So endlos unsere Meere auch zu sein scheinen, auf ihnen wird es zunehmend enger. Der nationale und internationale Schiffsverkehr, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und noch weiter ansteigen wird, nimmt einen Großteil der Meeresoberfläche in Anspruch. Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgen auf dem Seeweg. Allerdings überqueren natürlich nicht nur Frachtschiffe sondern auch Wale die Meere. Wenn die Tiere zum Atmen oder Fressen an die Oberfläche kommen, geschieht es immer häufiger, dass sie mit einem Schiff zusammenstoßen, was für den Wal in fast allen Fällen tödlich endet.
Besonders gefährlich wird es in den Häfen von Los Angeles und Long Beach, die zu den verkehrsreichsten Frachthäfen der Welt zählen, denn genau dort befinden sich wichtige Migrationsrouten von Blau- Grau-, Finn-, und Buckelwalen. Es wird angenommen, dass an der US-Westküste dadurch etwa 80-90 Wale jedes Jahr sterben. Die genaue Anzahl der getöteten Wale ist schwer zu bestimmen, da der Schiffskapitän den Zusammenstoß oft gar nicht mitbekommt und tödlich verletzte Wale schnell auf den Grund sinken.
Um dieses Risiko für Wale zu reduzieren, haben zwei Forscherinnen aus Kalifornien das Projekt Whale Safe ins Leben gerufen. Whale Safe wertet mit Echtzeitdaten aus, wie und wo sich Wale und Schiffe aufhalten und wann sie aufeinandertreffen könnten. Eine Boje mit einem akustischen Sensor analysiert, ob sich gerade ein Wal in der Region befindet, und ein Algorithmus bestimmt seine Art. Zusätzlich kann jeder, der einen Wal sichtet, in der App einen „Whale Alert“ oder „Wal-Alarm“ eintragen. Schifffahrtsunternehmen und Kapitäne können die Daten live einsehen und direkt reagieren, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Auch eine bisher freiwillige Regel, dass Schiffe ab einer bestimmten Größe in der Schutzzone auf zehn Knoten abbremsen, reduziert das Risiko einer tödlichen Wal-Schiff-Begegnung deutlich. Etwa 60 Prozent aller Schiffe halten sich bis jetzt an diese Geschwindigkeitsbegrenzung.
Neben den Zusammenstößen mit Schiffen sind Wale, wie alle marinen Lebewesen, zusätzlich von der (Plastik)Verschmutzung und den sich veränderten Umweltbedingungen durch die Klimakrise zunehmend bedroht. Wale spielen eine wichtige Rolle für den globalen Kohlenstoffkreislauf und fördern durch ihre Ausscheidungen die lokale Primärproduktion von Phytoplankton und damit auch die Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. Deshalb ist ihr Schutz nicht nur für das einzelne Individuum, sondern auch für den Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung.
Den zugehörigen Artikel “Wie man einen Wal rettet” von Maria Mast vom 01.01.2023 findet ihr bei ZEIT ONLINE.
Mit dem steigenden Schiffsverkehr erhöht sich auch der Unterwasserlärm, der die Kommunikation der Wale und ihr Verhalten zunehmend beeinträchtigt.
In der Antarktis, die durch ihre Lage bisher noch vergleichsweiße vom Schiffsverkehr verschont geblieben ist, wurde ein neuer Hotspot für Finnwale entdeckt.