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Pressemitteilung, 14.12.2020, IOW Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde
IOW entwickelt neue Methode und führt erfolgreiche Messungen in der Ostsee durch
Glyphosat ist einer der weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter. Das umstrittene Herbizid,
das unter anderem im Verdacht steht, krebserregend zu sein, wird auch in Deutschland
intensiv genutzt. Vom Land gelangt es in Flüsse, die es ins Meer spülen. Wie viel sich dort
findet, war allerdings bisher unbekannt, denn in Salzwasser waren Glyphosat und sein
Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA) aus methodischen Gründen nicht
nachweisbar. Marisa Wirth vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) hat
nun eine neue Methode entwickelt, mit der beide Stoffe im Meer zuverlässig gemessen
werden können. Damit konnte sie Glyphosat und AMPA erstmals in der Ostsee nachweisen.
Glyphosat, das als sogenanntes „Totalherbizid“ vor allem in Landwirtschaft, Gartenbau und
Industrie genutzt wird, aber auch in Privathaushalten häufig zur Anwendung kommt, gelangt
durch Regen- und Winderosion von den Einsatzflächen in Bäche, Flüsse und Seen.
Dementsprechend kann es gemeinsam mit seinem durch biologische Prozesse entstehenden
Abbauprodukt, der Aminomethylphosphonsäure (AMPA), weltweit im Süßwasser
nachgewiesen werden. IOW-Forscher konnten beide Stoffe auch schon in Ästuaren
nachweisen, die in die Ostsee münden, niemals jedoch im Meer selbst. Wie toxisch das
Herbizid auf Meeresorganismen wirkt, ist nicht abschließend geklärt.
„Als Grundvoraussetzung, um das Gefahrenpotenzial einer Substanz für ein Ökosystem
beurteilen zu können, muss man zu allererst herauszufinden, ob und in welchen
Konzentrationen die Substanz dort nachgewiesen werden kann“, hebt Marisa Wirth hervor,
die sich in ihrer Doktorarbeit am IOW auf den Nachweis von Glyphosat in Umweltproben
spezialisiert hat. „Ausgangspunkt für unsere aktuelle Studie war daher die Frage, ob
Glyphosat und AMPA tatsächlich nicht im Meer ankommen – etwa durch biologischen
Abbau und Ablagerung in den Fließgewässern –, oder ob es schlichtweg methodische
Schwierigkeiten sind, die bislang einen Nachweis in marinen Ökosystemen verhindert
haben“, erläutert die Meereschemikerin weiter.
Eine aus den Ästuar-Studien bekannte Hürde für einen zuverlässigen Nachweis im Meer ist die
starke Verdünnung der beiden Zielsubstanzen, je weiter man sich von den Flussmündungen
entfernt und Proben im offenen Meer nimmt. „Bevor man Glyphosat und AMPA mit
instrumentellen Mitteln – Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie – überhaupt
messen kann, werden die Proben so stark aufkonzentriert, dass die Geräte die Substanzen
erfassen können“, schildert Wirth einen wichtigen Arbeitsschritt in der Glyphosat-Analytik. Bei
Meerwasserproben erwies sich für diesen Schritt bislang das darin enthaltene Salz als
Problem: Bei der Festphasenextraktion, mit der man die Aufkonzentration erreicht und bei der
die Zielsubstanzen aus einer flüssigen Probe erst an ein festes Trägermaterial gebunden und
danach wieder in ein sehr viel kleineres Flüssigkeitsvolumen überführt werden, verhindern die
Salzionen die Bindung der Glyphosat- und AMPA-Moleküle an die feste Phase. „Unsere
Zielsubstanzen ‚rauschen‘ also quasi ungehindert durch die Festphase durch und gehen
verloren, weil das Salz alles blockiert“, so Wirth. Auch bei der eigentlichen Messung können
die Salze Störeffekte hervorrufen und instrumentelle Signale verschieben oder unterdrücken,
so dass keine zuverlässige Analyse möglich sei, führt die Chemikerin aus.
Um die Salz-Störeffekte bei der Probenaufkonzentration in den Griff zu bekommen, testete
Wirth verschiedene Trägermaterialien für die Festphasenextraktion und konnte als geeignetes
Material schließlich ein Polymer identifizieren, das durch sogenannte molekulare Prägung
hochselektiv Glyphosat und AMPA bindet und zugleich unempfindlich gegenüber dem Salz
der Meerwasserproben ist. Außerdem etablierte sie erfolgreich einen zusätzlichen
Aufreinigungsschritt vor der instrumentellen Messung, der eine störungsfreie Analytik erlaubt.
Nach gründlicher Validierung der neuen Methode, auch für unterschiedliche Salzgehalte
zwischen 5 und 20 bzw. 35, wie sie typischerweise in der Ostsee und in den offenen Ozeanen
auftreten, wurde das Verfahren an natürlichen Umweltproben von sieben verschiedenen
Beprobungsstellen in der Westlichen Ostsee getestet. Beide Substanzen, sowohl Glyphosat,
als auch sein Abbauprodukt AMPA konnten nachgewiesen werden – damit erstmals im Meer.
Die Glyphosatkonzentrationen zwischen 0,42 und 0,49 ng/l waren, unabhängig von der
Entfernung zur Küste, recht konstant mit Ausnahme einer Messung von 1,22 ng/l in der
inneren Lübecker Bucht. Die AMPA-Konzentrationen (maximal 1,47 ng/l) waren in der Nähe
von Flussmündungen deutlich höher als weiter draußen im Meer, wo sie zum Teil unter die
Nachweisgrenze der neuen Methode fielen.
„Mit der am IOW entwickelten Glyphosat- und AMPA-Analytik können wir erstmals in
Konzentrationsbereichen unterhalb von 1 ng/l messen, wie sie in marinen Ökosystemen zu
erwarten sind – und das störungsfrei bei allen Salzgehalten, die man in den unterschiedlichen
Meeresgebieten der Welt findet“, sagt Marisa Wirth. Die jetzt in der Ostsee gemessenen Werte
lägen weit unterhalb der Konzentrationen, die für Menschen oder Meeresorganismen als
bedenklich diskutiert werden. Aber da bisher nur diese punktuellen Messungen vorliegen, sei
noch keine Datenbasis für eine Einschätzung vorhanden, inwieweit die Ostsee durch diese
Stoffe gefährdet ist, so Wirth weiter. „Wir haben jetzt aber eine hinreichend sensitive und
zuverlässige Methode, mit der man ein aussagefähiges Umweltmonitoring im Meer für beide
Substanzen durchführen kann. Auch sind jetzt Studien möglich, die sich mit aktuellen
Forschungsfragen beschäftigen, beispielsweise mit Transport, Beständigkeit oder Abbau von
Glyphosat und AMPA in der Meeresumwelt“, kommentiert die IOW-Forscherin abschließend.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim IOW.
Welche Auswirkungen diese Umweltgifte auf große Meeressäuger wie Wale haben, erfahrt ihr in unserem Forschungsblog.