Pressemitteilung, 12. Juli 2022, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Forschungsteam weist hohe Mikroplastik-Verschmutzung im westpazifischen Kurilen-Kamtschatka-Graben nach
Die Senckenberg-Forscherinnen Serena Abel und Angelika Brandt haben mit Kolleg*innen des Alfred-Wegener-Instituts – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Goethe-Universität Frankfurt die Mikroplastik-Verschmutzung des westpazifischen Kurilen-Kamtschatka-Grabens untersucht. Dabei fanden sie in jeder einzelnen von insgesamt 13 Sedimentproben aus bis zu 9450 Metern Tiefe zwischen 215 und 1596 Kleinstpartikel pro Kilogramm – mehr als zuvor nachgewiesen. Ihre nun im Journal „Science of The Total Environment“ erschienene Studie zeigt: Die Tiefsee ist der „Mülleimer der Meere“ – und bei der Ablagerung überraschend dynamisch. Die hohe Biodiversität am tiefsten Meeresgrund ist durch die Verschmutzung mit Mikroplastik stark gefährdet.
Mikroplastik ist überall. Winzige Plastikpartikel belasten nahezu jedes Ökosystem der Erde. Die Meere sind besonders betroffen und wie die neu veröffentlichte Studie nahelegt, sind maritime Gräben Tausende Meter unter dem Meeresspiegel die „letzte Ruhestätte“ für eine beunruhigend große Menge der kleinsten Plastikteilchen.
Serena Abel, Gastforscherin am AWI und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, und die dortige Abteilungsleiterin für Marine Zoologie Prof. Dr. Angelika Brandt werteten gemeinsam mit Forschenden der Goethe-Universität und des AWI Sedimentproben vom Grund des Kurilen-Kamtschatka-Grabens im Westpazifik aus, die 2016 bei einer Tiefsee-Expedition mit dem Forschungsschiff Sonne entnommen wurden. „Wir haben insgesamt 13 Proben an sieben verschiedenen Stationen des Grabens genommen, in Tiefen zwischen 5740 und 9450 Metern. Keine einzige davon war frei von Mikroplastik“, berichtet Meeresbiologin Abel und fährt fort: „Pro Kilogramm Sediment haben wir zwischen 215 und 1596 Mikroplastik-Teilchen nachgewiesen – eine so große Menge hätte zuvor niemand erwartet.“
Mit Hilfe der Micro-FTIR-Methode, einer speziellen Variante eines Spektrometers, konnten die Forschenden noch kleinste Mikroplastik-Partikel nachweisen. „Jedes Jahr gelangen schätzungsweise 2,4 bis 4 Millionen Tonnen Plastik über die Flüsse ins Meer, als Folge des extremen weltweiten Plastikkonsums und der schlecht organisierten Müllentsorgung. Ein beträchtlicher Teil davon sinkt zum Meeresboden und sammelt sich im Sediment an, oder wird durch Strömungen bis in die tiefsten Regionen weitertransportiert, wo es sich letztendlich ablagert. So wird die Tiefsee zum ‚Endlager des Mülls‘“, mahnt Brandt. Insgesamt 14 verschiedene Plastikarten haben die Forschenden in den Proben aus dem Kurilen-Kamtschatka-Graben gefunden. Unter den häufigsten Stoffen befindet sich Polypropylen, einer der weltweit für Verpackungen verwendeten Standardkunststoffe, sowie die für Lacke genutzten Acrylate und Polyurethan.
Überrascht war das Forschungsteam von den großen Unterschieden zwischen den einzelnen Proben. „Bislang galt der tiefste Meeresgrund als eine vergleichsweise unbeeinflusste und stabile Umgebung, in der sich das Mikroplastik ablagert und an einem Ort verbleibt. Umso erstaunter waren wir, dass auch Proben, die nur wenige Meter voneinander entfernt entnommen wurden, ganz unterschiedlich aufgebaut waren“, berichtet Abel und ergänzt: „Das zeigt, was für eine dynamische Umgebung die tiefsten Bereiche der Tiefsee tatsächlich sind. Nicht nur spezielle Strömungen und Wirbel, sondern auch die Organismen, die hier heimisch sind, halten das Sediment in Bewegung.“ Tatsächlich ist die Biodiversität am Grund des Kurilen-Kamtschatka-Grabens sogar höher als in weniger tiefen Bereichen dieses Grabens. Die Sorge, die die Forscher*innen angesichts der kontinuierlich zunehmenden Plastikverschmutzung der Meere umtreibt, bringt Brandt auf den Punkt: „Genau diese hohe Biodiversität in der Tiefsee wird durch die starke Verschmutzung mit Mikroplastik nun besonders gefährdet!“
Diese Pressemitteilung findet ihr bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
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