Auf der vom Bundesamt für Naturschutz in Kooperation mit dem Deutschen Meeresmuseum/OZEANEUM in Stralsund ausgerichteten internationalen Tagung „Progress in Marine Conservation 2023: How to stop biodiversity loss – from knowledge to action“ haben sich rund 200...
Pressemitteilung, 06.10.2023, NABU
Krüger: Die Bundesregierung muss umsteuern – Nordsee wird zum Industriegebiet
Berlin – In seiner Stellungnahme zum Vorentwurf des neuen Flächenentwicklungsplans Offshore kritisiert der NABU erneut das Festhalten am politischen Ausbauziel 70 Gigawatt und die rücksichtslose Industrialisierung der Nordsee. Während die Wissenschaft vor irreversiblen großflächigen Umweltschäden warnt, die Unvereinbarkeit der Windkraftplanung mit den europäischen Naturschutzzielen unstrittig ist, baut Deutschland weiter Umweltstandards ab, will zusätzliche Gebiete für den beschleunigten Windausbau genehmigen. Der NABU fordert ein Umsteuern der Politik und eine vorzeitige Neuordnung der marinen Raumordnung mit dem Ziel, Nord- und Ostsee zu entlasten.
„Wir brauchen die Windkraft auf See. Doch wenn Ausbauziele, zur Verfügung stehende Meeresfläche, Nutzungskonkurrenzen und Naturschutz nicht zusammenpassen, muss die Politik den Mut zur Korrektur der eigenen Ziele haben. Schon heute ist die Nordsee durch Fischerei, Schifffahrt, Rohstoffabbau, Hunderte Plattformen und Pipelines übernutzt. Alle Umweltziele wurden verfehlt. Um ehrgeizige Ziele für die Windenergie zu rechtfertigen, muss zuerst der Druck auf das Ökosystem sinken“, mahnt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Deutschland verfolgt mit seinem kleinen Flächenanteil die ehrgeizigsten Pläne aller Nordsee-Anrainerstaaten. Auf fast 20 Prozent der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone sollen sich ab dem Jahr 2045 Windräder drehen. Nach Überzeugung des NABU schafft auch der neue Flächenentwicklungsplan keine Erleichterung für die Natur. Die Naturverträglichkeit der Energiewende geht so vollständig verloren.
„Wir müssen endlich unsere Nutzung daran ausrichten, was das Ökosystem Meer verträgt. Das gilt auch für die Offshore-Windenergie. Die Bundesregierung muss das Ausbauziel reduzieren. Nur so können Klima- und Naturschutz gleichermaßen gelingen“, so Krüger weiter.
Erst kürzlich hatte der europäische Rechnungshof in einem Bericht darauf hingewiesen, dass der Offshorewind-Ausbau die aufsummierten Effekte auf das Ökosystem nicht ausreichend berücksichtigt. Dennoch hält der Vorentwurf des neuen Flächenentwicklungsplans vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 70-Gigawatt-Ziel fest. Zwar sollen vorerst keine Schutzgebiete bebaut werden, doch gehen zusätzliche, wichtige Lebensräume für Seevögel und Schweinswale verloren. Das schließt auch Flächen ein, die der NABU in seiner Studie zur Identifizierung von naturverträglichen Offshorewind-Flächen als nicht geeignet eingestuft hatte. Sinnvolle Ansätze beim Monitoring von Vogelkollisionen oder Anreize für schallarme Gründungsverfahren können nach Überzeugung des NABU in der Gesamtschau nicht die massiven ökologischen Folgeschäden auffangen. Nach einer aktuellen Studie der North Sea Energy Cooperation sind die Nordsee-Ausbauziele unvereinbar mit den Zielen europäischer Naturschutz-Richtlinien.
„Ohne konkrete Vorgaben zu temporärer Abschaltung läuft auch ein Kollisionsmonitoring ins Leere. Zudem muss ein viel stärkerer Fokus auf die Förderung schallarmer Bauverfahren gelegt werden, um auch zukünftig etablierte Schallgrenzwerte einzuhalten. Es gilt grenzübergreifend die naturverträglichsten Standorte für Windenergie zu identifizieren und die Energiewende endlich zu einem grünen europäischen Projekt zu machen. Der nationale Wettlauf um Flächen und Ausbauziele kennt nur einen Verlierer: das Meer“, so NABU-Meeresschutzexperte Dominik Auch.
Diese Pressemitteilung findet ihr beim NABU.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung haben mehrere Umweltverbände bereits 2021 vor der Industrialisierung von Nord- und Ostsee gewarnt. Im Zuge dessen hat der NABU dieses Jahr eine Studie zur räumlichen Planung der Offshore-Windenergie in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee veröffentlicht.