Eine Steinkoralle in den Gewässern vor Hawai'i

© Andy Collins, NOAA / Wikimedia Commons (PD)

Pressemitteilung, 31.08.2023, MARUM

In­ter­na­tio­na­le Ex­pe­di­ti­on vor der Küs­te von Ha­wai’i ge­star­tet

Ein Blick zu­rück auf die Um­welt­ver­än­de­run­gen im Lau­fe der Erd­ge­schich­te kann uns viel über die Zu­kunft ver­ra­ten – ins­be­son­de­re, wenn es um glo­bal und ge­sell­schaft­lich wich­ti­ge The­men wie den Mee­res­spie­gel, den Kli­ma­wan­del und die Ge­sund­heit des Ko­ral­len­riff-Öko­sys­tems geht. Eine in­ter­na­tio­na­le wis­sen­schaft­li­che For­schungs­ex­pe­di­ti­on, die im Auf­trag des In­ter­na­tio­nal Oce­an Dis­co­very Pro­gram (IODP) durch­ge­führt wird, zielt dar­auf ab, die Kli­ma- und Riff­be­din­gun­gen der Ver­gan­gen­heit vor der Küs­te von Hawai’i (USA) auf­zu­zeich­nen. Die zwei­mo­na­ti­ge For­schungs­ex­pe­di­ti­on wird Ende Au­gust den Ha­fen von Ho­no­lu­lu ver­las­sen.

Ko­ral­len­rif­fe re­agie­ren sehr emp­find­lich auf den Mee­res­spie­gel und an­de­re Ver­än­de­run­gen der Um­welt­be­din­gun­gen. Als Fos­si­li­en hal­ten sie eine Auf­zeich­nung ver­gan­ge­ner Be­din­gun­gen über Hun­der­te, Tau­sen­de und Mil­lio­nen Jah­re der Erd­ge­schich­te be­reit. In den welt­wei­ten Auf­zeich­nun­gen der ver­gan­ge­nen 500.000 Jah­re gibt es je­doch Un­ter­bre­chun­gen, vor al­lem wäh­rend Zei­ten, in de­nen das Kli­ma plötz­lich sehr in­sta­bil wur­de. IODP-Ex­pe­di­ti­on 389 „Ha­wai’i­an Drow­ned Reefs“ ( „Ver­sun­ke­ne ha­waii­ani­sche Rif­fe“) kon­zen­triert sich auf die­ses feh­len­de Glied. Wis­sen­schaft­li­che Fahrt­lei­ten­de sind Pro­fes­sor Chris­ti­na Ra­ve­lo (Oce­an Sci­en­ces De­part­ment an der Uni­ver­si­ty of Ca­li­for­nia, San­ta Cruz, USA) und Pro­fes­sor Jody Webs­ter (School of Geo­sci­en­ces), der Uni­ver­si­ty of Syd­ney, Aus­tra­li­en).

Prof. Chris­ti­na Ra­ve­lo: „Die fos­si­len Rif­fe von Hawai’i sind Ge­schich­ten­er­zäh­ler der ver­gan­ge­nen Kli­ma- und Oze­an­ver­än­de­run­gen und der Re­ak­tio­nen des Riff­öko­sys­tems auf die­se Ver­än­de­run­gen. Wir möch­ten die­se Ge­schich­ten durch sorg­fäl­ti­ge Un­ter­su­chung der Fos­si­li­en, die wir zu ber­gen hof­fen, auf­de­cken und tei­len.“

Prof. Jody Webs­ter: „Wir hof­fen, dass die in den fos­si­len Rif­fen auf­ge­zeich­ne­ten In­for­ma­tio­nen den Wis­sen­schaft­lern hel­fen wer­den, bes­se­re Vor­her­sa­gen über Ge­schwin­dig­keit und Aus­maß des Mee­res­spie­gel­an­stiegs zu tref­fen, wel­che Aus­wir­kun­gen die glo­ba­le Er­wär­mung und Ab­küh­lung auf kurz­fris­ti­ge Kli­ma­phä­no­me­ne wie Dür­ren, Über­schwem­mun­gen und ma­ri­ne Hit­ze­wel­len hat, und wie Ko­ral­len­riff-Öko­sys­te­me auf die­se Ver­än­de­run­gen re­agie­ren.“

Dr. Tho­mas Fe­lis, Lei­ter der Ar­beits­grup­pe Ko­ral­len-Pa­läo­kli­ma­to­lo­gie am MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men, ist Mit­glied des Ex­pe­di­ti­ons­teams. „Nach frü­he­ren Ko­ral­len­riff-Bohr­ex­pe­di­tio­nen zum Gre­at Bar­ri­er Reef und nach Ta­hi­ti, an de­nen ich be­tei­ligt war, bie­tet sich nun in Hawai’i die ein­ma­li­ge Ge­le­gen­heit, noch viel wei­ter in die Ver­gan­gen­heit zu­rück­zu­ge­hen, hof­fent­lich bis zu ei­ner hal­ben Mil­li­on Jah­re“, sagt Tho­mas Fe­lis. Er ko­or­di­niert auch das DFG-Schwer­punkt­pro­gramm „Tro­pi­sche Kli­ma­va­ria­bi­li­tät & Ko­ral­len­rif­fe“ (SPP 2299), ein deutsch­land­wei­tes Ver­bund­pro­jekt, das ein bes­se­res Ver­ständ­nis der Kli­ma­va­ria­bi­li­tät in den tro­pi­schen Ozea­nen und ih­rer Aus­wir­kun­gen auf das Öko­sys­tem der Ko­ral­len­rif­fe in ei­ner sich er­wär­men­den Welt zum Ziel hat. „Ich freue mich sehr, dass vier For­schen­de aus un­se­rem Pro­gramm ein­ge­la­den wur­den, zur IODP-Ex­pe­di­ti­on 389 nach Hawai’i bei­zu­tra­gen“, so Fe­lis.

Ziel der Ex­pe­di­ti­on ist es, Bohr­ker­ne aus Was­ser­tie­fen zwi­schen 134 und 1.155 Me­tern an zwan­zig Stel­len zu ber­gen. Auch wenn dies das ers­te Mal ist, dass in die­sem Ge­biet ein Oze­an­bo­den­bohr­ge­rät ein­ge­setzt wird, sind die ge­plan­ten Lo­ka­tio­nen gut un­ter­sucht. „Wir ha­ben eine sehr gute Vor­stel­lung da­von, wie der Mee­res­bo­den vor der Küs­te von Hawai’iaus­sieht, Wis­sen­schaft­ler:in­nen ha­ben in den letz­ten vier Jahr­zehn­ten mit Tauch­boo­ten und fern­ge­steu­er­ten Tauch­ro­bo­tern um­fang­rei­chen Kar­tie­run­gen mit Un­ter­was­ser­so­na­ren so­wie Film­ma­te­ri­al und Ober­flä­chen­pro­ben ge­sam­melt“, sagt Jody Webs­ter. „Die­se In­for­ma­tio­nen ha­ben uns ge­hol­fen, die bes­ten Lo­ka­tio­nen für die sorg­fäl­ti­ge Ge­win­nung der Ker­ne aus­zu­wäh­len, die un­ser Ver­ständ­nis der Ge­schich­te des Riff­sys­tems er­heb­lich ver­tie­fen wer­den“, fügt Chris­ti­na Ra­ve­lo hin­zu.

Die Uni­ver­si­tät von Hawai’i ist eine Part­ner­in­sti­tu­ti­on die­ser Ex­pe­di­ti­on und ver­fügt über eine lan­ge Tra­di­ti­on in der Wis­sen­schaft in den Be­rei­chen Ko­ral­len­rif­fe, Küs­ten­phä­no­me­ne und Küs­ten­geo­lo­gie. Ha­wai’ia­ni­sche Wis­sen­schaft­ler ha­ben den An­stieg des Mee­res­spie­gels und sei­ne Aus­wir­kun­gen un­ter­sucht und her­vor­ge­ho­ben, wie wich­tig die­ses Wis­sen für das For­mu­lie­ren ei­ner Stra­te­gie zur Ein­däm­mung des Kli­ma­wan­dels und zur Stär­kung der Resi­li­enz in der Zu­kunft ist. Prof. Ken­na Ru­bin, an­or­ga­ni­sche Geo­che­mi­ke­rin an der Uni­ver­si­ty of Ha­wai’i at Ma­noa, De­part­ment of Earth Sci­en­ces, war von An­fang an an der Pla­nung der Ex­pe­di­ti­on be­tei­ligt und wird eine wich­ti­ge Teil­neh­me­rin sein.

Prof. Ken­na Ru­bin: „Die de­tail­lier­ten, hoch­auf­lö­sen­den zeit­li­chen und zu­sam­men­ge­setz­ten Ab­fol­gen, die wir von die­ser Ex­pe­di­ti­on er­war­ten, wer­den un­ser Wis­sen über die Re­ak­tio­nen auf den Kli­ma­wan­del er­heb­lich er­wei­tern und For­schen­den hel­fen, die vul­ka­ni­sche Ab­sen­kungs­ge­schich­te von ‚Big Is­land‘ bes­ser zu ver­ste­hen.“ Die Aus­wir­kun­gen die­ser For­schung in Hawai’i wer­den zu be­ste­hen­den Stu­di­en über Mee­res­spie­gel­ver­än­de­run­gen bei­tra­gen, wie sie hier von Ko­ral­len­rif­fen auf­ge­zeich­net wer­den.“

Die wis­sen­schaft­li­chen Zie­le der Ex­pe­di­ti­on zie­len dar­auf ab, Fra­gen zu vier Haupt­the­men zu be­ant­wor­ten:

  • Das Ausmaß der Meeresspiegelveränderung in den letzten halben Million Jahren zu messen
  • Warum sich Meeresspiegel und Klima im Laufe der Zeit ändern zu untersuchen
  • Wie Korallenriffe auf abrupte Meeresspiegel- und Klimaveränderungen reagieren zu erforschen, und
  • Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Wachstum und Absenkung von Hawai’i im Laufe der Zeit zu verbessern.

Die Pla­nungs­pha­se der Ex­pe­di­ti­on um­fass­te in­ten­si­ve Um­welt­be­ob­ach­tun­gen und eine um­fas­sen­de Ri­si­ko­be­wer­tung.

Um das Ma­te­ri­al, das die Wis­sen­schaft­ler:in­nen für ihre Ana­ly­sen in den kom­men­den Jah­ren nut­zen wer­den, zu ge­win­nen, wird wäh­rend der Ex­pe­di­ti­on auf dem Mehr­zweck­schiff MMA VA­LOUR ein Mee­res­bo­den­bohr­ge­rät ein­ge­setzt. Das Mee­res­bo­den­bohr­ge­rät wird von ei­nem re­nom­mier­ten Spe­zia­lis­ten der Geo­tech­nik­in­dus­trie be­reit­ge­stellt und be­trie­ben. Es wird auf den Mee­res­bo­den ab­ge­senkt, um bis zu 110 Me­ter lan­ge Bohr­ker­ne aus dem Oze­an­bo­den zu ber­gen.

Die MMA VA­LOUR ist ein viel­sei­ti­ges Mehr­zweck-Ver­sor­gungs­schiff, das MMA Off­shore ge­hört und von MMA Off­shore be­trie­ben wird, ei­nem welt­weit füh­ren­den An­bie­ter von See- und Un­ter­was­ser­dienst­leis­tun­gen. MMA mit Haupt­sitz in Perth, Aus­tra­li­en, en­ga­giert sich für den Schutz der Mee­resöko­sys­te­me der Welt und die Un­ter­stüt­zung wich­ti­ger wis­sen­schaft­li­cher For­schung in die­sem Be­reich.

An der Ex­pe­di­ti­on wer­den 29 Wis­sen­schaft­ler:in­nen aus Aus­tra­li­en, Öster­reich, Chi­na, Dä­ne­mark, Frank­reich, Deutsch­land, In­di­en, Ja­pan, den Nie­der­lan­den, Groß­bri­tan­ni­en und den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka teil­neh­men. Zehn von ih­nen wer­den an Bord der MMA VA­LOUR sein und am 31. Au­gust den Ha­fen von Ho­no­lu­lu ver­las­sen. Die Off­shore-Pha­se der Ex­pe­di­ti­on en­det am 31. Ok­to­ber. Alle Mit­glie­der der Wis­sen­schafts­grup­pe wer­den sich zur Ons­hore-Pha­se im Bre­mer IODP Bohr­kern­la­ger (BCR) am MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men (Deutsch­land) tref­fen um die Ker­ne zu öff­nen, zu ana­ly­sie­ren, zu be­pro­ben und die im Fe­bru­ar 2024 ge­sam­mel­ten Da­ten aus­zu­wer­ten. „Das Tref­fen im Fe­bru­ar in Bre­men bie­tet die Mög­lich­keit, dass alle Wis­sen­schaft­ler:in­nen der in­ter­na­tio­na­len und in­ter­dis­zi­pli­nä­ren Ex­pe­di­ti­on erst­ma­lig zu­sam­men kom­men und Kol­la­bo­ra­tio­nen in­ten­si­viert oder so­gar erst in­iti­iert wer­den“, sagt Dr. Ur­su­la Röhl, Wis­sen­schaft­le­rin am MARUM und Lei­te­rin des Bre­mer Bohr­kern­la­gers. „Im Mo­ment ist ein Teil des Bre­mer Kern­la­ger-Teams mit an Bord, um die Bohr­ker­ne und Pro­ben­ma­te­ri­al fach­ge­recht zu ku­ra­tie­ren und ers­te Mes­sun­gen zu be­glei­ten“, fügt sie wei­ter hin­zu.

Die Ker­ne wer­den ar­chi­viert und der wis­sen­schaft­li­chen Ge­mein­schaft nach ei­ner ein­jäh­ri­gen Mo­ra­to­ri­ums-Pe­ri­ode nach der Ons­hore-Pha­se der Ex­pe­di­ti­on für wei­te­re wis­sen­schaft­li­che For­schun­gen zu­gäng­lich ge­macht. Alle Ex­pe­di­ti­ons­da­ten wer­den öf­fent­lich zu­gäng­lich sein und die dar­aus re­sul­tie­ren­den Er­geb­nis­se wer­den ver­öf­fent­licht.

Die Ex­pe­di­ti­on wird vom Eu­ro­pean Con­sor­ti­um for Oce­an Re­se­arch Dril­ling (ECORD) im Rah­men des In­ter­na­tio­nal Oce­an Dis­co­very Pro­gram (IODP) durch­ge­führt. IODP ist ein öf­fent­lich fi­nan­zier­tes in­ter­na­tio­na­les Mee­res­for­schungs­pro­gramm, das von 21 Län­dern un­ter­stützt wird und die in Se­di­men­ten und Ge­stei­nen des Mee­res­bo­dens auf­ge­zeich­ne­te Erd­ge­schich­te und -dy­na­mik er­forscht und die Um­ge­bun­gen un­ter dem Mee­res­bo­den über­wacht. Über meh­re­re Platt­for­men – eine ein­zig­ar­ti­ge Funk­ti­on von IODP – un­ter­su­chen Wis­sen­schaft­ler:in­nen die tie­fe Bio­sphä­re und den Oze­an un­ter dem Mee­res­bo­den, Um­welt­ver­än­de­run­gen, Pro­zes­se und Aus­wir­kun­gen so­wie Zy­klen und Dy­na­mik der fes­ten Erde.

Der ECORD Sci­ence Ope­ra­tor ver­fügt über gro­ße Er­fah­rung in der Ar­beit mit sen­si­blen Öko­sys­te­men wie Ko­ral­len­rif­fen, nach­dem See-Ex­pe­di­tio­nen be­reits zum Gre­at Bar­ri­er Reef (Aus­tra­li­en, 2010) und nach Ta­hi­ti (2005) durch­ge­führt wur­den.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.

Besonders gefährdet sind die artenreichen Riffökosysteme durch Extremwetterereignisse wie Zyklone und Hitzewellen, die aufgrund der Klimakrise immer häufiger und mit größerer Intensität auftreten.

Im Jahr 2022 hat sich DEEPWAVE für sein Filmfestival in Bremen mit dem 15. Internationalen Korallenriff-Symposium (ICRS), der größten Konferenz für Korallenforscher:innen zusammengetan und das Filmfestival „Saving Corals“ auf die Beine gestellt.

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