Auf der vom Bundesamt für Naturschutz in Kooperation mit dem Deutschen Meeresmuseum/OZEANEUM in Stralsund ausgerichteten internationalen Tagung „Progress in Marine Conservation 2023: How to stop biodiversity loss – from knowledge to action“ haben sich rund 200...
Auf der kleinen Kanareninsel La Gomera, 300 Meter über dem Meeresspiegel, steht ein kleines zusammengezimmertes Holzhäuschen mit Blick auf den Atlantik. Das ist die Feldstation von M.E.E.R. e.V., einem Delfin- und Walschutz-Verein aus Berlin, der seit 25 Jahren die Meeressäuger vor La Gomera studiert und schützt. Ich habe das Glück, eine Woche auf der Feldstation zu verbringen. Genau der richtige Ort, um eine Rezension über Fabian Ritters Buch „Insel der Delfine“ zu schreiben. Der Meeresbiologe hat M.E.E.R. e.V. gegründet und führt uns in seinem Fotoband auf diese Insel, die so genannt wird, weil sie durch ihre geografischen Besonderheiten weltweit einzigartige Bedingungen für Wale und Delfine bietet und somit für uns Menschen, ihnen zu begegnen.
Das neueste Projekt von M.E.E.R. e.V. ist besagte Feldstation auf dem Felsen über dem Atlantik. In der Station steht ein riesiges Fernglas, nach Vorbild der sogenannten „Vijias“, kleinen Häuschen auf den Azoreninseln, von denen aus nach Pottwalen Ausschau gehalten wird, früher zur Jagd, heute fürs Whale Watching. Ein Mitarbeiter von M.E.E.R. e.V. beobachtet damit regelmäßig das 180-Grad-Meerespanorama nicht weit vom Valle Gran Rey, dem Zentrum des Whale Watchings auf den Kanaren. Sieben Whale Watching Boote fahren von hier aus täglich für mehrstündige Ausfahrten aufs Meer, um die über 20 Delfin- und Walarten zu beobachten, die hier angetroffen werden können.
Große Tümmler, Zügeldelfine, Indische Grindwale, auch Pilotwale genannt, und Rauzahndelfine leben ganzjährig vor der Küste Gomeras, Gewöhnliche Delfine, Blau-weiße Delfine, Schnabelwale und Großwale wie Pottwale, Finn- und Brydewale kommen regelmäßig vorbeigezogen, sogar der 30 Meter lange Blauwal, größtes Lebewesen der Erde, wird zwei bis drei Mal pro Jahr gesichtet. M.E.E.R. e.V. kooperiert mit den Whale Watching Booten, von der Feldstation aus werden die Kapitäne angefunkt, wenn mit dem Fernglas Tiere gesichtet werden. Aber auch als Kontrollinstanz sieht sich der Verein, der sicherstellen möchte, dass das Whale Watching naturverträglich abläuft.
Mit seinen großartigen Fotografien aus 25 Jahren Feldforschung auf dem Meer lässt uns Fabian Ritter hautnah an seiner Faszination für Delfine und Wale teilhaben. Er beschreibt die am häufigsten gesichteten Arten – jeweils ergänzt durch einen „Magischen Moment“ während der Beobachtung – sowie die Seevögel und Schildkröten, die oft vor der Insel gesichtet werden.
Das Glück, diese Tiere erleben zu können, ist in jedem Bild zu spüren. Doch auch hier im Reich der „Insel der Delfine“ ist die Bedrohung des Lebensraumes Meer präsent. Seevögel und Schildkröten verfangen sich immer wieder in alten Fischernetzen oder Tüten. Mit Glück können die Whale Watching Boote die Tiere aus ihrer Not befreien, aber die vielfältigen Gefahren auch für Delfine und Wale durch Unterwasserlärm, Schiffkollisionen, Ozeanversauerung, Erderhitzung und Vermüllung bleiben bestehen und verstärken sich zunehmend. Daher widmet Fabian Ritter ein eigenes Kapitel diesen Bedrohungen und dem Schutz des Meeres.
Das Besondere an seinem Buch sind nicht nur die „Magischen Momente“ aus 25 Jahren Wal- und Delfinbeobachtung, sondern die daraus entwickelten philosophischen Exkurse zu den Themen Persönlichkeit und Bewusstsein von Meeressäugern und der Frage, inwieweit wir Menschen ihnen so etwas wie eine Kultur zugestehen. Letzteres liegt auf der Hand, wenn wir ihre Kommunikationsform studieren, die wir „Walgesänge“ nennen. Bei den Buckelwalen zum Beispiel singen verschiedene Populationen unterschiedliche Lieder, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und im Laufe der Zeit verändert werden, wie unsere Sprache. Die Erkenntnisse der Forschung zeigen uns die Rückständigkeit unserer anthropozentrischen Denkweise und lassen uns ganz neu über unsere Mitgeschöpfe nachdenken und die notwendigen Konsequenzen für unseren Umgang mit ihnen.
Diese Tiere, die wir Menschen zwar bewundern, aber deren Lebensraum wir tagtäglich verringern und gefährden, sorgen für unser Überleben auf diesem Planeten. Durch ihre komplexe biologische Funktion im Ökosystem Meer fungieren Wale- und Delfine als Meeresschützer. „Walschutz ist Meeresschutz.“ Mit seinem Buch hat Ritter ein sehr schönes Plädoyer dafür geschaffen.
Barbara Focke, Dezember 2019 für DEEPWAVE
Fabian Ritter
Die Insel der Delfine
Clarity Verlag, Sylt
1.Auflage 2018
ISBN 978-3-947274-06-2
Unsere Zweite Vorsitzende auf La Gomera auf der Feldstation von M.E.E.R. e.V.