Ganz viel fossiles Zooplankton: beige Muscheln und Krebsschalen

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Pressemitteilung, 22.05.2019, MARUM (Zentrum für Marine Umweltwissenschaften)

For­scher ver­öf­fent­li­chen neue glo­ba­le Ver­gleichs­stu­die in Na­tu­re

Der von Men­schen ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del wirkt sich auf die Ar­ten­viel­falt und Öko­sys­te­me aus, und ma­ri­ne Öko­sys­te­me sind kei­ne Aus­nah­me. Um zu be­wer­ten, wie ge­nau der Kli­ma­wan­del Öko­sys­te­me be­ein­flusst, muss der ak­tu­el­le Zu­stand mit vor­in­dus­tri­el­len Zeit­räu­men ver­gli­chen wer­den. Jetzt ha­ben For­scher des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie des In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg nach­ge­wie­sen, dass sich Ge­mein­schaf­ten ma­ri­nen Plank­tons aus heu­ti­ger und vor­in­dus­tri­el­ler Zeit nach­weis­bar un­ter­schei­den. Das ma­ri­ne Plank­ton hat so­zu­sa­gen das An­thro­po­zän er­reicht. Dazu ha­ben die For­scher die Zu­sam­men­set­zung fos­si­len Plank­tons (Fo­ra­mi­ni­fe­ren) in Se­di­men­ten aus der vor­in­dus­tri­el­len Ära mit der aus neue­rer Zeit ver­gli­chen. Ihre Er­geb­nis­se hat das Team in der Fach­zeit­schrift Na­tu­re ver­öf­fent­licht.

Plank­to­ni­sche Fo­ra­mi­ni­fe­ren sind Kleinst­le­be­we­sen, die an der Ober­flä­che der Ozea­ne le­ben. Ster­ben sie, la­gern sich ihre Kalk­ge­häu­se in Mee­res­bo­den­s­edi­men­ten ab. Sol­che fos­si­len Fo­ra­mi­ni­fe­ren do­ku­men­tie­ren den Zu­stand der Ozea­ne, be­vor der Mensch be­gon­nen hat, das Kli­ma zu be­ein­flus­sen. Der heu­ti­ge Zu­stand ist wie­der­um in Pro­ben aus Sink­stoff­fal­len der ver­gan­ge­nen 50 Jah­re ab­ge­bil­det. Durch den Ver­gleich von fos­si­len und mo­der­nen Le­bens­ge­mein­schaf­ten der Fo­ra­mi­ni­fe­ren kön­nen For­schen­de ab­schät­zen, wie sehr sich das Plank­ton seit der In­dus­tria­li­sie­rung ver­än­dert hat.

Für ihre Stu­die ha­ben Dr. Lu­kas Jon­kers und Prof. Mi­chal Ku­ce­ra vom MARUM an der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie Prof. Hel­mut Hil­le­brand vom In­sti­tut für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res (ICBM) der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg über 3.700 Da­ten­sät­ze aus Se­di­men­ten aus vor­in­dus­tri­el­ler Zeit mit Pro­ben aus Sink­stoff­fal­len ver­gli­chen, die den Zu­stand des Plank­tons von 1978 bis 2013 zei­gen. So kom­men die For­scher zu dem Schluss, dass sich die heu­ti­ge Zu­sam­men­set­zung der Ar­ten von der in der vor­in­dus­tri­el­len Zeit sys­te­ma­tisch un­ter­schei­det. „Das er­staun­li­che war, dass die­ser Un­ter­schied nicht zu­fäl­lig ist, son­dern ein Si­gnal der Erd­er­wär­mung zeigt: Heu­ti­ge Le­bens­ge­mein­schaf­ten in sich er­wär­men­den Re­gio­nen stim­men mit vor­in­dus­tri­el­len Le­bens­ge­mein­schaf­ten aus wär­me­ren Re­gio­nen über­ein“, er­klärt Lu­kas Jon­kers. Das be­deu­tet auch: Die mo­der­nen Ar­ten­ge­mein­schaf­ten am sel­ben Stand­ort sind an­de­re als zu vor­in­dus­tri­el­ler Zeit.

„Wir wis­sen schon lan­ge, dass sich Ar­ten­ge­sell­schaf­ten ver­än­dern, aber für vie­le Le­bens­ge­mein­schaf­ten gibt es we­gen zu kur­zer Be­ob­ach­tun­gen kei­ne be­last­ba­ren und vor al­lem glo­ba­len Ver­gleichs­grö­ßen“, sagt Jon­kers. Das habe sich nun mit den ana­ly­sier­ten Da­ten ge­än­dert. „Der Da­ten­satz ist groß und da­mit auch glo­bal re­prä­sen­ta­tiv.“ Das Be­un­ru­hi­gen­de an der Be­ob­ach­tung sei, dass in vie­len Re­gio­nen des Oze­ans die Plank­ton­ge­mein­schaf­ten of­fen­sicht­lich „in frem­de Ge­wäs­ser“ ab­ge­wan­dert sind. Dort müs­sen sie sich an neue Be­din­gun­gen an­pas­sen und un­ter Um­stän­den ihre Nah­rungs­net­ze neu bil­den. „Die Fra­ge ist, ob sie dies zü­gig tun kön­nen, oder ob der Kli­ma­wan­del zu schnell vor­an­schrei­tet, als dass die Ge­mein­schaf­ten sich an­pas­sen könn­ten“, sagt Mi­chal Ku­ce­ra.

„Un­se­re Ko­ope­ra­ti­on zeigt, wie wich­tig es ist, dass Pa­läo­öko­lo­gie und mo­der­ne Bio­di­ver­si­täts­for­schung zu­sam­men­ar­bei­ten“, fügt Hel­mut Hil­le­brand hin­zu. Er lei­tet die Ar­beits­grup­pe Plank­to­lo­gie des ICBM und das Helm­holtz-In­sti­tut für Funk­tio­nel­le Ma­ri­ne Bio­di­ver­si­tät an der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg. „Un­se­re Stu­die hilft zu ver­ste­hen, wie der Kli­ma­wan­del die Bio­di­ver­si­tät be­ein­flusst. Das ist eine der Haupt­fra­gen des jüngst ver­öf­fent­lich­ten glo­ba­len Be­richts des Welt­bio­di­ver­si­täts­ra­tes.“

Die Re­ak­tio­nen ma­ri­ner Öko­sys­te­me auf Kli­ma­wan­del wer­den von den For­schen­den in Ol­den­burg und Bre­men im Ex­zel­lenz­clus­ter „Der Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“ künf­tig wei­ter un­ter­sucht.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

 

 

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