Überfischung

 

Einst lebendige und reiche Meeresökosysteme sehen sich heute den zerstörerischen Effekten der Überfischung ausgesetzt. Mehrere Fischarten sind heute schon ökologisch ausgestorben, das heißt am Rand ihrer biologisch notwendigen Bestandgröße. Ein ordentliches Management mancher überfischter Arten kann jedoch wieder zu einer nachhaltigen Nutzung der Fischerträge führen.

Überfischung entsteht, wenn Fische schneller gefangen werden, als sie Nachkommen erzeugen können. Ein Fischbestand kann nur dann erhalten werden, wenn genügend adulte, also fortpflanzungsfähige, Fische im Bestand sind, um durch ausreichende Nachkommen die auf natürliche Weise oder durch Fischerei gestorbenen Tiere zu ersetzen. Nach offiziellen Schätzungen sind mindestens 33 % der weltweiten Bestände überfischt. Kleinfischerei wird in diesen Berechnungen nur kaum berücksichtigt, illegale Fischerei und Beifang gar nicht. (FAO, 2018)

Für viele Meeresforscher gilt die Überfischung heute als eines der dringlichste Probleme in den Ozeanen. Denn mit der Überfischung der Fischbestände wird das gesamte Ökosystem in Mitleidenschaft gezogen und wird insgesamt anfälliger für Verschmutzung und menschliche Einflüsse.

Die Anzeichen für überfischte Bestände sind vielfältig. Wenn verbesserte Fangtechniken und höherer Fangaufwand (CPUE, Catch per unit effort) und längere Fahrtzeiten bei Fischern nicht zu höherem Fangerfolg einer Fischart führen, sind dies schon gravierende Anzeichen für einen schrumpfenden oder gar überfischten Bestand. Viele Großfische sind im Meer nicht mehr zu finden, die Größe der gefangenen Fische nimmt stetig ab. In der Folge werden heute zu viele Fische vor der Geschlechtsreife gefangen – ein Teufelskreislauf.

Durch die Überfischung verringern sich auch die Bestände an Meeresvögeln und Meeressäugern, denen die Nahrungsgrundlage entzogen wird. Für viele Fischer ist der Fischfang eine existenzielle Lebensgrundlage und doch wird ihnen oftmals das Ziel vorgesteckt, die Fischpopulationen maximal auszunutzen.

Die Liste der überfischten Arten ist lang und viele Fischpopulationen in den Gewässern der Europäischen Union stehen kurz vor dem Kollaps. Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU hat festgelegt bis zum Jahr 2020 die Überfischung in EU Gewässern zu beenden. Trotz Fangbeschränkungen und Fangquoten gelten 41% der kommerziell genutzten Arten in der EU noch als überfischt. Der ICES (International Council for the Exploration of the Seas) gibt jährlich Empfehlungen auf wissenschaftlicher Basis für die Höchstfangmengen der Fischbestände im Nordostatlantik heraus, die aber oft bei der Festlegung der Quoten in der EU überschritten werden. Eine Bestandserholung vieler Arten ist so nach wie vor nicht gegeben, da wirtschaftliche Interessen vorgezogen werden. Die sofortige Reduzierung der Fangquoten weltweit ist für viele Fischarten eine Frage des Überlebens. Aber es ist auch essenziell über den Tellerrand der EU und anderer Industrienationen hinauszublicken, wo pro Kopf der meiste Fisch konsumiert wird: Denn wohlhabende Länder sind verantwortlich für 97% der industriellen Fischerei, die ärmeren für 3 %. 78 % dieser 97% kommen aus nationalen Gewässern der ärmeren Länder.

Die Fischereigremien sind aufgefordert, ein nachhaltiges Fischereimanagement durch die Forschung voranzutreiben und dazu die entsprechenden Gesetze zu implementieren. Damit sich Arten erholen können,  müssen auch dringend fischereifreie Zonen eingeplant werden, in denen sich Fische zurückziehen können. Die Europäische Union hat sich 2016 auf ein Verbot von Grundschleppnetzen in Tiefseeregionen des Atlantiks einigen können: Sie dürfen nur noch bis zu einer Tiefe von 800 Metern eingesetzt werden. Alle anderen Fanggebiete in flacheren Regionen oder in anderen Teilen des Ozeans bleiben weiterhin ungeschützt. Bei der Meeresnutzung sollte das Meer nach dem „precautionary principle“, dem vorbeugenden Prinzip der Nachhaltigkeit behandelt werden: solange wenig über die Fischbestände und Fischbiologie bekannt ist, sollte nur schonend oder gar nicht genutzt werden. Dies betrifft insbesondere die zunehmende Tiefseefischerei an den untermeerischen Bergkuppen. Mehr als zwei Drittel der Fischbestände sind heute noch unzulänglich bekannt. Von der Überfischung betroffen ist als eines von vielen Beispielen der Thunfisch.

 

Quellen:

  1. WWF: Die Gemeinsame Fischereipolitik der EU
  2. FAO. 2018. The State of World Fisheries and Aquaculture 2018 – Meeting the sustainable development goals. Rome.
  3. J. McCauley, C. Jablonicky, E. H. Allison, C. D. Golden, F. H. Joyce, J. Mayorga, D. Kroodsma (2018) Wealthy countries dominate industrial fishing. Sci. Adv. 4, eaau2161https://www.deepwave.org/albatrosse-spione-illegaler-fischerei/
  4. Esther Gonstalla, Das Ozeanbuch, 128 Seiten, oekom verlag München, 2017

 

Beifang

Unter Beifang versteht man Fische und andere Meeresorganismen, die im Zuge der kommerziellen Fischerei unabsichtlich mitgefangen werden. Je weniger selektiv die verwendete Fischereiausrüstung ist, umso größer fällt der Anteil an ungewolltem Beifang aus.

Etwa 300.000 Wale, Delfine und Tümmler sterben jährlich auf diese Weise. Somit werden aktuell pro Jahr mehr Wale durch Beifang getötet, als zur Hochphase des Walfangs im 20. Jahrhundert. Auch Meeresschildkröten, Seesterne, Schwämme und Rochen werden aus den Netzen aussortiert und wieder über Bord geworfen, ebenso wie Fische, die das falsche Geschlecht, die falsche Größe oder unzureichende Qualität haben. Die meisten Tiere überleben diese Prozedur nicht und werden dadurch unbemerkt in ihrem Bestand dezimiert. Nicht nur im Wasser lebende Tiere, sondern auch beispielsweise Seevögel verfangen sich in den Netzen – rund 100.000 Albatrosse landen jährlich ungewollt in Netzen der Fischerei.

Im Durchschnitt werfen Fischer für vier Kilogramm gefangenen Fisch weltweit ein Kilogramm Beifang ungenutzt zurück ins Meer. Bei manchen Fischfanggeräten wie z. B. den Garnelenschleppnetzen liegt das Verhältnis sogar bei 20 Kilogramm Beifang zu einem Kilogramm Garnelen. Ob Meeresschildkröten oder Haifische: Die kommerzielle Fischerei tötet auf diese Weise Millionen zusätzliche Tiere. Dabei gehen dem Ökosystem Schätzungen zufolge jedes Jahr 38 Millionen Tonnen Meerestiere verloren, was 40% des Weltfischfangs entspricht. Abgesehen von der ethischen Vertretbarkeit, Lebewesen wie Müll zu behandeln, zerstört diese Verschwendung den empfindlichen Lebensraum Meer, bedroht die Basis der Fischerei und bringt Arten an den Rand des Aussterbens. Mit dem Verschwinden der Schweinswale, Meeresschildkröten, Tiefseekorallen und anderen Arten verringert sich die Produktivität und Stabilität des Ökosystems Meer, was insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels dramatische Folgen haben kann.

Welche Wege führen aus diesem Dilemma? Die weltweit tätigen Fischer sollten sich im eigenen Interesse für eine Verringerung des Beifangs einsetzen. Sogenannte „schlaue Netze“ können über spezifische Hakenformen, Fluchtfenster und den Einsatz von Magnet- bzw. Schallsignalen und Gewichten den Beifang reduzieren. Obwohl diese Methoden teilweise effektiv sind, stellen sie keine finale Lösung dar. Nach einem umfangreichen Reformvorschlag für die gemeinsame Fischereipolitik (GFP) wurde am 01.01.2015 von dem Europäischen Parlament eine Anlandeverpflichtung für alle fischereilich genutzten Arten durchgesetzt. Diese sollte einerseits einen Anreiz für die Fischer schaffen, ihren Beifang zu minimieren, und sie darüber hinaus zur Verwertung der bereits getöteten, mitgefangenen Lebewesen verpflichten. Laut einem Bericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) werden die Beifangmengen jedoch nicht ausreichen dokumentiert und kontrolliert, sodass nach wie vor ein viel zu hoher Anteil des Beifanges zurückgeworfen wird. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf: beispielsweise ließe sich mithilfe von Überwachungskameras eine kostengünstige und vollständige Dokumentation der Fangtätigkeiten einrichten. Im Interesse aller sollten Fischer, Wissenschaftler und Politiker gemeinsam an Lösungen für das nicht zu unterschätzende Problem des Beifangs arbeiten.

 

Quellen:

  1. WWF: Ungewollter Beifang
  2. Greenpeace:Beifang
  3. BMELV: Unerwünschten Beifang vermeiden
  4. WWF: Verhindern, dass den Fischern die Falschen ins Netz gehen
  5. Europäisches Parlament: Reform der EU-Fischereipolitik: Parlament fordert Ende der Überfischung
  6. Deutsche Umwelthilfe: Zu viele Fische gehen über Bord- Deutsche Umwelthilfe und Our Fish fordern umfassende Kontrollen der EU-Fischereien

 

 

Geisternetze

Zu Tausenden sterben jedes Jahr Delphine, Wale, Seeschildkröten und Seelöwen in kommerziellen Fischernetzen oder im Meeresmüll. Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass jährlich mindestens  640 000 Tonnen Fischereiausrüstung, wie Treibnetze oder Langleinen, weltweit verloren oder zurückgelassen werden. Verloren gegangene Netzeund anderer Abfall wickeln sich um Flossen und andere Gliedmaßen und verursachen so Ertrinken, Infektionen oder Amputationen.

Einige Delphine, Tümmler und Wale sind besonders verletzbar. Häufig ernähren sie sich von den gleichen Fischarten, die auch die Menschen fischen, oder sie leben einfach in den fischreichen Regionen. Nur der totale Schutz der Meeressäugetiere durch die Entwicklung schonenderer Fangmethoden kann hier helfen. Und es müssen bessere Methoden gegen die Geisternetze, verloren gegangene illegale Netze im Meer, die immer noch eingesetzt werden, entwickelt werden. Die Fischer sollten in ihrem eigenen Interesse durch interne Kontrollen den rabiaten Geschäftemachern das Handwerk legen, denn nur eine nachhaltige Nutzung sichert ihnen einen Fang.

Quellen:

  1. FAO: Our oceans are haunted

 

 

Blogeinträge zu Geisternetzen:

 

 

Gefährdete Haie

Der internationale Haischutz ist immer noch ein Sorgenkind in der internationalen Meeresschutzpolitik. Geschätzte 67 – 273 Millionen Tiere oder mehr verenden in den Netzen (gewollt oder als ungewünschter Beifang)und an den Langleinen der bisher unspezifischen Fischerei. Bisher sind laut Schätzungen ein Drittel der Haie und verwandter Arten vom Aussterben bedroht. Die Auswirkungen für die Meere sind dramatisch.

In der EU haben wir uns im Verbund mit der Shark-Alliance bis 2013 intensiv für eine Verbesserung der Fischerei eingesetzt, insbesondere die Forderung einer fins-attached-Politik. Auch bei der CITES-Artenschutzkonferenz und anderen Gremien konnten einige Erfolge erreicht werden. Jedoch: Die EU bleibt weiterhin ein wichtiger Händler von Haifleisch und Haiflossen. Und auch in Deutschland gibt es Haiprodukte weiterhin zu kaufen (z.B. Schillerlocken). Verzichten Sie daher bitte auf diese „Delikatesse“ und unterstützen Sie die weitere Aufklärungsarbeit von DEEPWAVE zum Schutz der Haie.

 

Quellen:

  1. UN-Report: Nature’s Dangerous Decline ‘Unprecedented’; Species Extinction Rates ‘Accelerating’

Text: Onno Groß, 2016

Aktualisierung: Franziska Bils und Antonia Uthoff, 2019

Aquakultur

Aquakultur oder Aquafarming ist das aquatische Äquivalent zur landbasierten Landwirtschaft. Im Großen und Ganzen umfasst die Landwirtschaft sowohl die Tierhaltung als auch den Pflanzenanbau (Agronomie, Gartenbau und teilweise Forstwirtschaft). Ebenso umfasst die Aquakultur die Tierhaltung (einschließlich Krustentiere, Fische und Weichtiere) und Pflanzen (einschließlich Algen und Süßwassermakrophyten). Während die Landwirtschaft überwiegend auf der Nutzung von Süßwasser basiert, findet die Aquakultur sowohl im Binnenland (Süßwasser) als auch an der Küste (Brackwasser, Meerwasser) statt.

© FAO SOFIA 2018

Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, muss die Aufmerksamkeit zunehmend darauf gerichtet sein, wie der weltweite Proteinbedarf gedeckt werden kann. Während die Fangfischerei inzwischen ein Plateau in der Produktion erreicht hat, hat die marine Aquakultur von Fischen, Muscheln und Algen in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen und ist zu einer Option geworden, um den Proteinmangel zu decken. Eine der Haupteinschränkungen für den Sektor der Aquakulturproduktion ist jedoch die Verfügbarkeit und der Zugang zu geeigneten Flächen. In vielen Küstengebieten ist die Konkurrenz zu anderen marinen Aktivitäten bereits hoch, vor allem, weil der Großteil der marinen Aquakultur in Küstennähe liegt. Darüber hinaus ist die Wasserqualität in einigen Küstengebieten oft nicht gut genug, um eine qualitativ hochwertige Produktion zu ermöglichen. Außerdem besteht Bedarf an einem verstärkten Schutz der Ozeane und der Erhaltung und/oder Wiederherstellung der Gesundheit des marinen Ökosystems.
Allerdings können Aquakulturanlagen erhebliche Umweltauswirkungen haben. Die Errichtung von Aquakulturanlagen mit intensiver Fischzucht kann natürliche Lebensräume wie Mangrovenwälder zerstören und die Küstenhabitate schwer schädigen. Am Beispiel der ökologische Bedeutung von Mangroven lässt sich sehen, dass Mangroven die Korallenriffe vor Sedimentation schützen, vielen Fischarten und Wirbellosen lebenswichtige Nahrungsquellen bieten, als Rückzugsort dienen, Küstenlinien vor Wellen, Hurrikanen und Tsunamis schützen, große Mengen an Kohlendioxid aufnehmen, das Risiko von Küstenerosion und Überschwemmungen verringern und ihre Wurzeln die Fähigkeit haben, organische Abfälle zu filtern und die Wasserqualität zu erhalten.
Das bedeutet, dass die durch die Zerstörung von Mangroven verursachten Schäden die Freisetzung von Kohlenstoff und den beschleunigten Klimawandel, den Rückgang der biologischen Vielfalt und der Fischbestände sowie die Erosion und Überschwemmung von Küstengebieten umfassen.
Darüber hinaus müssen fleischfressende Arten in Aquakulturbetrieben mit einer großen Menge an Fisch gefüttert werden. Dieser Fisch ist oft wild gefangen, was mit allen Problemen der klassischen Fischerei einhergeht. Wenn Wildfisch zur Fütterung von Aquakulturfischen gefangen wird, gibt es oft Beifänge von nicht gezielt gefangenen Fischarten und anderen Meerestieren, die einfach entsorgt werden. Der Beifang kann sich negativ auf Arten wie Delfine, Meeresschildkröten, geschützte Fische und Wale auswirken, indem er Tiere schädigt und tötet, zum Rückgang der Population beiträgt und die Erholung der Bestände verhindert.
Aquakulturanlagen können die lokalen Küstenfischarten negativ beeinflussen. Nicht einheimische Fischarten, Krankheits- und Parasitenausbrüche und der daraus resultierende Einsatz von Antibiotika oder anderen Chemikalien gelangen aus den Aquakulturanlagen ins freie Wasser. Insbesondere kann das Überleben der Wildpopulationen durch die Übertragung von Krankheiten und Parasiten von gezüchteten zu freilebenden Individuen, die Konkurrenz mit entflohenen Zuchtfischen und die Hybridisierung reduziert werden.
Zusätzlich werden beim Wasseraustausch ungenutzte Fischfuttermittel, Fäkalien, Krankheitserreger und Parasiten in die Wildnis abgegeben. Nicht verzehrtes Fischfutter und Fäkalien führen zur Eutrophierung, d.h. ein Gewässer wird zu stark mit Mineralien und Nährstoffen angereichert, was ein übermäßiges Algenwachstum bewirkt. Dieser Prozess kann zu einer Sauerstoffarmut des Gewässers führen.
Da die Nachfrage nach hochwertigen Proteinen und einer zuverlässigen Nahrungsquelle steigt, ist eine nachhaltige Lösung gefragt. Wenn alle oben genannten Umweltfragen berücksichtigt und verantwortungsvolle Aquakulturpraktiken etabliert werden, können wir die schädliche Praxis der Nutzung unserer Ozeane durch die industrielle Fischerei ersetzen. Auf diese Weise, und das ist in kleinen integrierten Aquakulturexperimenten bereits technologisch nachgewiesen, könnte die Aquakultur Teil der Lösung sein, um allen Menschen Nahrung zu geben, ohne unsere Zukunft zu gefährden.

Yonathan Kibreab für DEEPWAVE

 

Hier unser Factsheet zum Thema Aquakultur

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