Fabian Ritter, Meeresschutzexperte bei WDC
Aktuelles zur Lärmproblematik in den Ozeanen wurde auf der Tagung des BfN vorgestellt
International Conference hostet in Berlin on the 22 and 23 of November 2018: