Zero Draft: Ein Müll gefüllter Sack auf einem mit Plastik vermüllten Strand.

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Pressemitteilung, 12.11.2023, WWF

WWF: „Abkommen muss rechtsverbindlich sein, Verbote besonders schädlicher Kunststoffprodukte umfassen und die Verursacher in die Pflicht nehmen“

Am Montag beginnt in Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden zur Ausarbeitung eines UN-Abkommens gegen Plastikverschmutzung (INC-3). Erstmals verhandeln die Staaten über einen konkreten Text, den sogenannten „Zero Draft“.  Für ein wirksames Plastikabkommen fordert der WWF Kunststoffprodukte mit hohem Verschmutzungsrisiko sowie besonders problematische oder toxische Polymere und Chemikalien zu verbieten, oder ihre Produktion auslaufen zu lassen.

Florian Titze, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, verfolgt die Verhandlungen vor Ort und sagt: „In Nairobi müssen die Staaten zeigen, wie ernst sie es mit dem Ende der Plastikverschmutzung meinen. Der Schlüssel für ein wirksames Abkommen sind verbindliche Regeln, die weltweit gelten und auch klare Verbote für problematische Kunststoffe wie Wegwerfprodukte und Mikroplastik umfassen. Auch verbindliche Regeln für die Produktgestaltung, die die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern und zu einer Kreislaufwirtschaft führen, sind unbedingt nötig. Sich auf nationale oder freiwillige Einzelmaßnahmen zu verlassen wäre unwirksam und hat uns in die Sackgasse eines ungerechten Plastik-Systems geführt: Plastikmüll verschmutzt den gesamten Planeten und gerade die ärmeren Staaten zahlen den höchsten Preis für den globalen Überkonsum von Plastik.“

Zudem fordert der WWF die Produktion und Marktnachfrage nach Neu-Plastik zu senken, beispielsweise indem man obligatorische Steuern für primäre Kunststoffpolymere erhebt und die Kunststoffproduktion nicht länger subventioniert. Um Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Plastikflut und dem Aufbau von Abfall-Infrastruktur zu unterstützen, müssen im Abkommen faire Finanzierungsmechanismen vereinbart werden. „Die Plastikkrise verursacht immense Kosten für die Umwelt, die Gesundheit und die Wirtschaft. Finanzielle Investitionen in eine globale Gesellschaft ohne Plastikmüll sollten deshalb nicht als Kosten betrachtet werden, sondern als zukünftige Einsparung der immensen Ausgaben, die durch die wachsende Plastikverschmutzung in der Welt anfallen. Das Plastiksystem ist kaputt und lässt sich nur mit einer globalen Lösung transformieren. Die Länder müssen jetzt vor allem Fortschritte im Text machen. Verzögerungstaktiken oder einen Stillstand der Verhandlungen können wir uns nicht leisten“, so Titze weiter. Einige erdölproduzierende Länder hatten in der Vergangenheit für Verzug gesorgt und versuchen ein verbindliches Abkommen zu verhindern. Dem gegenüber stehen Befürworter eines starken Abkommens, zu denen Deutschland und die EU sowie afrikanische Staaten wie Ruanda und Senegal zählen.

Der WWF hat im Vorfeld der Verhandlungsrunde einen Report veröffentlicht, der die strukturelle Ungerechtigkeit in der Plastik-Wertschöpfungskette aufzeigt. Demnach sind die Kosten von Plastikverschmutzung in ärmeren Ländern bis zu zehn Mal höher als in reichen Ländern. Verbindliche Regeln, die weltweit die Verursacher stärker in die Pflicht nehmen, können das System gerechter machen und die Umweltverschmutzung eindämmen.

Diese Pressemitteilung findet ihr beim WWF.

 

Update: Pressemitteilung, 19.11.2023, WWF

Auf der Stelle getreten

WWF: „Abkommen muss rechtsverbindlich sein, Verbote besonders schädlicher Kunststoffprodukte umfassen und die Verursacher in die Pflicht nehmen“

Heute Abend endete in Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden zur Ausarbeitung eines UN-Abkommens gegen Plastikverschmutzung. Der WWF Deutschland zeigt sich enttäuscht und bemängelt viel verlorene Zeit. Florian Titze, Senior Policy Advisor des WWF Deutschland, sagt:

„In Nairobi zeigten sich die langsamen Mühlen der internationalen Umweltdiplomatie: Fortschritte am Abkommenstext dürfen nicht zu Lasten des Ambitionsniveaus gehen. Will man sich auf beiden Ebenen bewegen, ist das eine Gratwanderung in Trippelschritten – diese Woche wurde jedoch so wenig erreicht, dass sich das Treffen vor Ort kaum gelohnt hat. Die Bremsmanöver und der Widerstand von ölproduzierenden Staaten wie Saudi-Arabien, Russland und Iran haben viel Zeit gekostet und die Verhandlungen beinahe vollständig zum Stillstand gebracht. Kritisch ist, dass in den kommenden Runden viel verlorene Zeit aufgeholt werden muss und eine große Schippe mehr politischer Wille nötig ist: Es konnte weder ein Mandat erteilt werden, zwischen den Verhandlungsrunden politisch am Text weiterzuarbeiten, noch für technische Arbeitsgruppen zur wissenschaftlichen Basis des Abkommens. Beides wäre dringend nötig, um den Zeitplan sicher zu halten. Zumindest ist es gelungen, inhaltliche Rückschritte zu verhindern, das hat Nairobi vor einem völligen Scheitern bewahrt.  Die Mehrheit der Staaten hat verteidigt, dass das Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik inklusive der Produktion umfassen muss, statt nur Fragen von Abfallentsorgung und -aufbereitung. In wichtigen Fragen hat sich die Entschlossenheit vieler Staaten bestätigt. Ein wirksames Abkommen braucht klare Verbote für problematische Kunststoffe wie Wegwerfprodukte und Mikroplastik. Zusätzlich müssen Regeln für die Produktgestaltung, die die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern und zu einer Kreislaufwirtschaft führen, festgeschrieben werden. Es liegen noch alle wichtigen Aspekte für ein ambitioniertes Abkommen auf dem Verhandlungstisch und erhalten teils großen Zuspruch, trotz der Opposition einer kleinen Gruppe lautstarker Staaten, die aktiv an der Verhinderung ambitionierter Lösungen arbeiten. Jetzt müssen die Verhandler:innen aller progressiven Länder die Zwischenzeit nutzen, um auf informellem Wege mehr Einigkeit und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. In der nächsten Verhandlungsrunde in Ottawa sind mehr Wille, mehr Tempo und eine gemeinsame Stimme nötig, um die Verhandlungen voranzutreiben. Rückschritte beim Inhalt und weitere Verzögerungen darf es nicht geben sonst ist der Zeitplan bis 2025 nicht mehr zu halten.  Die Bundesregierung ist aufgerufen, ihre progressive Rolle in den Verhandlungen zu untermauern, jede Möglichkeit für weiteren Fortschritt zu ergreifen und zusätzliche Verhandlungstreffen auch finanziell zu unterstützen.  Denn die Plastikkrise pausiert nicht: Schätzungsweise 35 Millionen Tonnen Plastik werden zusätzlich in den Ozean gelangen, während der zwei Jahre vom Beginn der Verhandlungen bis zu ihrem geplanten Ende. Weitere Verzögerungen können wir uns angesichts der zunehmenden Plastikflut nicht leisten.“

Diese Pressemitteilung findet ihr ebenfalls beim WWF.

Bereits im September hat der WWF rechtlich bindende Maßnahmen, globale Solidarität und ausreichende Finanzierung zum „Zero Draft“ gefordert. Und nicht nur die UN, sondern auch die EU bleibt zu zaghaft beim Kampf gegen die Plastikflut.

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