Pressemitteilung, 31.08.2023, MARUM
Internationale Expedition vor der Küste von Hawai’i gestartet
Ein Blick zurück auf die Umweltveränderungen im Laufe der Erdgeschichte kann uns viel über die Zukunft verraten – insbesondere, wenn es um global und gesellschaftlich wichtige Themen wie den Meeresspiegel, den Klimawandel und die Gesundheit des Korallenriff-Ökosystems geht. Eine internationale wissenschaftliche Forschungsexpedition, die im Auftrag des International Ocean Discovery Program (IODP) durchgeführt wird, zielt darauf ab, die Klima- und Riffbedingungen der Vergangenheit vor der Küste von Hawai’i (USA) aufzuzeichnen. Die zweimonatige Forschungsexpedition wird Ende August den Hafen von Honolulu verlassen.
Korallenriffe reagieren sehr empfindlich auf den Meeresspiegel und andere Veränderungen der Umweltbedingungen. Als Fossilien halten sie eine Aufzeichnung vergangener Bedingungen über Hunderte, Tausende und Millionen Jahre der Erdgeschichte bereit. In den weltweiten Aufzeichnungen der vergangenen 500.000 Jahre gibt es jedoch Unterbrechungen, vor allem während Zeiten, in denen das Klima plötzlich sehr instabil wurde. IODP-Expedition 389 „Hawai’ian Drowned Reefs“ ( „Versunkene hawaiianische Riffe“) konzentriert sich auf dieses fehlende Glied. Wissenschaftliche Fahrtleitende sind Professor Christina Ravelo (Ocean Sciences Department an der University of California, Santa Cruz, USA) und Professor Jody Webster (School of Geosciences), der University of Sydney, Australien).
Prof. Christina Ravelo: „Die fossilen Riffe von Hawai’i sind Geschichtenerzähler der vergangenen Klima- und Ozeanveränderungen und der Reaktionen des Riffökosystems auf diese Veränderungen. Wir möchten diese Geschichten durch sorgfältige Untersuchung der Fossilien, die wir zu bergen hoffen, aufdecken und teilen.“
Prof. Jody Webster: „Wir hoffen, dass die in den fossilen Riffen aufgezeichneten Informationen den Wissenschaftlern helfen werden, bessere Vorhersagen über Geschwindigkeit und Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs zu treffen, welche Auswirkungen die globale Erwärmung und Abkühlung auf kurzfristige Klimaphänomene wie Dürren, Überschwemmungen und marine Hitzewellen hat, und wie Korallenriff-Ökosysteme auf diese Veränderungen reagieren.“
Dr. Thomas Felis, Leiter der Arbeitsgruppe Korallen-Paläoklimatologie am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, ist Mitglied des Expeditionsteams. „Nach früheren Korallenriff-Bohrexpeditionen zum Great Barrier Reef und nach Tahiti, an denen ich beteiligt war, bietet sich nun in Hawai’i die einmalige Gelegenheit, noch viel weiter in die Vergangenheit zurückzugehen, hoffentlich bis zu einer halben Million Jahre“, sagt Thomas Felis. Er koordiniert auch das DFG-Schwerpunktprogramm „Tropische Klimavariabilität & Korallenriffe“ (SPP 2299), ein deutschlandweites Verbundprojekt, das ein besseres Verständnis der Klimavariabilität in den tropischen Ozeanen und ihrer Auswirkungen auf das Ökosystem der Korallenriffe in einer sich erwärmenden Welt zum Ziel hat. „Ich freue mich sehr, dass vier Forschende aus unserem Programm eingeladen wurden, zur IODP-Expedition 389 nach Hawai’i beizutragen“, so Felis.
Ziel der Expedition ist es, Bohrkerne aus Wassertiefen zwischen 134 und 1.155 Metern an zwanzig Stellen zu bergen. Auch wenn dies das erste Mal ist, dass in diesem Gebiet ein Ozeanbodenbohrgerät eingesetzt wird, sind die geplanten Lokationen gut untersucht. „Wir haben eine sehr gute Vorstellung davon, wie der Meeresboden vor der Küste von Hawai’iaussieht, Wissenschaftler:innen haben in den letzten vier Jahrzehnten mit Tauchbooten und ferngesteuerten Tauchrobotern umfangreichen Kartierungen mit Unterwassersonaren sowie Filmmaterial und Oberflächenproben gesammelt“, sagt Jody Webster. „Diese Informationen haben uns geholfen, die besten Lokationen für die sorgfältige Gewinnung der Kerne auszuwählen, die unser Verständnis der Geschichte des Riffsystems erheblich vertiefen werden“, fügt Christina Ravelo hinzu.
Die Universität von Hawai’i ist eine Partnerinstitution dieser Expedition und verfügt über eine lange Tradition in der Wissenschaft in den Bereichen Korallenriffe, Küstenphänomene und Küstengeologie. Hawai’ianische Wissenschaftler haben den Anstieg des Meeresspiegels und seine Auswirkungen untersucht und hervorgehoben, wie wichtig dieses Wissen für das Formulieren einer Strategie zur Eindämmung des Klimawandels und zur Stärkung der Resilienz in der Zukunft ist. Prof. Kenna Rubin, anorganische Geochemikerin an der University of Hawai’i at Manoa, Department of Earth Sciences, war von Anfang an an der Planung der Expedition beteiligt und wird eine wichtige Teilnehmerin sein.
Prof. Kenna Rubin: „Die detaillierten, hochauflösenden zeitlichen und zusammengesetzten Abfolgen, die wir von dieser Expedition erwarten, werden unser Wissen über die Reaktionen auf den Klimawandel erheblich erweitern und Forschenden helfen, die vulkanische Absenkungsgeschichte von ‚Big Island‘ besser zu verstehen.“ Die Auswirkungen dieser Forschung in Hawai’i werden zu bestehenden Studien über Meeresspiegelveränderungen beitragen, wie sie hier von Korallenriffen aufgezeichnet werden.“
Die wissenschaftlichen Ziele der Expedition zielen darauf ab, Fragen zu vier Hauptthemen zu beantworten:
- Das Ausmaß der Meeresspiegelveränderung in den letzten halben Million Jahren zu messen
- Warum sich Meeresspiegel und Klima im Laufe der Zeit ändern zu untersuchen
- Wie Korallenriffe auf abrupte Meeresspiegel- und Klimaveränderungen reagieren zu erforschen, und
- Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Wachstum und Absenkung von Hawai’i im Laufe der Zeit zu verbessern.
Die Planungsphase der Expedition umfasste intensive Umweltbeobachtungen und eine umfassende Risikobewertung.
Um das Material, das die Wissenschaftler:innen für ihre Analysen in den kommenden Jahren nutzen werden, zu gewinnen, wird während der Expedition auf dem Mehrzweckschiff MMA VALOUR ein Meeresbodenbohrgerät eingesetzt. Das Meeresbodenbohrgerät wird von einem renommierten Spezialisten der Geotechnikindustrie bereitgestellt und betrieben. Es wird auf den Meeresboden abgesenkt, um bis zu 110 Meter lange Bohrkerne aus dem Ozeanboden zu bergen.
Die MMA VALOUR ist ein vielseitiges Mehrzweck-Versorgungsschiff, das MMA Offshore gehört und von MMA Offshore betrieben wird, einem weltweit führenden Anbieter von See- und Unterwasserdienstleistungen. MMA mit Hauptsitz in Perth, Australien, engagiert sich für den Schutz der Meeresökosysteme der Welt und die Unterstützung wichtiger wissenschaftlicher Forschung in diesem Bereich.
An der Expedition werden 29 Wissenschaftler:innen aus Australien, Österreich, China, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Indien, Japan, den Niederlanden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika teilnehmen. Zehn von ihnen werden an Bord der MMA VALOUR sein und am 31. August den Hafen von Honolulu verlassen. Die Offshore-Phase der Expedition endet am 31. Oktober. Alle Mitglieder der Wissenschaftsgruppe werden sich zur Onshore-Phase im Bremer IODP Bohrkernlager (BCR) am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (Deutschland) treffen um die Kerne zu öffnen, zu analysieren, zu beproben und die im Februar 2024 gesammelten Daten auszuwerten. „Das Treffen im Februar in Bremen bietet die Möglichkeit, dass alle Wissenschaftler:innen der internationalen und interdisziplinären Expedition erstmalig zusammen kommen und Kollaborationen intensiviert oder sogar erst initiiert werden“, sagt Dr. Ursula Röhl, Wissenschaftlerin am MARUM und Leiterin des Bremer Bohrkernlagers. „Im Moment ist ein Teil des Bremer Kernlager-Teams mit an Bord, um die Bohrkerne und Probenmaterial fachgerecht zu kuratieren und erste Messungen zu begleiten“, fügt sie weiter hinzu.
Die Kerne werden archiviert und der wissenschaftlichen Gemeinschaft nach einer einjährigen Moratoriums-Periode nach der Onshore-Phase der Expedition für weitere wissenschaftliche Forschungen zugänglich gemacht. Alle Expeditionsdaten werden öffentlich zugänglich sein und die daraus resultierenden Ergebnisse werden veröffentlicht.
Die Expedition wird vom European Consortium for Ocean Research Drilling (ECORD) im Rahmen des International Ocean Discovery Program (IODP) durchgeführt. IODP ist ein öffentlich finanziertes internationales Meeresforschungsprogramm, das von 21 Ländern unterstützt wird und die in Sedimenten und Gesteinen des Meeresbodens aufgezeichnete Erdgeschichte und -dynamik erforscht und die Umgebungen unter dem Meeresboden überwacht. Über mehrere Plattformen – eine einzigartige Funktion von IODP – untersuchen Wissenschaftler:innen die tiefe Biosphäre und den Ozean unter dem Meeresboden, Umweltveränderungen, Prozesse und Auswirkungen sowie Zyklen und Dynamik der festen Erde.
Der ECORD Science Operator verfügt über große Erfahrung in der Arbeit mit sensiblen Ökosystemen wie Korallenriffen, nachdem See-Expeditionen bereits zum Great Barrier Reef (Australien, 2010) und nach Tahiti (2005) durchgeführt wurden.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim MARUM.
Besonders gefährdet sind die artenreichen Riffökosysteme durch Extremwetterereignisse wie Zyklone und Hitzewellen, die aufgrund der Klimakrise immer häufiger und mit größerer Intensität auftreten.
Im Jahr 2022 hat sich DEEPWAVE für sein Filmfestival in Bremen mit dem 15. Internationalen Korallenriff-Symposium (ICRS), der größten Konferenz für Korallenforscher:innen zusammengetan und das Filmfestival „Saving Corals“ auf die Beine gestellt.