Pressemitteilung, Umweltbundesamt, 06.07.2020

21 Prozent der Proben über HBM-I-Wert für PFOA – UBA arbeitet an EU-weiter Beschränkung der Stoffgruppe

In Deutschland haben Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 17 Jahren zu viele langlebige Chemikalien aus der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS, im Blut. Das zeigt die Auswertung der repräsentativen Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, GerES V. In einem Fünftel der untersuchten Proben lag die Konzentration für Perfluoroktansäure (PFOA) über dem von der Kommission Human-Biomonitoring festgelegten HBM-I-Wert. Erst bei Unterschreitung des HBM-I-Wertes ist nach dem aktuellen Kenntnisstand eine gesundheitliche Beeinträchtigung auszuschließen.

PFAS kommen nicht natürlich vor. Sie sind chemisch und thermisch sehr stabil. So reichern sich PFAS im Menschen und weltweit in der Umwelt an. PFAS werden zum Beispiel in der Beschichtung von Kaffeebechern, für Outdoorjacken oder Löschschäume verwendet, weil sie fett-, wasser- und schmutzabweisend sind. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes: „Welche Schäden die langlebigen PFAS in der Umwelt auf Dauer anrichten können, ist häufig noch unerforscht. Wir versuchen daher, gemeinsam mit anderen europäischen Ländern, diese Stoffe in der EU so weit wie möglich zu verbieten. Dies ist aus Vorsorgegründen der richtige Schritt.“

Die Stoffgruppe der PFAS umfasst über 4.700 verschiedene Chemikalien. PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroktansäure) – wurden in der GerES-Studie am häufigsten gefunden. Mit PFOS waren 100 Prozent aller Kinder in der Studie belastet. PFOA fand sich in 86 Prozent der insgesamt 1109 untersuchten Blutplasma-Proben. Damit liegen die Werte teilweise über den von der Kommission Human-Biomonitoring (HBM) festgelegten Schwellen. 21,1 Prozent der Proben lagen über dem HBM-I-Wert für PFOA, 7,1 % über dem HBM-I-Wert für PFOS. 0,2 Prozent der Proben überschritten den HBM-II-Wert für PFOS. Der HBM-II-Wert beschreibt eine Konzentration, ab der nach heutigem Kenntnisstand eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Die Belastung sollte dann in jedem Fall reduziert werden.

PFAS reichern sich im menschlichen Körper an und können auch über die Muttermilch von der Mutter auf das Kind übergehen.1 Die GerES-V-Ergebnisse zeigen, dass gestillte Kinder höher mit PFAS belastet sind als nicht gestillte Kinder. Erhöhte Konzentrationen von PFOA und PFOS im menschlichen Blut können Wirkungen von Impfungen vermindern, die Neigung zu Infekten erhöhen, die Cholesterinwerte erhöhen und bei Nachkommen ein verringertes Geburtsgewicht zur Folge haben.

Da PFAS in sehr vielen Produkten verwendet werden, ist es nicht einfach, den Kontakt mit diesen Chemikalien zu vermeiden. Verbraucherinnen und Verbraucher können beispielsweise auf in beschichteten Kartons aufbewahrte Lebensmittel verzichten. Auch schmutzabweisende Textilien wie Teppiche oder Vorhänge tragen zur Belastung bei. Weitere Tipps für einen PFAS-ärmeren Haushalt gibt es auf den Internetseiten des UBA: www.umweltbundesamt.de/uba-pfas.

PFAS sind auch für die Umwelt ein Problem: Aufgrund ihrer Langlebigkeit verteilen sie sich über Luft und Meeresströmungen großflächig rund um den Globus. PFAS gelangen über vielfältige Wege in die Umwelt. Durch die Abluft von Industriebetrieben können PFAS in umliegende Böden und Gewässer verlagert werden. PFAS können auch an Partikel anhaften und so über weite Strecken in der Luft bis in entlegene Gebiete transportiert werden. Man findet PFAS daher auch in den Polargebieten und alpinen Seen, weit weg von industrieller Produktion und menschlichen Siedlungen. Über Regen und Schnee gelangen PFAS aus der Luft wiederum in Boden und Oberflächengewässer. Zusätzlich werden PFAS über das behandelte Abwasser in Gewässer eingetragen oder verunreinigen Böden durch die Verwendung von PFAS-haltigen Löschschäumen. Weil sie sich nicht abbauen, verbleiben PFAS in Wasser und Boden und reichern sich an. Auswertungen der Umweltprobenbank zeigen, dass z. B. Seehunde, Seeadler oder Otter stark mit PFAS belastet sind. Über das Wasser landen die Chemikalien in Fischen und so auch in Tieren, die sich von Fisch ernähren. Auch in Eisbärlebern wurden die Stoffe schon nachgewiesen.

Dirk Messner: „Im Sinne einer sicheren Chemie gehören diese Chemikalien auf den Prüfstand. Die Perfluorchemie hat für mich wenig Zukunft. Nur Erzeugnisse und Materialien, die wirklich notwendige Leistungen etwa für den Gesundheitsschutz, z. B. für medizinische Geräte oder Schutzkleidung für Feuerwehren bereitstellen, sollten weiter genutzt werden dürfen.“ Aufgrund der Größe der Stoffgruppe ist das Verbot oder die Beschränkung von einzelnen Chemikalien nicht sinnvoll. Das UBA erarbeitet derzeit mit anderen Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen ein weitgehendes EU-weites Verbot im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH für die gesamte Stoffgruppe.

Einige PFAS gelten unter REACH bereits als besonders besorgniserregende Stoffe (sogenannte substances of very high concern, SVHC), da sie sehr langlebig sind, sich in Organismen anreichern und für Menschen schädlich sein können. Für besonders besorgniserregende Stoffe gelten im Rahmen der REACH-Verordnung besondere Auskunftspflichten und es kann eine Zulassungspflicht entstehen, d. h. nur explizit zugelassene Verwendungen dürfen weiter genutzt werden. Zu den besonders besorgniserregenden Stoffen unter REACH gehört zum Beispiel PFOA. Außerdem gelten für einige PFAS (z. B. für PFOA inklusive der Vorläuferverbindungen) bereits Beschränkungen bei der Herstellung und bei der Verwendung – so darf PFOA ab Juli 2020 nicht mehr in der EU hergestellt werden. Für Verbraucherprodukte gelten strenge Grenzwerte für PFOA und Vorläuferverbindungen. Diese Regulierung zeigt auch Erfolge: In der Umweltprobenbank des UBA lässt sich nachvollziehen, dass die Belastung der Menschen mit PFOA und PFOS im Zeitverlauf abnimmt.

Das UBA behandelt die problematische Stoffgruppe umfassend in seinem aktuellen Schwerpunkt-Magazin. Sie finden es hier zum Download.

Die zugehörige Pressemittelung findet ihr beim Umweltbundesamt.

Auch Plastik in Alltagsgegenständen ist oftmals mit Chemikalien belastet. Erfahrt mehr über die Plastikverschmutzung in unserem Plastic Pollution Blog und in unserer dazugehörigen BLUE STRAW Kampagne.

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